SV Spakenburg – VV Ijsselmeervogels – 1:0

SV Spakenburg – VV Ijsselmeervogels – 1:0

„SCHIFFE VERSENKEN IN SPAKENBURG“

11.10.2025
Tweede Divisie
Sportpark Westmaat – Spakenburg
Zuschauer: 8.500

BUNSCHOTEN-SPAKENBURG – Gibt es etwas Schöneres als Amateurfußball, wenn der Profi-Zirkus in der Länderspielpause aussetzt? Vielleicht dachte man an diese Konstellation ja auch beim KNVB und terminierte das legendäre Spakenburg-Derby auf das Länderspiel-Wochenende. Für uns jedenfalls ein Grund in die Tiefen des niederländischen Amateurfußballs einzutauchen: Drittligafußball im kleinen „Fischerdorf“ am Eemmeer.

Die Liga nach oben verlassen kann hier keiner. Der Verband hat die „Nicht-Aufstiegsregel“ in die zweite Liga bis mindestens 2027 bestätigt. Die Niederländer trennen den Profi- und Amateurfußball weiterhin strikt. Vielleicht ist dieses Spiel auch deswegen so aufgeladen, das Ende Fahnenstange ist erreicht. Die Kleinstadt teilt sich in „Spakenburg“ und „Ijsselmeervogels“ auf. In Blau und Rot. In Bauern und Fischer. In Land- und Wasserratten. Die „Vogels“ sind die erfolgreichere Elf: Mit sieben Titeln bei den Amateuren der Rekordmeister im Land und auch im KNVB-Beker schon zu einigen Ehren gekommen. Dennoch pendelten die „Roten“ jetzt einige Jahre zwischen den Ligen und konnten den Aufstieg in die höchste Amateurklasse nach zwei Jahren Abwesenheit erst wieder im Sommer finalisieren. Der Aufstieg bringt das Spakenburg-Derby zurück auf die Fußball-Landkarte!

Während sich eine gute Stunde vor dem Anpfiff schon nahezu alle Fans im Stadion befanden, ging es zu Fuß durch die Altstadt Richtung Spielort. Was wohl die „normalen“ Touristen am schicken Hafen denken, wenn sie die Horden an Fußballfans in der Kleinstadt erblicken? Vor den Stadiontoren wartete das übliche Chaos, das aber schneller als gedacht überwunden werden konnte. Mit einigen Mühen gelang es in den Besitz eines Sitzplatztickets zu kommen, was formell den besten Blick auf das Geschehen ermöglicht. Denn links von der mobilen Hintertortribüne stehen die Gäste und rechts die Heimfans.

Als kurz vor dem Anpfiff Bewegung auf den Rängen einsetzte, stellte sich jedoch heraus, dass die Gästefans eine Choreo auf dem Spielfeld zentral vor dem Tor aufbauen. Dafür hatten sich die Vogels sogar eine Genehmigung eingeholt. Die Choreo war eigentlich nichts Besonderes: „Mit dem Messer zwischen den Zähnen für den Verein kämpfen“ stand dort drauf. Kurze Zeit später konnte man eh nichts mehr erkennen, da die Seite mit rotem Nebel eingeräuchert wurde. Spakenburg entrollte eine große „Tribünenfahne“ vom Dach, die mit maritimen Motiven davon kündete, dass das Meer den „Blauen“ gehört. Eine Provokation gegenüber den „Fischern“ und ihrem natürlichen Habitat. Last but not least: Zu der Filmmusik von „Pirates of the Caribbean“ liefen die Akteure unter dem martialischen Gejole der Fans ins restlos ausverkaufte Stadion ein.

An so viel Tifo hat man sich bei diesem Spiel schon fast gewöhnt. Dennoch großen Respekt, was beide Fanszenen jedesmal wieder auf die Beine stellen und wie die ganze Stadt mitzieht. Das Pyro-Verbot scheint an diesem Tag nicht zu gelten und von dem Ausnahmezustand im Ort absorbiert zu werden. Polizei und Sicherheitskräfte agieren betont defensiv.

Auf beiden Seiten gibt es jeweils einen kleinen „harten Kern“, der von ganz vielen „normalen Dorfbewohnern“ flankiert wird. Das merkt man auch irgendwann im Laufe des Spiels, wenn den Gruppierungen etwas die Luft ausgeht. Aber auch hier keine Kritik, nur ein Resümee. Lange Zeit war das Geschehen neben dem Platz nämlich ein Spektaktel sondergleichen. Vor dem Anpfiff brach bereits der erste Fahnenmast beim Raufkrabbeln der Fans und laute, authentische Gesänge röhrten durch das Stadion, das viel Ähnlichkeit mit dem Spielort der Vogels nebenan besitzt.

Knackpunkt in diesem Derby ist meistens das Spiel, das – trotz erstklassigem Rahmen – halt in der dritten niederländischen Liga stattfindet. So ähnlich war es auch diesmal. Wobei der erste Abschnitt durchaus Hoffnung schürte, Chancen auf beiden Seiten parat hatte und schließlich kurz vor der Pause in der Führung für Spakenburg gipfelte. Ecke, Kopfball, 1:0 für die „Bauern“. Im grenzenlosen Jubel flogen unzählige blaue Piraten-Hüte auf das Spielfeld, die vor dem Spiel an nahezu alle SVS-Fans verteilt wurden und die Angriffslust auf den Gegner vom Meer unterstrichen.

Der zweite Abschnitt war von dem bemühten Auftreten der Ijsselmeervogels geprägt, sich an Land zurückzukämpfen. Es wurde schnell sichtbar, dass es wohl nicht für den Ausgleich reichen wird und auch die Fans brauchten etwas Anlaufzeit, um wieder auf Touren zu kommen. Spakenburg hätte sich mit dem Resultat am Ende vom Konkurrenten deutlich absetzen können. Es blieb bei dem 1:0 und die Blauen ließen beste Kontermöglichkeiten aus. Doch nach dem Schlusspfiff war das Derby noch nicht vorbei. Vom Dach der Haupttribüne wurde ein Plakat mit weiteren Provokationen Richtung Ijsselmeervogels entrollt, blaue Fackeln angezündet und Luftschlangen auf die Vogels geschossen. Die revanchierten sich wiederum mit roten Fackeln, die den Weg auf das Dach fanden. Nicht zuletzt das Motiv auf dem Plakat erinnerte an Schiffe versenken.

Am Ende gab es noch eine große Keilerei hinter der Haupttribüne, Fahrräder flogen durch die Luft und die Gäste verzogen sich in ihr Stadion nach nebenan. Spakenburg hatte den Treffer gelandet und die Ijsselmeervogels Schiffbruch erlitten. Das Meer gehört den Blauen – wie vor der Partie angekündigt. Alles nur Symbolik, klar, aber so gut umgesetzt, dass wir den Dreispitz ziehen und mit den naheliegenden Worten schließen: Großes Kino! (mm)

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