Club Africain – Espérance de Tunis – 1:3

Club Africain – Espérance de Tunis – 1:3

“DIAGNOSE FUSSBALLVERRÜCKT“

20.04.2025
Tunisian Ligue Professionnelle 1
Stade Olympique Hammadi Agrebi
Zuschauer: 28.000 (offiziell)

RADÈS – Gestern berichtete Kollege cvs von unserem Einlassdrama mit Happy End in Sfax. Heute folgt mit dem Derby de Tunis das Highlight unseres Wochenendes in Tunesien, bei dem das Thema Tickets auch eine Rolle spielte. Wie in der Hinrunde verhängte der Verband auch diesmal ein Gästeverbot. Offiziell durfte Club Africain 28.000 Karten verkaufen.

Wir gingen davon aus, dass der Vorverkauf mit Blick auf den unklaren Spielplan kurz vorher erfolgen würde. Weit gefehlt. Bereits vier Wochen vor dem Derby gingen die Tickets online, was wir gar nicht mitbekamen und das Spiel war innerhalb weniger Tage ausverkauft. Dank unserer Kontakte über die Grenzen von Schwechheim hinaus bekamen wir aber einen Kontakt vor Ort vermittelt, der uns kurzfristig noch drei Karten besorgte. Merci!

Dann aber war es soweit und wir fuhren raus nach Radès, wo sich die zwei größten Clubs des Landes das Olympiastadion teilen. Schnell noch eine „Grillade mixte“ beim Coco Grill reingehauen (sehr zu empfehlen!) und ab zum Stadion. Die Atmosphäre draußen war komplett entspannt und auch der Einlass unproblematisch. Drinnen füllte sich das weite Rund langsam und auch der Lautstärkepegel stieg an. In der Zwischenzeit herrschte Hochbetrieb bei der Curva Nord, die Stoffbahn um Stoffbahn reintrugen und die Vorfreude auf eine große Choreo wuchs bei uns.

Etwa 15 Minuten vorm Anpfiff kamen die Fans so richtig in Wallung. Quasi 100% Prozent Mitmachquote bei den Klatscheinlagen und die Tribüne begann durch die Hüpfeinlagen zu schwingen. Gänsehaut! Kurz vorm Anstoß zogen die Clubistes den ersten Teil einer riesigen Choreo hoch. Zentrale Botschaft war die Diagnose Schizophrenie beim Erzrivalen Espérance. Dazu war in der Mitte eine Karikatur des Präsidenten in Zwangsjacke mit Narrenkappe zu sehen, der auf den Wangen die ersten Vereinsfarben grün und weiß trug.

Eingerahmt wurde das Ganze von vier Paaren, die offensichtlich nicht zusammenpassten. Ein Palästinenser mit einem Menschen im Danone T-Shirt, was von einem Juden gegründet wurde. Daneben ein Soldat der Südstaatenarmee mit einem Indianerhäuptling. Auf der rechten Seite ein Kämpfer der tunesischen Unabhängigkeitsbewegung mit einem Vertreter der französischen Kolonialmacht sowie Julius Cäsar und Spartacus.

Alle Elemente hingen etwa fünf Minuten. Danach blieb die Mitte stehen und die vier großen Bilder wurden gegen zwei weitere Botschaften getauscht. Links diagnostizierte man dem Gegner eine Persönlichkeitsstörung und rechts lautete das Motto „Null Identität“. Nebenbei bekamen auch noch die AS Roma und ein Stadtteilverein aus Schwechheim ihr Fett weg. Ich möchte an dieser Stelle klarstellen, dass ich lediglich die Choreo schildere und will nicht weiter auf bestimmte Elemente eingehen.

Das alles war aber noch nicht das Ende der Sticheleien. Die Curva Sud wurde mit Makaken und Bananen an den Tisch gesetzt und auch die alten/neuen Vereinsfarben verächtlich gemacht. Von der Brüstung des Oberrangs hingen weitere Banner, auf denen sich die Curva Nord pro Fankultur und für Vereinswerte positionierte. Das ansehnliche Kurvenbild gliederte sich in große Schwenker links, kleine Fahnen in der Mitte und Doppelhalter rechts. Zwischendurch änderte sich auch der Standort. Die Lautstärke konnte mit der Euphorie vor dem Spiel leider nicht mehr mithalten und das frühe 0:1 in der 11. Minute war schon eine Art Stimmungskiller für die anderen Tribünen.

Doch nach einem Schubser bekam Club Africain kurz vor der Pause einen Elfmeter zugesprochen. Labidi verwandelte und die Menge tobte. Bengalos und Rauchtöpfe gingen auf den Geraden an und erneut wackelte die Tribüne. Geil! Übrigens bestanden die Gastgeber im Vorfeld auf einen europäischen Schiedsrichter sowie VAR. Luis Godinho leitete die Partie souverän, hatte aber mit vielen Unterbrechungen wegen Nicklichkeiten zu kämpfen.

Nach dem Seitenwechsel dezimierte CA sich selbst. Torwart Yeferni kam nach einem langen Pass aus seinem Strafraum und wehrte den Ball mit der Hand zur Seite ab. Klarer Platzverweis und Rot, was auch auf den Rängen eingesehen wurde. Wenig Pfiffe. Im Anschluss übernahm “Taraji” immer mehr die Kontrolle und in der 84. Minute zeigte der Schiedsrichter auf den Punkt. Auch wegen Handspiels und Rodrigues traf sicher. Beim anschließenden Jubel vor den handverlesenen Gästen flogen nur so die Wasserflaschen von der Gegengerade. Ein Déjà-Vu.

In der Nachspielzeit machte Jabri nach einem super Anspiel aus der eigenen Hälfte mit einer Mischung aus Lupfer und Schuss alles klar. Absolut sehenswert. Danach flogen noch mehr Flaschen und auch Bengalos. Dabei nahm sich unser Vordermann auch beherzt das mitgebrachte Wasser von cvs und schleuderte es in den Innenraum. Die Stimmung war natürlich im Keller. Mit Polizeischutz und unter Pfiffen liefen die Mannschaften in die Kabine. Kein schöner Abschluss, aber dennoch stelle ich als Fazit für Tunesien die Diagnose fußballverrückt aus und wir kommen gerne wieder! (hr)