„VON HERZEN GRANTIG“
09.04.2024
Städtisches Stadion „Grüne Au“
Zuschauer: 824
HOF – Lohnt es sich mitten in der Woche für ein mäßig bedeutsames Fünftligaspiel von Schleswig-Holstein nach Bayern „rüberzumachen“? So wie einst Millionen von DDR-Bürgern, die Ende 1989 in die oberfränkische Kreisstadt einfielen und den Geldinstituten dort innerhalb von nur 7 Wochen sage und schreibe 91 Millionen D-Mark Begrüßungsgeld entlockten? Es lohnt sich. Auch ohne Begrüßungsgeld.
Statt Sparkasse oder Citibank heißt das Ziel mittlerweile „Städtisches Stadion Grüne Au“ und dort bekommt man auch kein Geldgeschenk, sondern muss 8,50€ Eintritt abdrücken. Ein stolzer Preis für Bayernliga Nord, zumal das Ticket nicht zum Sitzen berechtigt. Wenn man den Eintritt aber an den Spielort koppelt und die Liga-Zugehörigkeit vergisst, lassen sich die paar Münzen schnell verschmerzen.
An dem 111 Jahre alten Stadion im äußersten Nordosten Bayerns kann man sich gar nicht satt sehen. So viele unterschiedliche Details gibt es hier, jede Seite hat ihren eigenen Charakter. Überragt wird die „Grüne Au“ von der „neuen Tribüne“, die sich über den Stehplätzen erhebt. Aber auch der 70 Jahre alte Holzunterstand auf der Gegenseite ist schlicht überragend. Dieses Stadion würde selbst im grenznahen Tschechien um die vorderen Plätze mitspielen. Hier und da hat man einige Bereiche ausgebessert, aber nie für einen Radikalschlag gesorgt. Im Sommer soll es die nächsten baulichen Veränderungen geben, betroffen ist wohl vor allem die Hauptseite.
In die Jahre gekommen, aber einfach nur zum Liebhaben – so kann auch das Publikum vor Ort beschrieben werden. Hier wird noch aus vollem Herzen gegrantelt. Bei der Getränkedame auf der Holztribüne gibt es nur Bier zu kaufen – und die Frau freut sich über regen Zulauf. Am Grill gibt es „1 Paar Würstchen im Weckla“, die so gut sind, dass man sich am nächsten Tag beim Catering-Metzger im Laden noch Wurstvorräte anlegen lässt. Bei einem Blick in den Fanshop gab es dann doch noch was geschenkt: Ein Mousepad und eine CD. 1989 will hier einfach niemals enden.
Sportlich stand es um die SpVgg schon schlechter. Auch wenn man bereits 2. Bundesliga und vor über 50 Jahren gar Bundesliga-Aufstiegsrunde gespielt hat. Vor 20 Jahren erfolgte übrigens die Fusion mit der SpVgg Hof, was die kleine Fanszene naturgemäß nicht gut verdaut hat. Im Stadion wird weiterhin der „FC“ angefeuert. Unter der „neuen Tribüne“ versammelt sich ein kleiner Haufen mit Zaunfahnen und dicker Lippe.
Das Spiel kam schwer in die Pötte. Mit einem Sieg wäre Hof dicht dran gewesen an den Aufstiegsplätzen und die leichte Überlegenheit mündete in der Nachspielzeit der ersten Halbzeit dank feiner Einzelleistung auch im ersten Treffer der Partie. Nach der Pause war man die bessere Mannschaft. Es deutete nicht viel auf einen Punktverlust hin. Aber Fußball wäre ja nicht die beliebteste Sportart der Welt, wenn es nicht diverse Möglichkeiten gäbe den Verlauf eines Spiels zu verändern. Der Kapitän der Gäste aus Erlangen jedenfalls ist ein ausgezeichneter Freistoßschütze und zwei seiner Bälle schlugen per hohen Bogen im Torknick ein. Die Entscheidung zum 1:3 im Halbdunkel der flutlichtlosen Anlage ging dann schon fast im Gegrummel und Gegrantel der 824 flüchtenden Zuschauer unter. (mm)










