Frankreich – Polen – 1:1

Frankreich – Polen – 1:1

„DIE NACHHALTIGSTE EM ALLERZEITEN“

25.06.2024
Westfalenstadion
Europameisterschaft
Zuschauer: 59.728

DORTMUND – Die Europameisterschaft 2024 in Deutschland sollte die nachhaltigste EM allerzeiten werden. Es gibt keine Parkplätze und alle sollen mit der Deutschen Bahn und ihren Partnerunternehmen ankommen.
Nach der Ticketbeschaffung buchte ich dann mal vorbildlich eine passende Bahnverbindung und wurde natürlich wie immer fatal enttäuscht. Kurz nach der Abfahrt fiel die Klimaanlage beim Lokführer aus, die Lok musste abgekoppelt werden und der Zug drehen.

Insgesamt kam ich dann mit 50 Minuten Verspätung in Dortmund an. Beim Einlass gab es wieder keine Probleme und ich war ratzfatz drin. Wundert mich aber auch nicht, da die UEFA Organisation einfach drauf hat. Im bekannten Block 55 (Gästeblock) nahm ich meinen sichtbehinderten Platz ein und hatte maximal 0,1 Prozent Sichteinschränkung. Die habe ich aber auch, wenn ich die Brille nicht aufhabe.

Zur polnischen Hymne brannten im „Gästesektor“ die ersten Fackeln und ähnlich heiß ging die polnische Nationalmannschaft ins Spiel um die Goldene Ananas. Frankreich wollte hier mit einem Sieg eigentlich den Gruppensieg klar machen, aber dafür spielten sie viel zu lethargisch und scheiterten in der ersten Hälfte des Öfteren an dem Spieler des Spiels, der polnischen Nummer 2.

In der zweiten Hälfte bekam Frankreich relativ schnell einen Elfmeter geschenkt, den die „Grande Nōz der Nation“ in Person von Superstar Mbappé auch sicher verwandelte. Trotzdem schafften die Franzosen das Ding nicht über die Zeit zu bringen. Ihrerseits bekamen die Polen in der 77. Minute einen Elfmeter, den Lewandowski im zweiten Anlauf verwandelte. Am Ende ergatterte Polen einen verdienten Punkt und Frankreich verspielte leichtfertig den Gruppensieg.

Das war wohl mein letztes Spiel bei der Europameisterschaft und ich war zuerst skeptisch, aber alles ums Stadionerlebnis hat super viel Spaß gemacht. Viele euphorische Fans, super Organisation seitens der UEFA und zwei faire Ticketpreise rundeten das Erlebnis ab.

Der Rückweg mit der Deutschen Bahn ging dann natürlich wieder völlig schief und ich kam mitten in der Nacht mit einer sehr hohen Verspätung in Hamburg an. (mb)

Niederlande – Österreich – 2:3

Niederlande – Österreich – 2:3

„DAS BESTE SPIEL DER EM!“

25.06.2024
Europameisterschaft
Olympiastadion Berlin
Zuschauer: 68.368

BERLIN – Das beste Spiel der EM, wie die Kollegen aus der Redaktion mit den großen Buchstaben den Kick betiteln, fing mit einer kleinen Ernüchterung an. Kroatien bekam am Vorabend in der Nachspielzeit das 1:1 von Italien eingeschenkt und damit hatte Österreich fast kampflos das Achtelfinale erreicht. Auge um Auge, Zahn um Zahn. Bei der EM wollen wir die Fetzen fliegen sehen und keine Platzierungsspiele bejubeln. Nur mit einer hohen Niederlage würden unsere südlichen Nachbarn noch ausscheiden können, während Holland bereits in der K.O.-Runde stand.

Für das Spiel wurde ein enormer Aufwand in der Redaktion betrieben: Bei dem 60€-Ticket war diesmal ein wenig Glück im Spiel, aber Babysitter mussten organisiert und Arbeitszeiten zurechtgestutzt werden, Notfallpläne kamen nach einem Zugausfall auf den Tisch, für den nächsten Tag war nur mit wenigen Stunden Schlaf zu rechnen. Eine Fußverletzung tat ihr Übriges dazu bei. Unsere Nachbarn mussten unbedingt liefern, wo man mit so viel Einsatz vorangegangen war.

Naja, wenigstens ging es auf dem Papier noch um was. So zumindest die Ausgangslage. Denn Österreich schien sich für diese Spielchen nicht zu interessieren. Vom Reformvater der Viererkette – Ralf Rangnick – exzellent auf- und eingestellt, gab die Alpenrepublik von der ersten Minute an Gas und bewies trotz farbenfroher Kurve mal wieder: Grau ist alle Theorie. Begleitet von einem gut organisierten Block, der sich geteilt durch das Marathontor teilweise in Wechselgesängen übte, gelang nach schneller Kombination der frühe Führungstreffer. „Eigentor“ ploppte zum siebten Mal bei diesem Turnier auf der Anzeigetafel auf.

Während im holländischen Vereinsfußball Hooligans und Casuals den Ton angeben, scheint sich der Oranje-Mob bei Länderspielen aus höheren Gesellschaftsschichten zu rekrutieren. Orange trägt nur die Müllabfuhr, jaja, aber schon beeindruckend, so ein Block in Signalfarben. Im Zweifel können die Oranjes ganz schön laut werden. Doch der Support lahmte lange Zeit auf rätselhaftem Niveau, so wie auch das Spiel der „Elftal“. Trotzdem: Auf gute Momente kann man sich bei den Niederlanden auf dem Rasen und auf den Rängen immer verlassen. Und nachdem Gakpo und Depay im zweiten Abschnitt scorten, bebte die Kurve.

Als wenn nichts gewesen wäre, traf Marcel Sabitzer nach einem feinen Pass mit einem knallharten Schuss ein paar Minuten später zum Sieg. Da Frankreich nur ein Unentschieden gegen Polen holte, reichte das am Ende sogar zum Gruppensieg. Österreich spulte die letzten Minuten beängstigend souverän runter. Als wenn es das Normalste der Welt wäre, die Gruppe vor Holland und Frankreich zu gewinnen. Das beste Spiel der EM wird wohl erst noch stattfinden. Ein richtig guter Kick war das aber schon. (mm)

Kroatien – Albanien – 2:2

Kroatien – Albanien – 2:2

„BALKAN-FESTSPIELE IN DER HANSESTADT“

19.06.2024
Europameisterschaft
Volksparkstadion
Zuschauer: 46.784

HAMBURG – Nach dem tollen Auftritt in Dortmund durfte ich die albanischen Fans am Mittwoch erneut erleben. Anders als am Wochenende diesmal quasi vor der Haustür in Hamburg und im Balkan-Duell gegen Kroatien. Wie es sich für einen umweltbewussten Redakteur gehört, radelte ich die überschaubare Strecke zum Stellinger S-Bahnhof. Bereits auf dem Weg kam ich an etlichen Fans im unverwechselbaren karierten Trikot vorbei und auch die typische Wasserball-Kappe durfte bei einigen nicht fehlen. In Stellingen angekommen dröhnte kroatischer Schlager aus den Boxen, stolz wurden die (Zaun)fahnen präsentiert und die ersten Fackeln gingen an. Hinter dem Tunnel zog eine albanische Gruppe mit traditionellen Trommeln und Flöten die Aufmerksamkeit auf sich. Arm in Arm tanzten Kroaten und Albaner zur Musik und eigentlich fehlte nur noch der Duft von Cevapi in der Luft. Herrlich!

Bedingt durch die offizielle Gästeplatzierung reisten die meisten Shqipëri Fans natürlich über Othmarschen an, sodass ich die Doppeladler erst im Stadion so richtig wahrnehmen konnte. Zum Einlaufen der Mannschaften wurde die Landesfahne mit der Botschaft „Origin, Destiny, Tradition“ über den Block gezogen. Auf der anderen Seite huldigten die Kroaten erneut ihrer Nr. 10 mit den Worten „Let The Magic Begin“.

Allerdings ließen Modric und seine Teamkollegen über weite Strecken die erhoffte Magie vermissen. Stattdessen gaben die Albaner den Ton an und spielten wie schon in Dortmund von Beginn an mutig nach vorne. Diesmal ohne Torrekord, aber das 1:0 nach elf Minuten sorgte auch so für eine Jubelexplosion bei den Rot-Schwarzen.

Den Kroaten fiel in der ersten Halbzeit wenig ein: kaum Torabschlüsse und wenig Zielstrebigkeit sorgten für frustrierte Gesichter bei meinen Sitznachbarn in Rot-Weiß. Erst mit einem Doppelwechsel zur Pause kam Schwung rein. Unabhängig vom Ergebnis trieb der Stimmungskern auf der Nordtribüne die Mannschaft an. Hier und da wurde eine Fackel angerissen und auch der unverkennbare orangene Rauch wehte durch das Volksparkstadion. Nervig waren da nur die ständigen Durchsagen des Stadionsprechers. Auf dem Feld drehten die Kroaten tatsächlich innerhalb von zwei Minuten dank Kramaric und einer unglücklichen Abwehr-Aktion das Spiel.

Den Schlusspunkt setzten allerdings die Albaner. Unglücksrabe Gjasula machte sein Eigentor vorne wett und traf in der 95. Minute zum insgesamt verdienten 2:2. Komplette Ekstase in Rot und Schwarz, totale Leere bei den kroatischen Fans in meiner Reihe. Das Ende einer goldenen Generation? Wir werden es sehen. (hr)

Georgien – Tschechien 1:1

Georgien – Tschechien 1:1

„DER GESCHEITERTE TSCHECHIEN DREIER“

22.06.2024
Volksparkstadion
Europameisterschaft
Zuschauer: 46.524

HAMBURG – 17 Tage vor dem Dritten Gruppenspiel in Hamburg konnte ich mir nicht erträumen für 30 Euro bei der Europameisterschaft dabei zu sein. In den ersten Phasen bin ich leer ausgegangen und dachte mir, dass der Zug komplett abgefahren sei, bis plötzlich eine Nachricht per WhatsApp in der Redaktionsgruppe erschien: „Es gibt wieder Tickets für die EM“. Keine zwei Minuten später war eine Fan First Karte für dieses Spiel im Warenkorb.
Typischerweise hieß es mal wieder Tschechien. 2016 bei der EM in Frankreich sah ich Tschechien in Toulouse gegen Spanien, für die EM 2020 hatte ich Karten für ein Spiel der Tschechen in Glasgow, welche mir wegen Corona aberkannt wurden und nun Tschechien im heimischen Wohnzimmer.

Gegen 12.45 Uhr machte ich mich auf dem Weg Richtung Volksparkstadion und war verwundert, dass der HVV den S-Bahn Takt tatsächlich erhöhte. Parallel fuhren zwei Bahnen nach Stellingen. Von dort ging es diesmal nur zu Fuß zum Stadion, da der Shuttle nur für Personen mit einer eingeschränkten Mobilität zur Verfügung stand. Am Stadion dauerte es keine zwei Minuten, bis wir im Stadion waren. Rund eine Stunde vorher hörten wir schon die ersten Gesänge der Georgier.

Rund 15 Minuten vor Anstoß ging das ganze EM Prozedere los und die Mannschaften kamen sechs Minuten vor Anpfiff raus zu Hymne. Spätestens dort war die Stimmung besonders im Bereich der Georgier am kochen. Jede Aktion wurde in den ersten Minuten umgejubelt. Der Torwart parierte schon in der Anfangsphase einige Bälle und hielt Georgien im Rennen. Er war auch am Ende der Spieler des Spiels. Kurz vor der Halbzeit gab es dann einen Elfmeter für Georgien. Mikautadze trat an und traf. Extase pur!
In der zweiten Hälfte spielte quasi nur Tschechien und jeder wusste, entweder die machen noch den Siegtreffer, oder Georgien bekommt ganz am Ende einen Konter und macht die Bude. Das Drehbuch war schon im Druck, nur Lobjanidze schaffte es nicht die Kugel aus acht Metern ins Tor zu schieben. Er hatte den ersten Sieg der Georgier bei einer EM auf dem Fuß, aber die lieben Nerven versagten dann doch und die Tausendprozentige ging nicht rein.

Nach dem Abpfiff wurden beide Teams von ihren Landsleuten gefeiert und wir gingen sehr zufrieden nach Hause. Es war ein schönes Erlebnis dabei gewesen zu sein, was vor allem an der Stimmung der beiden Ländern lag. Leider wird mindestens einer der beiden am Donnerstag wieder nach Hause fahren müssen. Zuvor spielen die Tschechen aber nochmal in der schönsten Stadt Deutschlands gegen die euphorischen Türken. Dort wird das Volksparkstadion nochmal ordentlich beben, bevor Taylor Swift die Bude für noch höhere Ticket- und wahrscheinlich auch höhere Bierpreise vollmacht. (mb)

Italien – Albanien – 2:1

Italien – Albanien – 2:1

„HEIM-EM FÜR ALLE!“

14.06.2024
Westfalenstadion
Europameisterschaft
Zuschauer: 62.000

Volume 1

DORTMUND – Die Europameisterschaft im eigenen Land ist für mich bisher keine Heim-EM. Noch nie bin ich bei solchen Turnieren in der Ticket-Lotterie leer ausgegangen. Bei der EM 2024 schon. Auch der Spielplan meinte es nicht sehr gut mit mir. Kaum Termine in der Vorrunde, die man ohne großes Freischaufeln wahrnehmen könnte. Und wenn ich mal in der Woche Zeit hab, wird in Stuttgart oder München gespielt. Viele Grüße aus dem Hansetal! Am Samstag hatte ich Zeit und angesichts der Tatsache, dass Norddeutschland nur mit Hamburg als Spielort bedacht wurde, lag Dortmund quasi um die Ecke.

Doch die Pechsträhne ging weiter. Vorab ließ ich mich ausnahmsweise mal auf einen Tickethändler aus dem Internet ein. Die Anzahlung von 50€ für das Spiel war es mir wert, am Samstag vor dem Spiel möglicherweise eine „ruhige Kugel“ schieben zu können. Aber die Anti-Stress-Investition war nicht erfolgreich und ich saß einem niederländischen Betrüger auf. Naja. Die Zugfahrt mit dem Deutschland-Ticket war umsonst, für die Hotelnacht in einer der feinsten Absteigen der Eisenbahnerstadt Hamm mussten 25€ berappt werden. Doch als ich den Dortmunder Bahnhof betrat, wusste ich: Jetzt ist es vorbei mit der Sparsamkeit. Vier Stunden vor dem Anpfiff wuseln auf dem Vorplatz mehr Ticketsuchende als Italien-Fans herum. Ansonsten haben die Albaner die Kontrolle in der Stadt übernommen. Heim-EM für alle! Überall viel Bling-Bling und fette Autos. Die Albaner muss man einfach liebhaben. Doch die Leidenschaft in den Augen der Skipetaren ist keine Show. Leider suchen auch die meisten Albaner vor Ort noch Tickets.

Vor dem Stadion werde ich dann mit meinem Schildchen recht oft angesprochen und die wenigen Fans, die Tickets übrig haben, bieten Karten zum Nennwert an. Leider liegt der Nennwert bei dieser Heim-EM meistens zwischen 300 und 400€. Das ist natürlich keine Option. Zumal ich mich dieses Jahr schon ein paar Mal ins Stadion geschmuggelt habe und der Kollege H. ein Ticket hat, das ich für die Kontrolle zumindest abfotografieren kann. Der Plan sieht auch vor, dass ich hinter meinem Redaktionskollegen durch das Drehkreuz husche. Nur, ich war ewig nicht mehr in Dortmund und da alles großzügig abgesperrt ist, kann ich mir vorab kein Bild von den Drehkreuzen machen.

Der Kollege H. trudelt erst etwa eine Stunde vor dem Anpfiff ein. Da sind die meisten Ticketinhaber schon drin. Und direkt nach der ersten laschen Durchsuchungskontrolle werden wir von der dahinter platzierten manuellen QR-Aktivierung durch die nächste Ordner-Riege überrascht. Unter einem Vorwand muss ich wieder raus und die Redakteure trennen sich schon vor den Drehkreuzen. Nach 5 Minuten stelle ich mich dann bei einem anderen Eingang an und eine Trantüte von Ordner bemerkt nicht, dass ich mich an eine Gruppe hefte, mit der ich durchflutsche. Danach kommen die Drehkreuze auf dem Stadionvorplatz. Doch die sind in Dortmund nur halbhoch. Hinter jedem steht ein Ordner, mit dem man Sichtkontakt hat. Und das größte Manko: Es sind keine Fans mehr da. Alle sind drin, 45 Minuten vor dem Anpfiff. Ich stehe vor den Ordnern wie auf dem Silbertablett, kann mich nicht verstecken, keine Hektik ausnutzen und nicht untertauchen. Ein Himmelfahrtskommando.

Zweimal versuche ich trotzdem über oder unter dem Drehkreuz durchzuhoppsen und fliege natürlich auf. Ich beklage selbstmitleidig, dass mein QR-Code nicht funktioniert oder das Internet zusammengebrochen ist und werde treudoof zum „Clearing Point“ geschickt. Einem jungen Ordner jammer ich die Ohren voll. Er hätte mich fast durchgelassen. Es müssen andere Lösungen her. Also schau ich mal ins „Strobels“ rein. Das ist eine Gastwirtschaft genau zwischen dem Westfalenstadion und der „Roten Erde“. Unter dem Vorwand auf’s Klo gehen zu wollen öffne ich einfach mal zwei Nebentüren und stehe plötzlich unter der Haupttribüne. Mit dem Kniff umgeht man die QR-Kontrolle. Doch leider kommt man durch die letzte Tür zum Stadion nur mit Arbeitskarte. Die Dame ist entsetzt, wie ich es hier hingeschafft habe. Ich spiele wieder den Dummen. Trotzdem: Die Reise ist an der Stelle zu Ende, an der einst auch Sebastian Pufpaff von „TV Total“ bei seinem Schummelversuch umkehren musste.

Nicht so schlimm. Ich bin mit meinem Latein noch nicht am Ende. Denn wenig später kommt eine Rotte Ordner vorbeigetrabt, für die ein Tor geöffnet wird und so komme ich unbemerkt von dieser Ordnergruppe ins Innere. Ich habe die Treppe zum Block schon im Blick, da spüre ich eine Hand auf der Schulter. Tja, einer der Drehkreuz-Kontrolleure hatte mich im Visier, da ich vor seinem Einlass auf- und abtigerte. Warum sollte man das auch machen, wenn man ein gültiges Ticket hat? Das wichtigste Element für einen ticketlosen Einlass fehlt: Der Andrang. Und der wurde ein paar Minuten vor dem Anpfiff dann auch nicht besser. Also lieber weg, bevor da noch weitere Freunde und Helfer mit ins Spiel kommen.

Der Plan das Spiel im Strobels auf Leinwand zu verfolgen endet dann allerdings mit einem stilechten Rausschmiss. Das Tor der Albaner kann ich noch akustisch und visuell mitnehmen. Völlig irre: Die Bildschirm-Übertragung direkt neben der Albaner-Kurve hängt etwa 10 Sekunden nach und ich kann mir überhaupt keinen Reim machen, warum wenige Sekunden nach dem Anpfiff schon so krass im Stadion gejubelt wird. Auf dem Fernsehbild seh ich ja erst den Anpfiff und irgendwie bin ich ja doch mittendrin. Anschließend kommen irgendwelche Security-Babos und verlangen nach meinem Ticket, das ich nicht vorzeigen kann. Ich bin der einzige Gast in dem Laden, abgesehen vom Staff, das kommt den Jungs spanisch vor. Die nächste Stunde verbringe ich trotzdem hinter der Absperrung direkt am Stadion. Dort ist man nicht der einzige Neugierige. Ein paar Dutzend Leute schauen das Spiel auf dem Handy mit der Original-Atmosphäre im Hintergrund. Etwa eine Viertelstunde vor Schluss wird aber auch diese Atmosphäre jäh beendet. Denn in Vorbereitung auf den Abpfiff drehen die Ballerbuden ihre Ballermannmusik auf und vorbei ist es mit dem authentischen Geräuschpegel aus dem Stadion. Aber ist ja am Ende nichts passiert… (sl)

Volume 2

DORTMUND – Ähnlich wie Kollege M. hatte auch ich kein Glück bei den Ticket-Verlosungen der UEFA und stellte mich innerlich auf eine EM vor dem Fernseher ein. Ohnehin war bereits für Ende Juni ein dreiwöchiger Trip Richtung Asien gebucht, sodass sich die Enttäuschung in Grenzen hielt. Bis plötzlich Anfang des Monats noch ein bunter Strauß an Karten online ging. Eher zufällig sah ich die E-Mail auf meinem Handy und deckte mich kurzerhand für drei Spiele ein, davon zweimal Albanien in Dortmund respektive Hamburg.

Italien-Albanien war definitiv mein Zielspiel, denn ich spekulierte auf einen Doppler in Verbindung mit den Playoff-Spielen unserer Nachbarn in den Niederlanden. Wie erhofft setzte der KNVB die Relegation um die Tweede Divisie zwischen Genemuiden und Maasluis für 14.30 Uhr an. Grüner Rauch übers ganze Feld, zwei Batterien abgefeuert, 0:3 nach 90 Minuten, Maasluis hält die Klasse, Abfahrt. So weit, so gut. Nach dem Check-In bei unserer charmanten Unterkunft in Hamm traf ich aber dann doch erst gegen 20.00 Uhr in Dortmund ein. Letztendlich dürfte das die fehlende Zeit gewesen sein, denn da waren die meisten Fans bereits im Stadion und wie beschrieben herrschte an den Drehkreuzen gähnende Leere.

„Wo ein Wille, da ein Weg“ dürften sich auch die Kosovo-Albaner gedacht haben. Viele Redaktionen schrieben schon im Vorfeld von einer Invasion der Kuqezinjtë-Fans ins Westfalenstadion. Auf dem Schwarzmarkt wurden absurde Preise verlangt und wohl auch durchgesetzt. Nachzählen konnte ich nicht, aber alle Tribünen waren wirklich zu großen Teilen in rot getaucht und die kolportierten 50.000 dürften gestimmt haben. Lediglich auf einer Ecke der Südtribüne sammelten sich die Tifosi der Squadra Azzurra, die (wie gewohnt) kaum bzw. nur beim Torjubel zu hören waren. Stattdessen schallte immer wieder „Shqipëri“ durchs Stadion. Zum Einlaufen der Mannschaften präsentierten die albanischen Fans ein Spruchband, eingerahmt von schwarzen und roten Papiertafeln.

Als wäre die Atmosphäre vor dem Spiel nicht schon beeindruckend genug, erzielte Bajrami nach nur 23 Sekunden das 0:1 und sorgte für komplette Ekstase. Neben den Bierbechern flogen auch jede Menge Qeleshe durch die Gegend, die traditionelle Kopfbedeckung in Albanien. Kein Halten mehr bei den Doppeladlern!

Entsprechend steigerte sich die Stimmung noch weiter, aber die italienischen Spieler schienen nur kurz geschockt zu sein. Zehn Minuten nach dem Rückstand köpfte Bastoni unbedrängt zum 1:1 mitten in die Euphorie rein. Fünf Zeigerumdrehungen später drehte Barella die Partie und ließ die Albaner buchstäblich verstummen. Der schnelle Dreher hatte bei den albanischen Fans definitiv den Sticker gezogen und die Lautstärke kam –wen wundert’s- nicht mehr an die ersten Minuten ran. In der zweiten Halbzeit schaltete Italien in den typischen Verwaltungsmodus und brachte das 2:1 relativ ungefährdet über die Zeit.

Nach dem Spiel traf ich mich wieder mit Kollege M. am Auto. Schnell noch eine vorzügliche Pizza Sucuk reingeschoben und nach einer verdienten Mütze Schlaf in Hamm brachen wir am Sonntag Richtung Doetinchem auf. Dort folgte der zweite Teil der Holland-Playoffs und sollte ein bisschen für das entgangene EM-Spiel entschädigen. Bericht folgt! (hr)