Dalum IF – Holbæk B&I – 0:2

Dalum IF – Holbæk B&I – 0:2

„THE DAY AFTER CORONA“

27.06.2020

2. Division/Abstiegsrunde
Lars R. Jacobsen Park
Zuschauer: ca. 200

    ODENSE – Drei Tage vor dem kalendarischen Auslaufen der Saison sollte es doch noch zur größten Sensation dieser Serie kommen – ein Fußballspiel unter Zuschauern, dem ich beiwohnen durfte! Während in Schwechheim noch immer maximal zwei Haushalte ohne Kontaktbeschränkungen gesellschaftliches Miteinander pflegen dürfen, sind in Dänemark schon wieder Veranstaltungen mit bis zu 500 Zuschauern und in Ausnahmefällen auch mehr zugelassen. Das Wochenende würde man in Dänemark verbringen, das war klar.

    Mit mir melden noch drei weitere Bekanntschaften Anspruch auf ein Plätzchen in meinem Wagen an. Am Samstag in der Früh sind wir dann aber gerade mal zu zweit, als es zusammen im dichten Reiseverkehr und pünktlich am ersten Ferientag Richtung Norden geht. Ein Grund für die beiden Drückeberger: Hamburger dürfen nicht als Tagestouristen nach Dänemark einreisen, das „Visum“ gilt nur für Schleswig-Holsteiner. Trotzdem ist mein Beifahrer auch aus der Hansestadt. An der Grenze stapeln sich die Autos. Da wir schon in den Morgenstunden losfahren, sind 15 Minuten Wartezeit aber natürlich akzeptabel. Trotzdem: Die dänischen Grenzer kommen aus dem Gestikulieren nicht mehr raus und winken – der Einfachheit halber – jedes Auto mit SH-Kennzeichen über die Grenze.

    Wir sind drin. Und so langsam passt sich unsere Stimmung dem Wetter an. Für den Trip haben wir uns auch noch einen der schönsten Tage des bisherigen Jahres ausgesucht. Kein Wölkchen am Himmel und kein laues Lüftchen weht heute durch Dänemark – so hat man sich den Tag nach Corona vorgestellt. Als wir in Dalum einrollen, haben wir noch genug Zeit durch das Viertel zu streifen. Eine halbe Stunde vor dem Anpfiff sind wir schließlich wieder zurück am „Lars R. Jacobsen Park“ – einem charmanten Dorfsportplatz mitten in der Stadt, der nach einem Handwerksbetrieb benannt ist.

    Schon bei Ankunft konnten wir einen Blick ins Innere werfen und sehen, dass auf dem Graswall auf der Längsseite Klappstühle aufgestellt sind. Etwa 150 Stück. Unter dem Wall sind zehn Stufen in den Hang eingelassen und mit Kies aufgefüllt worden. Das reicht in Corona-Zeiten und für einen Zuschauerschnitt von rund 250 Personen. Wegen dem „Sicherheitskonzept“ ist nur die Längsseite begehbar, allerdings hat man bei den übrigen Seiten auf einen Ausbau verzichtet. Der Ground ist sonst nur von Holzbanden umgeben und die Anzeigetafel ziert eine Ecke des Platzes. Es gibt einen Grill, die Bierbude ist geöffnet und vor den Sitzplätzen sind Desinfektionsspender aufgebaut. Die Plätze weisen in Dänemark nur einen Abstand von einem Meter auf, Maskenpflicht gibt es nicht. Noch nicht mal im Supermarkt. Außerdem feiern im ganzen Land heute Schulabgänger ihren abgeschlossenen Lebensabschnitt und fahren laut lärmend mit Partybussen durch die Stadt. The day after Corona. So haben wir uns das vorgestellt.

    Im kleinen Stadion hören wir als erstes: Deutsch. Wir sind nicht die Einzigen, die auf die Idee gekommen sind, in Dänemark den Entzug zu beenden. Hier in Dalum tummeln sich aber noch nicht mal eine Handvoll deutsche Groundhopper, aus Tschechien hörte man teilweise von einer dreistelligen Anzahl. Wir schauen ein Spiel in der dritten dänischen Liga, die nach der regulären Runde in eine Aufstiegs- und in eine Abstiegsrunde mit je 12 Teams unterteilt wird. Dank Corona gibt es in dieser Runde mehr Auf- als Absteiger und für die beiden Vereine auf dem Rasen geht es daher fast nur noch um die Ehre. Sowohl Dalum als auch die Gäste aus Sjælland, finden sich bei zwei Fix-Absteigern im oberen Mittelfeld der zusammengewürfelten Tabelle wieder.

    Das Spiel fängt flott an und schon nach rund fünf Minuten klingelt es im Kasten der Gastgeber. Der Zehner von HIB veredelt eine Direktabnahme im Strafraum zur Führung. Die andere Hälfte der Autobesatzung ist zu diesem Zeitpunkt gerade an der Bierbude und ärgert sich anschließend sehr, noch weitere fast 80 Minuten auf sein erstes Tor seit Februar warten zu müssen. Der Drittliga-Kick flacht in der Folge nämlich stark ab, was vor allem an den Hausherren liegt, die nicht in der Lage sind ein druckvolles Angriffsspiel aufzuziehen. Holbæk hat alles im Griff und überspielt das ein oder andere Mal gekonnt die Abwehr. Spannend wird es nur, als ein Freistoß von Dalum an den Pfosten prallt. Kurz vor Schluss erlöst ein kurioses Tor meine Reisebegleitung und alle sind zufrieden: Der Gästestürmer erwischt einen langen Ball eine Zehntelsekunde vor dem gegnerischen Torwart und die Kugel trudelt in hohem Bogen irgendwie über die Linie.

    Da sitzen wir schon lange nicht mehr auf dem Klappstuhl, sondern aalen uns auf dem Hosenboden im schattigen Gras. Genau neben einem extra eingerahmten Bereich namens „Dalum Support“, in dem heute allerdings nur ein paar unmotivierte Jugendliche mit roten Fahnen hocken und inaktiv bleiben. Das heimische Publikum hätte eine erfolgreichere Darbietung ihrer Lieblinge verdient gehabt, dann wäre es auch öfter zu Klatscheinlagen gekommen. Egal, beschweren können wir uns wahrlich nicht über diesen schönen Tag.

    Nach dem Spiel feiern die Gäste, als hätten sie den Aufstieg eingetütet. Noch fast eine Stunde später dröhnt laute Musik und Geschrei aus der Kabine. Wir haben uns aus meinem Kofferraum einen Fußball geschnappt und kicken barfuß noch ’ne Runde auf dem eingezäunten Kleinfeld, das an den Rasenplatz angrenzt. In Schwechheim würde man uns wahrscheinlich schief angucken. Folgerichtig schließt der Tag auf dem Heimweg auch mit einem apokalyptischen Starkregen kurz hinter Flensburg, der uns fast daran hindert, die Fahrt fortzusetzen. Wahrscheinlich wollte der liebe Fußballgott einfach, dass wir in Dänemark bleiben. (mm)

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