SV Rugenbergen – HSV III – 2:4

SV Rugenbergen – HSV III – 2:4

03.11.2019

Oberliga Hamburg

Werner-Bornholdt-Sportzentrum

Zuschauer: ca. 125

„TORTE MIT BIER“

BÖNNINGSTEDT – Nun war es also so weit, nachdem sich der SV Rugenbergen bereits im Vorjahr als einziger weißer Fleck auf meiner Oberliga-Hamburg-Karte hervortat und ein Besuch im Februar an der Witterung scheiterte, wurde nun schon in der Hinrunde Nägel mit Köpfen gemacht. Zuvor galt es noch drei von diesmal fünf Oberliga-Aufsteigern zu kreuzen, das gelang ziemlich mühelos und mit teilweise recht schrulligen Anekdoten. Das was an einem 7. September 2010 bei Victoria Hamburg seinen Anfang genommen hatte, stand heute an diesem sehr milden November-Tag – mehr als 9 Jahre später – vor der Vollendung. Von Rugenbergen – einer grauen Oberliga-Maus – hatte ich bis dahin keine große Meinung. Der Ortsteil von Bönningstedt, einer kleinen Stadt im Landkreis Pinneberg, liegt für mich äußerst ungünstig im Nordwesten der Hamburger Peripherie. Hier war eindeutig niemals der Weg das Ziel.

Umso überraschter bin ich, als ich das Werner-Bornholdt-Sportzentrum betrete. Nach ein paar Minuten steht fest: Im nächsten Leben fahre ich als erstes zum SV Rugenbergen! In Sachen Versorgung: Unangefochtener Spitzenreiter der Oberliga Hamburg! Es gibt bunte Torten, regionales Feinschmecker-Bier vom Fass und natürlich einen Holzkohlegrill mit Bratwurst. Das ist eindeutig der perfekte Rahmen für eine Oberliga-Komplettierung! Das Herz der Anlage schält sich schnell heraus: Eine kleine Tribüne mit Kunstleder-Klappsitzen aus dem Stadion von Heracles Almelo. Das ist kein Scherz. Nico-Jan Hoogma – Sportdirektor bei den Holländern – hat zu HSV-Zeiten neben einem SVR-Funktionär gewohnt, aus dem Kontakt entstand eine Freundschaft. Mehrere Male fuhr die ganze Rugenbergener Mannschaft in die Provinz Overijssel zu Hoogma und Heracles. Als das Stadion des Ehrendivisonärs vor einigen Jahren umgebaut wurde, griff der alte HSV-Spieler zum Hörer und klingelte in Bönningstedt durch. Der SVR könne die luxuriösen, aber ausgedienten VIP-Sitze zum Nulltarif haben. Die rote Bestuhlung landete im Nu im Kreis Pinneberg. Fußball-Geschichten: Die Transportkosten teilte man sich mit dem Nachbarverein SV Halstenbek-Rellingen, der dafür die andere Hälfte der ausrangierten Sitze seinerseits im Jakob-Thode-Sportpark verbauen ließ.

Neben der äußerst komfortablen Sitztribüne fällt der Platz noch durch einige nette Details auf: Krummes Stankett, eine Anzeigetafel nebst Efeu-zugewucherter Remise mit Trecker und Walze, für die Pflege des Naturrasenplatzes. Auf der Längsseite gegenüber der Tribüne erstrecken sich noch ein paar Stufen, die heute – zur Feier des Tages – mit zwei Handvoll Auswärtsfans bestückt sind. Die dritte Mannschaft vom HSV ist dem e.V. untergeordnet und diente vor einigen Jahren als Fluchtpunkt der treuesten HSV-Fans, die nach der Umwandlung in eine AG ein neues zu Hause gesucht hatten und intern fündig wurden. Seitdem wird „Hamburg 3“ immer wieder tatkräftig unterstützt. Vor knapp zwei Jahren wurde ich dieser visuell untermalten Unterstützung bei einem Heimspiel gegen Teutonia gewahr, nach Rugenbergen hat es heute aber nur ein Bruchteil dieser Gruppe geschafft. Warum gerade mal so 100 Zuschauer den SVR Woche für Woche besuchen, bleibt übrigens ein Geheimnis. An den Umständen kann es nicht liegen. Eventuell eine scheiß Gesellschaft, in der wir leben?

Die Rothosen sind noch wegen einer anderen Personalie interessant: Marcell Jansen ist dort als Mittelstürmer mit von der Partie. Der jüngst gewählte Präsident des eingetragenen Vereins und ehemalige Bayern-Spieler hat den Fußball offenbar doch noch lieb. Dritte Mannschaft – unattraktiver Name, aber letztlich eine runde Sache. Gerüchten zu Folge soll HSV-Legende Piotr Trochowski demnächst als Spieler in der Oberliga-Mannschaft folgen. Genug Theorie, wichtig ist auf’m Platz: Dort begegnen sich zwei Mannschaften mit einer offensiven Spiel-Philosophie. Rugenbergen hat sich im Sommer neu aufgestellt: Trainerwechsel, Personal verjüngt, Ansprüche runtergefahren. Die Zeiten haben sich auch in der Oberliga geändert. Und wer was werden will, sucht sein Heil in der Offensive. Ich will der HSV-Truppe nicht zu Nahe treten, immerhin ist man im Sommer ja erneut in die höchste Verbandsspielklasse aufgestiegen. Aber so ein bisschen verbreitet die Truppe von Christian Rahn (auch ein ehemaliger Nationalspieler) den Eindruck einer „Fun-Truppe“. Tatkisch jedenfalls. An komplizierten Defensiv-Konzepten scheint man bei den Rothosen keine Gedanken zu verschwenden, das Auftreten der Mannschaft und die bisherigen Resultate sprechen diese Sprache.

Das Spiel beginnt natürlich mit einem schnellen Tor. 1:0 steht es für den Lokalmatador nach nicht mal zehn Minuten. Der HSV stark unter SVR-Druck, der so massiv ist, dass man sogar die möglichen Kontersituationen verstolpert. Als der Gastgeber immer stärker wird, findet allerdings doch mal eine fein herausgespielte Kombination, die bei Marcell Jansen ihren Ursprung hatte, den Weg ins SVR-Gehäuse. Dennoch geht Rugenbergen mit einem Vorsprung in die Pause und das hochverdient. Im zweiten Abschnitt ein ganz anderes Bild: Hamburg verteidigt das Leder mittels Ballbesitz und spielt sich diverse Chancen heraus. Ein trockener Schuss von der Strafraumgrenze bringt dem HSV den Ausgleich. Planlose Angriffe von Rugenbergen führen anschließend zu gefährlichen Konter-Situationen für die Drittvertretung. Erneut ein feiner Spielzug und diesmal ist tatsächlich Marcell Jansen der Abnehmer! Der Ex-Nationalspieler macht die Schleife drauf und freut sich über den Treffer wie einst in der Bundesliga. Kurz vor Schluss die Entscheidung durch einen Spieler, der durch Körperbemalung auffällt und dessen Verwandtschaft neben mir auf der Tribüne sitzt. Trotzdem kann es nur einen Gewinner heute geben: Der SV Rugenbergen und seine Anlage im Werner-Bornholdt-Sportzentrum an der Ortsgrenze zu Ellerbek.

SV Börnsen – SV Rugenbergen – 2:6

SV Börnsen – SV Rugenbergen – 2:6

02.10.2019

Landespokal Hamburg/3. Runde

Sportplatz Hamfelderedder „Hamfieldroad“

Zuschauer:ca. 80

„BÖRNING DOWN THE HOUSE“

BÖRNSEN – Zwei Mal ein 2:6-Auswärtssieg in einer Woche – damit können wohl die wenigsten prahlen. Nicht die einzige Parallele, die von diesem Spiel ausging. Bereits auf den Tag genau vor einem Jahr wollte ich dem Dorf am Rande Bergedorfs einen Pokal-Besuch abstatten. Auch damals war ein Oberligist zu Gast. Kein geringerer als die TuS Dassendorf, die übrigens gerade mal zwei Dörfer weiter ihre Heimspiele austrägt. Es schüttete wie aus Eimern, weshalb ich auf einen Besuch an der „Hamfieldroad“ verzichtete. „Dasse“ won 8:0. Ein Jahr war zwischen den beiden Pokal-Begegnungen vergangen, der Regen war geblieben. Doch der Unterschied zu 2018 lag darin, dass sich beim SV Börnsen für dieses Drittrundenspiel zarte Hoffnungen auf ein Weiterkommen entfalteten. Der Gast aus Bönningstedt – am komplett anderen Ende von Hamburg gelegen – krebst im Abstiegssumpf der Oberliga herum. Und Börnsen startete mit einem 18:0-Auswärtssieg bei der DJK Hamburg in diesen Wettbewerb. Diese Erstrunden-Partie um 10:00 Uhr morgens am Horner Kreisel war die torreichste Partie, der ich jemals beiwohnen durfte. So schließt sich der Kreis.

Der Ground bietet neben Flutlicht und Anzeigetafel ein paar Stufen auf der Längsseite und erhöhte Sicht von einem Plateau am Funktionsgebäude. Das Highlight am Vereinsheim ist sicherlich „Marinas Büdchen“, mit Naschi-Tüten und anderen Knabbereien, durch’s schmale Fenster gereicht von einer echten Vereinslegende – Marina. Nebenan sorgt der Grillmeister für krosse Fleischerzeugnisse. Die Currywurst lässt keine Wünsche übrig. Diese ganzen Fußnoten gepaart mit Naturrasen, ergeben definitiv einen recht charmanten Dorfsportplatz.

Noch etwas ist bemerkenswert: Auf der Längsseite sammeln sich nach und nach junge Männer in standesgemäßer Casual-Kleidung ein. Am Ende sind es gut ein Dutzend, irgendwann entrollen sie ein Plakat – und ich bin Augenzeuge der Geburtsstunde der „Börn Ultras“. Ich stehe in der ersten Halbzeit mehr als günstig zwischen den Ultras – die nach dem Wiederanpfiff noch eine Wunderkerzen-Choreo auspacken – und ein paar Edelfans vom SV Rugenbergen. In einem recht ausgeglichenen Spiel nutzt der SVR recht schnell seine individuelle Klasse zum 1:0. Danach lässt der Favorit aber die Zügel schleifen – der Bezirksligist kämpft sich in die Partie zurück! Und wird kurz vor der Halbzeit mit einem berechtigten Elfmeterpfiff belohnt. Nur Sekunden später steht es nach einem Kunstschuss 2:1 für Börnsen. Die „Ultras“ toben und der Außenseiter geht völlig überraschend mit einer Führung in die Kabine! Die Bönningstedter schwören sich bereits einige Minuten vor Wiederanpfiff im Spielerkreis auf die Wende ein – und nach ein paar Augenblicken fällt schon der Ausgleich. Rugenbergen lässt nicht locker und führt nach vermeidbaren Toren schnell mit 4:2. Dann jedoch die nächste vermeintlich spielentscheidende Szene in einem sehr hart geführten Spiel: Rote Karte für den Oberligisten! Ein bisschen Rest-Spannung verbleibt, ehe Bönningstedt in den letzten zehn Minuten die knappe Kiste doch noch in einen Kantersieg umwandelt.

Ein ausgewechselter SVR-Spieler legt sich noch wenig charmant mit dem Publikum an – wie ein Vierbeiner, den man von der Leine gelassen hat. Zweikämpfe mit der Kreissäge, Wunderkerzen, Kettenhunde, Holsten Edel aus der Handgranate – das ist keine Champions League, aber das ist der Fußball den wir lieben.