SV Hamwarde – VfL Lohbrügge – 1:0

SV Hamwarde – VfL Lohbrügge – 1:0

30.07.2019

Landespokal Hamburg/2. Runde

Sportplatz an der Mühlenstraße

Zuschauer: ca. 125

„KREISLIGIST WIRFT BAYERN MÜNCHEN AUS DEM POKAL!“

HAMWARDE – Auftakt zu einer pickepackevollen Fußballwoche in der Provinz: Hamwarde, ein kleines Dorf hinter Schwarzenbek, in dem es auch schon mal, naja, nach Tieren riechen kann. Der Verein bietet „Fußball an der Mühle“ an und empfängt an diesem Dienstag-Abend den haushohen Favoriten vom VfL Lohbrügge zur zweiten Runde im Landespokal. Der VfL war erst im Relegationsspiel an Union Tornesch am Aufstieg in die Oberliga gescheitert. Hamwarde schlug in der ersten Runde den Lohbrügger Landesliga-Konkurrenten V/W Billstedt mit 1:0 und krebst sonst im Mittelfeld der Kreisliga herum.

Das Ergebnis aus der 1. Runde des Pokals lässt aufhorchen und pünktlich zum Feierabend blinzelt endlich wieder die Sonne durch das Wolkennest. Mit einem perlenden Alsterwasser in der Hand wird die Anlage in Augenschein genommen, die für einen Dorfsportplatz gute Argumente zu liefern weiß: Hanglage mit Stufenausbau und ein paar Parkbänke, auf die ich mich niederlasse. Altes, verranztes Vereinsheim mit historischen Mannschaftsfotos an den Wänden, neues Funktionsgebäude und ein paar nette Details, wie eine funktionstüchtige Turnhallen-Anzeigetafel und ein ausrangiertes Tor, das man mit Plane überzogen hat uns seitdem als „Westkurve Hamwarde“ fungiert. Die Westkurve bleibt unbesetzt, die Anlage füllt sich aber nach und nach mit den Dorfbewohnern. Unter ihnen eine bemerkenswert hohe Hübsche-Mädchen-Quote.

Lohbrügge punktet mit reichlich Ballbesitz und auffallend viele Spieler, deren Namen auf -ic enden, glänzen durch akurate Ballbehandlung. Im Begleitheft zum Spiel (einem Sonderheft der Bergedorfer Zeitung für die Mannschaften aus dem Osten Hamburgs) wird der VfL-Kader mit dem von Bayern München verglichen… Das Spiel ist eher ausgeglichen und arm an Torchancen. Die besseren Möglichkeiten hat Hamwarde. Für einen Fast-Oberligisten ist das schon sehr harmlos, was die Gäste anbieten. Es geht mit einem torlosen Unentschieden in die Pause. Ähnliches Bild im zweiten Durchgang. Der SVH spielt sehr aufgeweckt und irgendwann nutzt man tatsächlich die Chance zum 1:0, die durch einen schnell ausgeführten Einwurf zu Stande kommt und vom Außenbahnspieler aus spitzem Winkel ins Tor gejagt wird. Die Luft wird anschließend immer dünner für den Kreisligisten, Lohbrügge passt sich unaufhörlich den Ball zu. Abgesehen von einem Lattenschuss vor dem Rückstand, kommt es aber kaum mal zu einer gefährlichen Situation. Trotzdem ist die Spannung zum Greifen nah, wie man immer so schön sagt. Kompliment an die organisierte Leistung im Defensiv-Verbund der Lauenburger. Unglaublich, wie viele Bälle man in der Luft klärt. Selbst die berühmte Bierkiste hätte Hamwarde heute lässig aus dem Strafraum geköpft.

Sogar ein Platzverweis der Hausherren kann die Blamage für den Landesligisten nicht abwenden. Ein übles Foul wird erst mit der Gelben Karten geahndet. Als schon zwei Minuten vergangen sind und der Gästespieler den Freistoß kurz vor der Strafraumkante durchführen will, winkt der Schiri den SVH-Spieler nochmal zu sich, ich höre die Worte: „…ich hab’s mir nochmal anders überlegt“, dann gibt es doch noch den Roten Karton für den Kreisligaspieler. Die Stimmung in den letzten Minuten ist etwas aufgebracht, es gibt euphorische Anfeuerungsrufe (HAM-WAR-DE!) von den Rängen und großen Jubel, als der Schlusspfiff ertönt. Eine echte Überraschung! Jeder kennt hier jeden – kurze Zeit später vermischen sich die Akteure und Zuschauer zu einer Einheit. Während sich die hochgehandelten Landesliga-Spieler auf „Serbo-Kroatisch“ zanken oder hinter dem Funktionsgebäude rauchen.

Ein paar Tage später fegt der VfL im Liga-Betrieb den TuS Berne standesgemäß mit 7:0 vom Platz und Hamwarde verliert das nächste Spiel zu Hause gegen den SC Wentorf II mit 1:2. Manchmal ist man halt zur richtigen Zeit am richtigen Ort. In der dritten Runde hat der SVH übrigens ein Freilos gezogen. Ein weiterer Schritt Richtung Europapokal.

Heider SV – Bremer SV – 1:1

Heider SV – Bremer SV – 1:1

29.05.2019

Aufstiegsrunde um die Regionalliga Nord 2019/20

Stadion an der Meldorfer Straße

Zuschauer: 3087

„DER HSV IST WELTMEISTER!“

HEIDE – Es gibt viele Faktoren, die einem den Stadionbesuch verhageln können. Meine Losung an diesem Mittwoch vor Himmelfahrt lautet: Stau, Parkplatz, Ticket. In dieser Reihenfolge. An Zeitpuffer nur mit dem Nötigsten ausgestattet, doch die ersten beiden Hindernisse anschließend erstaunlich gut meisternd. Der übliche Stadtverkehr in Hamburg zwar nervig, aber nicht existenzbedrohend. Rasch ein perfekter Parkplatz beim Nachbarverein MTV Heide gefunden, das kann ja nicht mit rechten Dingen zugehen. Und da war sie, die 200-Meter-Schlange vor dem ehrwürdigen Stadion an der Meldorfer Straße. Ein einziger Rentner auf einer Bierzeltgarnitur fertigt über 3000 Zuschauer ab und händigt Tickets im Schneckentempo aus. Preis‘ den Herrn, alles hat seine Richtigkeit!

Glück gehabt, dass das entscheidende Spiel um den Regionalliga-Aufstieg in Heide stattfindet und nicht in Bremen. Denn südlich von Hamburg stapeln sich die Autos und auch der harte Kern der BSV-Fans trudelt erst kurz vor der Halbzeit ein. Der Elbtunnel – heute ein härterer Gegner als der HSV? Im Fanblock der Bremer sind alle blau: Fahnen, Spruchbänder, Undercut, Alkohol und Altona 93. Der BSV kann sich über Unterstützung aus Hamburg freuen – an den rund 100 Fans wird es heute gewiss nicht liegen. Trotz Verspätung. Ich nehme meinen Platz eine Minute vor dem offiziellen Anpfiff ein. Organisatorisch läuft heute wie gedacht nicht alles rund und der erste Pfiff verspätet sich nochmal um rund 10 Minuten. Wozu also all die Aufregung? Der Sieger des Spiels steigt in die Regionalliga auf. Lang ersehnt, wie im Falle der Bremer. Oder überraschend, wie im Falle der Heider. Letztere gehen zudem mit dem Vorteil ins Spiel, dass ein Unentschieden zum Upgrade reicht. Und das obwohl sie in der vergangenen Saison nicht über Platz 4 in der Schleswig-Holstein-Liga hinaus gekommen sind.

Das „Stadion an der Meldorfer Straße“ ist die „Perle der Westküste“ und eines der ganz wenigen Groundhopper-Ziele im nördlichsten Bundesland der Republik, das sich über stetige Beleibtheit erfreut. Der kleine HSV verfügt über eine große Vergangenheit: Nach dem Krieg wurde hier erstklassig in der Oberliga Nord gekickt, sogar bis in die 60er-Jahre. Hannover 96, Werder Bremen und auch der große HSV bezogen an der Meldorfer Straße das ein oder andere Mal Haue. Und unter Sepp Herberger stellten die Dithmarscher sogar Nationalspieler im Kader der Auswahlmannschaft. Lange vorbei – aber aus dieser Zeit stammt das kleine Stadion der Heider, das als reines Fußballstadion punktet und über ganzseitigen Stufenausbau verfügt. Als das überragende Element der Anlage und sofortiger Blickfang wird eine Sitzplatz-Tribüne in Trapezform ausgemacht, an der unübersehbar der Zahn der Zeit nagt und die immer mehr liebevolle Details offenbart, je näher man ihr kommt.

Die Tribüne ist ausverkauft und auch sonst ist Fußball vor einer vierstelligen Kulisse hier ein ganz großer Geheimtipp. Der HSV trägt an diesem Tag sein größtes Spiel seit 1997 aus, als man gegen Arminia Hannover in einem ähnlichen Aufstiegsspiel zu Hause mit 0:4 unter die Räder geriet. Damals kamen sogar weit über 5000 Zuschauer. Das größte Spiel des Jahrtausends also. Das sieht man den Heimkickern an, die das Spiel kontrollieren wollen, ihre Nervosität allerdings nicht verbergen können. Bremen kommt immer besser ins Spiel und ein verunglückter Befreiungsschlag landet Mitte der ersten Halbzeit vor den Füßen des BSV-Zehners, der sich nicht bitten lässt und locker unten links einschiebt.

Auch das Publikum ist etwas nervös und irritiert. 2500 von ihnen sind bestimmt schon sehr lange nicht im Stadion gewesen. Ich muss einigen Besuchern die Aufstiegsregeln erklären. Als Heide Ende der Halbzeit dann aber ein bisschen besser ins Spiel kommt, gerät nun endlich das Publikum in Wallung und das Vereinskürzel „HSV“ ist ein praktischer Anfeuerungsruf. Nun werden auch die Trommelstöcke im Bereich des HSV-Supports auf der Gegengerade geschwungen, der sich „Schwarzhosen-Block“ nennt. Der BSV zuletzt drei Mal in dieser Aufstiegsrunde gescheitert, drängt auf’s zweite Tor und ist spielerisch überlegen. Es fehlt das zwingende Element vor dem Tor. Und dann ist es so weit: Nach rund einer Stunde nutzt Heide die bis dahin fast einzige Chance, die noch dazu eigentlich gar keine ist: Ein Freistoß aus 25 Metern touchiert die Unterkante der Latte und zappelt im Netz. Der frenetische Jubel wird von rund 100 Personen flankiert, darunter viele Kinder, die quer über’s Spielfeld zur Spielertraube laufen. Der Schiedsrichter droht mit Spielabbruch.

Ein großer Moment. Der prognostizierte Jahrhundert-Moment. Denn spätestens danach ist das Ding irgendwie gelaufen. Jeder hat die letzten Bremer Ergebnisse der Aufstiegsrunden im Hinterkopf, die Trainerbank ist bedächtig ruhig. Und auch wenn die Blauen Druck machen, den Ball so einige Male hinter die Abwehr schlagen – die Spannung ist nur pro forma. Die Nerven bei den Gästen liegen blank: Ein Bremer Anhänger zettelt Streit auf der Tribüne an. Die Polizei kommt. Und nächste Saison kommen dann sicher Zäune für den Gästeblock… In der Nachspielzeit gibt es diesen Messi-Moment aus dem WM-Finale: Der flattrige Heider Torwart irrlichtert durch den Strafraum, aus dem Gewühl kann ein BSV-Akteur auf’s leere Tor schießen und zielt ein paar Meter drüber. Danach weiß jeder im Stadion: Wir sind Weltmeister.