SC Cambuur-Leeuwarden – FC Den Bosch – 3:2

SC Cambuur-Leeuwarden – FC Den Bosch – 3:2

30.08.2019

Keuken Kampioen Divisie/4. Spieltag

Cambuurstadion

Zuschauer: 7242

„FLOODLIGHT-FRIDAY. GEIL!“

LEEUWARDEN – An meinem Geburtstag wollte ich mir mal was gönnen und bastelte mir einen Kurztrip ins geliebte Nachbarland zusammen. Da ich Freitag-Abend gerne ein Spiel sehen wollte und vor 14 Uhr kein Loskommen möglich war, hielt sich die Auswahl in Grenzen. Holland/Friesland war ein guter Kompromiss. Trotzdem war das Vorhaben gut auf Kante genäht, denn unter Zeitdruck die Großstädte Hamburg, Bremen und Groningen auf dem Verkehrsweg an einem Freitag-Nachmittag zu passieren, kann schon mal in einem Himmelfahrtskommando enden. Die Befürchtungen sollten sich teilweise bewahrheiten und so verbrachte ich stabile fünfeinhalb Stunden meines Geburtstages in einer Blechkapsel auf der Autobahn. Zeitweise schweigsame Stimmung im Auto, denn die Ankunftszeit pendelte sich zwischendurch bei einer Viertelstunde vor Anpfiff ein.

Nachdem sich ein Stau um Groningen dann aber zur Real-Zeit aufgelöst hatte, beruhigte sich die Lage und gut 40 Minuten vor dem Anpfiff konnte man mich erfolgreich auf dem „Cambuurplein“ vor die Autotür setzen. Wenn man sich erst noch den Ticketschalter suchen muss und nicht weiß, wie groß der Andrang und wie gut die Organisation ist, kann man da schon mal ins Schwitzen geraten. In Frankreich habe ich mich mal eine Stunde vor Spielbeginn in die Kassenschlange gestellt und war erst 10 Minuten nach dem Anpfiff im Stadion. Bezüglich Leeuwarden kann ich aber beruhigen: Einmal kurz nachgefragt, sofort als Groundhopper entlarvt, und schon entdecke ich den Ticketschalter. Vier verschiedene Fenster für vier verschiedene Tribünen. Bei der Gegentribüne, die ich mir vorab als Ort ausgesucht hatte, steht nur eine Person an. Ich frage auf Englisch, ob ich hier richtig bin für einen Platz auf der ausgewählten Tribüne und mir wird in bekannter Mundart entgegengeschmettert: „Sprichst du auch Deutsch?“.

Beim Eingang stehen ein paar lustlose Ordner mit QR-Scannern, der Andrang hält sich in Grenzen. Ohne Anstehen kommt man ins Innere, obgleich das Stadion zu drei Vierteln belegt ist. Zum Stadion muss ich sagen, wenn „De Adelaarshorst“ von den Go Ahead Eagles aus Deventer als das Groundhopping-Stadion schlechthin in Hollands Unterklasse besungen wird, steht das „Cambuurstadion“ der Behausung der Eagles in nichts nach. Das Stadion ist fast genauso aufgebaut. Vier verschiedene Tribünen, unnachahmliche Stahlrohr-Flutlichter, neue Haupttribüne. Bringt Spaß, ist nah dran. Zudem ein begeisterungsfähiges Publikum und eine Mannschaft mit Ambitionen. Floodlight-Friday. Geil! Vor der Gegentribüne gibt es Live-Musik, der Getränkeausschank nennt sich „Biergarten“. Typisch Holland ist aber auch, dass in der Haupttribüne ein „Aldi“ integriert ist. Die Kleinstadt-Jugend vertreibt sich mit billigem Dosenbier aus dem Discounter die Zeit bis zum Anpfiff. Ich gönne mir jeweils ein großes Pils im Stadion, das in der 1. Halbzeit 4,50€ kostet und in der 2. Halbzeit nur noch 3,50€. Ich vermute einen Fehler des Personals, vielleicht aber auch ein anonymer Geburtstags-Bonus.

Die Begegnung ist nicht das grad Schlechteste, was die „Keuken Kampioen Divisie“ zu bieten hat. Beide Teams letztes Jahr in oberen Gefilden unterwegs, Den Bosch in der Rückrunde teilweise sogar Tabellenführer. Cambuur hat nur wenige Spielzeiten in der Eredivisie verbracht, am ganzen Stadion hängen großformatig-nostalgische Bilder von Erstliga-Spielen gegen Ajax‘ Goldene Generation. Dennoch sind beide Teams mäßig in die Saison gestartet. Die Friesländer jedoch zuletzt in guter Form und einem 5:0 gegen besagte Eagles. Cambuur macht sofort Druck und auch das Publikum ist zur Stelle. Schon nach ein paar Minuten klingelt es im Tor der Gäste. Aus der Kategorie „Scheißtor des Monats“: Abgefälscht und reingestoplert, aber Führung ist Führung. Das Heimteam kann den Schwung in die erste Hälfte der ersten Hälfte mitnehmen, erreicht aber nichts Zählbares. Nachdem Den Bosch mit der ersten guten Aktion nach einer runden halben Stunde fast den Ausgleich markiert, ist Leeuwarden plötzlich total von der Rolle. Die taktische Ordnung geht flöten und ein Gästespieler drückt eine Direktabnahme am Mittelpunkt sehenswert zum Ausgleich über die Linie. Die rund 200 Gästefans machen sich erstmalig bemerkbar.

Im zweiten Abschnitt müht sich Cambuur in Ballbesitz, findet aber immer besser in die Partie. Für die erneute Führung sorgt allerdings ein Elfmeter. Das Publikum ist euphorisiert und peitscht das Team weiter nach vorne. Hinter dem Tor befindet sich ein Stimmungsblock, der ganz gut Krach macht. Das Stadion ist so kompakt, dass die Begeisterung schnell überschwappt. Nur ein paar Minuten später trifft Doppeltorschütze Robert Mühren mit einem Kontakt mühelos zur vermeintlichen Vorentscheidung. Nun ist Den Bosch wieder am Zug, denen man ansieht: Wenn sie kommen müssen, haben sie Qualität. Wiederum nur Minuten später steht es nach toller Einzelleistung nur noch 3:2. Im Nu hat man eine packende Schlussphase, in der Cambuur nach einem Konter in der Nachspielzeit unbedingt den Deckel hätte drauf machen müssen. Macht nichts, reicht am Ende trotzdem.

Nach Abpfiff stehen wieder mal alle Tore und Türen zum Ground auf und man kann mutterseelenallein in dem von Flutlichtern beleuchteten Stadion herumspazieren. Anschließend geht es per Fußmarsch die gut 30 Minuten zur Bleibe zurück. Einmal quer durch die Stadt. Natürlich wird noch noch einer anständigen Frituur in der Innenstadt Ausschau gehalten. Und als ich mit meiner „Frikandel Speciaal“ an diesem letzten schönen Sommerabend des Jahres auf einem Treppchen am Binnenhafen hocke, bilanziere ich, dass ich schon deutlich schlechtere Geburtstage erlebt habe.

Büchen-Siebeneichener SV – SV Grün-Weiß Siebenbäumen – 4:2

Büchen-Siebeneichener SV – SV Grün-Weiß Siebenbäumen – 4:2

08.08.2019

Landesliga Holstein/3.Spieltag

Waldstadion Büchen

Zuschauer: ca. 200

„EY SCHIRI, BIST DU BLIND ODER WAS!?“

BÜCHEN – Spiel zweier monströser Namenskonstrukte mit Besonderheiten: Eines von drei Lauenburger „Derbys“ in der diesjährigen Landesliga Holstein. Wobei letztes Jahr gar keine Lokalspiele stattfanden: Büchen stieg genauso wie der dritte Verein aus dem Herzogtum – der Breitenfelder SV – in die 6. Liga auf. Was als höchster BSSV-Erfolg seit Jahrzehnten gewertet werden kann. An einem Donnerstag sollte das erste Heimspiel nach dem Aufstieg im schönen Waldstadion ausgetragen werden. Was vielen Hoppern nicht unentdeckt blieb. Büchen deckt mit seinem Knotenpunkt-Bahnhof nicht nur den Schienenverkehr zwischen Ost und West ab, sondern nimmt mit seinem Büchen-Siebeneichener Sportverein (Siebeneichen ist ein kleines Dorf in unmittelbarer Nähe zum Elbe-Lübeck-Kanal) auch die Rolle als zentraler Sportverein zwischen Schwarzenbek und Lauenburg ein. 14 Mannschaften hat man aktuell im Spielbetrieb. Dabei wurde jetzt im Sommer sogar die dritte Mannschaft und zuvor die legendäre „Goldene IV. Herren“ abgemeldet.

Die Anlage verfügt über mehrere große Funktionsgebäude, einem Kunst- und einem Naturrasenplatz. Gespielt wird schleswig-holstein-like auf echtem Gras. Eine Tribüne bietet dabei Überdachung und befindet sich genau zwischen den beiden Plätzen, so dass für beide Beläge der Komfort nicht zu kurz kommt. Rundherum zieht sich idyllisch dichte Bewaldung um den Platz, hinter deren Wipfeln langsam die Sonne verschwindet. Kreisweit sicher einer der schönsten Anlagen. Rund 200 Zuschauer haben sich eingefunden um den Aufsteiger nach vorne zu peitschen. Es winkt die Tabellenführung, nach den ersten drei Punkten auf fremdem Platz, bei Mit-Aufsteiger Kisdorf am letzten Wochenende. Auch aus der anderen Ecke des Kreises sind einige grün-weiße Leute mitgereist, die den Pfiffen auf dem Platz 90 Minuten grundsätzlich konträr gegenüberstehen. Eigentlich nicht erwähnenswert, da sich das Rudel aber bei mir eingefunden hat, nervt es zusehends, was meinerseits nicht unkommentiert bleibt.

Auf dem Platz macht Büchen von Anfang an die Musik – und das 1:0 per sehenswertem Direktschuss durch den emsigen Marwin Schantz. Wendige, flinke, motivierte Truppe, die in dieser Verfassung nicht umsonst als Geheimtipp in der Liga gehandelt wird. Allerdings hat auch Siebenbäumen so seine Stärken: Gute Einzelspieler, robust und erfahren. Vor allem die Akteure: Paulsen, Fiedler und Todt fallen auf. Während Paulsen eine blitzsaubere Partie abliefert, treffen sowohl Fiedler zum Ausgleich, als auch Todt zur zwischenzeitlichen Führung. Maurice Fiedler, ein baumlanger, beweglicher Stürmer, keift später noch gut hörbar für alle Zuschauer den Mann in Schwarz an: „Ey Schiri, bist du blind oder was!?“. Rote Karte. Passt zum Gesamtbild der Grün-Weißen. Trotz Rückstand ist hier lange noch nicht Schluss. Büchen kämpft sich in die Partie zurück und erzielt folgerichtig noch drei verdiente Treffer per Weitschuss-, Traum- und Kontertor. Bevor die Mannschaft gleich ein gebührendes Tänzchen zur Tabellenführung auf dem schweren Geläuf zelebriert, führt ein Tempogegenstoß von einem Spieler mit amtlichem Landesliga-Bauch noch zum 4:2-Endstand – runde Sache.

SV Hamwarde – VfL Lohbrügge – 1:0

SV Hamwarde – VfL Lohbrügge – 1:0

30.07.2019

Landespokal Hamburg/2. Runde

Sportplatz an der Mühlenstraße

Zuschauer: ca. 125

„KREISLIGIST WIRFT BAYERN MÜNCHEN AUS DEM POKAL!“

HAMWARDE – Auftakt zu einer pickepackevollen Fußballwoche in der Provinz: Hamwarde, ein kleines Dorf hinter Schwarzenbek, in dem es auch schon mal, naja, nach Tieren riechen kann. Der Verein bietet „Fußball an der Mühle“ an und empfängt an diesem Dienstag-Abend den haushohen Favoriten vom VfL Lohbrügge zur zweiten Runde im Landespokal. Der VfL war erst im Relegationsspiel an Union Tornesch am Aufstieg in die Oberliga gescheitert. Hamwarde schlug in der ersten Runde den Lohbrügger Landesliga-Konkurrenten V/W Billstedt mit 1:0 und krebst sonst im Mittelfeld der Kreisliga herum.

Das Ergebnis aus der 1. Runde des Pokals lässt aufhorchen und pünktlich zum Feierabend blinzelt endlich wieder die Sonne durch das Wolkennest. Mit einem perlenden Alsterwasser in der Hand wird die Anlage in Augenschein genommen, die für einen Dorfsportplatz gute Argumente zu liefern weiß: Hanglage mit Stufenausbau und ein paar Parkbänke, auf die ich mich niederlasse. Altes, verranztes Vereinsheim mit historischen Mannschaftsfotos an den Wänden, neues Funktionsgebäude und ein paar nette Details, wie eine funktionstüchtige Turnhallen-Anzeigetafel und ein ausrangiertes Tor, das man mit Plane überzogen hat uns seitdem als „Westkurve Hamwarde“ fungiert. Die Westkurve bleibt unbesetzt, die Anlage füllt sich aber nach und nach mit den Dorfbewohnern. Unter ihnen eine bemerkenswert hohe Hübsche-Mädchen-Quote.

Lohbrügge punktet mit reichlich Ballbesitz und auffallend viele Spieler, deren Namen auf -ic enden, glänzen durch akurate Ballbehandlung. Im Begleitheft zum Spiel (einem Sonderheft der Bergedorfer Zeitung für die Mannschaften aus dem Osten Hamburgs) wird der VfL-Kader mit dem von Bayern München verglichen… Das Spiel ist eher ausgeglichen und arm an Torchancen. Die besseren Möglichkeiten hat Hamwarde. Für einen Fast-Oberligisten ist das schon sehr harmlos, was die Gäste anbieten. Es geht mit einem torlosen Unentschieden in die Pause. Ähnliches Bild im zweiten Durchgang. Der SVH spielt sehr aufgeweckt und irgendwann nutzt man tatsächlich die Chance zum 1:0, die durch einen schnell ausgeführten Einwurf zu Stande kommt und vom Außenbahnspieler aus spitzem Winkel ins Tor gejagt wird. Die Luft wird anschließend immer dünner für den Kreisligisten, Lohbrügge passt sich unaufhörlich den Ball zu. Abgesehen von einem Lattenschuss vor dem Rückstand, kommt es aber kaum mal zu einer gefährlichen Situation. Trotzdem ist die Spannung zum Greifen nah, wie man immer so schön sagt. Kompliment an die organisierte Leistung im Defensiv-Verbund der Lauenburger. Unglaublich, wie viele Bälle man in der Luft klärt. Selbst die berühmte Bierkiste hätte Hamwarde heute lässig aus dem Strafraum geköpft.

Sogar ein Platzverweis der Hausherren kann die Blamage für den Landesligisten nicht abwenden. Ein übles Foul wird erst mit der Gelben Karten geahndet. Als schon zwei Minuten vergangen sind und der Gästespieler den Freistoß kurz vor der Strafraumkante durchführen will, winkt der Schiri den SVH-Spieler nochmal zu sich, ich höre die Worte: „…ich hab’s mir nochmal anders überlegt“, dann gibt es doch noch den Roten Karton für den Kreisligaspieler. Die Stimmung in den letzten Minuten ist etwas aufgebracht, es gibt euphorische Anfeuerungsrufe (HAM-WAR-DE!) von den Rängen und großen Jubel, als der Schlusspfiff ertönt. Eine echte Überraschung! Jeder kennt hier jeden – kurze Zeit später vermischen sich die Akteure und Zuschauer zu einer Einheit. Während sich die hochgehandelten Landesliga-Spieler auf „Serbo-Kroatisch“ zanken oder hinter dem Funktionsgebäude rauchen.

Ein paar Tage später fegt der VfL im Liga-Betrieb den TuS Berne standesgemäß mit 7:0 vom Platz und Hamwarde verliert das nächste Spiel zu Hause gegen den SC Wentorf II mit 1:2. Manchmal ist man halt zur richtigen Zeit am richtigen Ort. In der dritten Runde hat der SVH übrigens ein Freilos gezogen. Ein weiterer Schritt Richtung Europapokal.

Heider SV – Bremer SV – 1:1

Heider SV – Bremer SV – 1:1

29.05.2019

Aufstiegsrunde um die Regionalliga Nord 2019/20

Stadion an der Meldorfer Straße

Zuschauer: 3087

„DER HSV IST WELTMEISTER!“

HEIDE – Es gibt viele Faktoren, die einem den Stadionbesuch verhageln können. Meine Losung an diesem Mittwoch vor Himmelfahrt lautet: Stau, Parkplatz, Ticket. In dieser Reihenfolge. An Zeitpuffer nur mit dem Nötigsten ausgestattet, doch die ersten beiden Hindernisse anschließend erstaunlich gut meisternd. Der übliche Stadtverkehr in Hamburg zwar nervig, aber nicht existenzbedrohend. Rasch ein perfekter Parkplatz beim Nachbarverein MTV Heide gefunden, das kann ja nicht mit rechten Dingen zugehen. Und da war sie, die 200-Meter-Schlange vor dem ehrwürdigen Stadion an der Meldorfer Straße. Ein einziger Rentner auf einer Bierzeltgarnitur fertigt über 3000 Zuschauer ab und händigt Tickets im Schneckentempo aus. Preis‘ den Herrn, alles hat seine Richtigkeit!

Glück gehabt, dass das entscheidende Spiel um den Regionalliga-Aufstieg in Heide stattfindet und nicht in Bremen. Denn südlich von Hamburg stapeln sich die Autos und auch der harte Kern der BSV-Fans trudelt erst kurz vor der Halbzeit ein. Der Elbtunnel – heute ein härterer Gegner als der HSV? Im Fanblock der Bremer sind alle blau: Fahnen, Spruchbänder, Undercut, Alkohol und Altona 93. Der BSV kann sich über Unterstützung aus Hamburg freuen – an den rund 100 Fans wird es heute gewiss nicht liegen. Trotz Verspätung. Ich nehme meinen Platz eine Minute vor dem offiziellen Anpfiff ein. Organisatorisch läuft heute wie gedacht nicht alles rund und der erste Pfiff verspätet sich nochmal um rund 10 Minuten. Wozu also all die Aufregung? Der Sieger des Spiels steigt in die Regionalliga auf. Lang ersehnt, wie im Falle der Bremer. Oder überraschend, wie im Falle der Heider. Letztere gehen zudem mit dem Vorteil ins Spiel, dass ein Unentschieden zum Upgrade reicht. Und das obwohl sie in der vergangenen Saison nicht über Platz 4 in der Schleswig-Holstein-Liga hinaus gekommen sind.

Das „Stadion an der Meldorfer Straße“ ist die „Perle der Westküste“ und eines der ganz wenigen Groundhopper-Ziele im nördlichsten Bundesland der Republik, das sich über stetige Beleibtheit erfreut. Der kleine HSV verfügt über eine große Vergangenheit: Nach dem Krieg wurde hier erstklassig in der Oberliga Nord gekickt, sogar bis in die 60er-Jahre. Hannover 96, Werder Bremen und auch der große HSV bezogen an der Meldorfer Straße das ein oder andere Mal Haue. Und unter Sepp Herberger stellten die Dithmarscher sogar Nationalspieler im Kader der Auswahlmannschaft. Lange vorbei – aber aus dieser Zeit stammt das kleine Stadion der Heider, das als reines Fußballstadion punktet und über ganzseitigen Stufenausbau verfügt. Als das überragende Element der Anlage und sofortiger Blickfang wird eine Sitzplatz-Tribüne in Trapezform ausgemacht, an der unübersehbar der Zahn der Zeit nagt und die immer mehr liebevolle Details offenbart, je näher man ihr kommt.

Die Tribüne ist ausverkauft und auch sonst ist Fußball vor einer vierstelligen Kulisse hier ein ganz großer Geheimtipp. Der HSV trägt an diesem Tag sein größtes Spiel seit 1997 aus, als man gegen Arminia Hannover in einem ähnlichen Aufstiegsspiel zu Hause mit 0:4 unter die Räder geriet. Damals kamen sogar weit über 5000 Zuschauer. Das größte Spiel des Jahrtausends also. Das sieht man den Heimkickern an, die das Spiel kontrollieren wollen, ihre Nervosität allerdings nicht verbergen können. Bremen kommt immer besser ins Spiel und ein verunglückter Befreiungsschlag landet Mitte der ersten Halbzeit vor den Füßen des BSV-Zehners, der sich nicht bitten lässt und locker unten links einschiebt.

Auch das Publikum ist etwas nervös und irritiert. 2500 von ihnen sind bestimmt schon sehr lange nicht im Stadion gewesen. Ich muss einigen Besuchern die Aufstiegsregeln erklären. Als Heide Ende der Halbzeit dann aber ein bisschen besser ins Spiel kommt, gerät nun endlich das Publikum in Wallung und das Vereinskürzel „HSV“ ist ein praktischer Anfeuerungsruf. Nun werden auch die Trommelstöcke im Bereich des HSV-Supports auf der Gegengerade geschwungen, der sich „Schwarzhosen-Block“ nennt. Der BSV zuletzt drei Mal in dieser Aufstiegsrunde gescheitert, drängt auf’s zweite Tor und ist spielerisch überlegen. Es fehlt das zwingende Element vor dem Tor. Und dann ist es so weit: Nach rund einer Stunde nutzt Heide die bis dahin fast einzige Chance, die noch dazu eigentlich gar keine ist: Ein Freistoß aus 25 Metern touchiert die Unterkante der Latte und zappelt im Netz. Der frenetische Jubel wird von rund 100 Personen flankiert, darunter viele Kinder, die quer über’s Spielfeld zur Spielertraube laufen. Der Schiedsrichter droht mit Spielabbruch.

Ein großer Moment. Der prognostizierte Jahrhundert-Moment. Denn spätestens danach ist das Ding irgendwie gelaufen. Jeder hat die letzten Bremer Ergebnisse der Aufstiegsrunden im Hinterkopf, die Trainerbank ist bedächtig ruhig. Und auch wenn die Blauen Druck machen, den Ball so einige Male hinter die Abwehr schlagen – die Spannung ist nur pro forma. Die Nerven bei den Gästen liegen blank: Ein Bremer Anhänger zettelt Streit auf der Tribüne an. Die Polizei kommt. Und nächste Saison kommen dann sicher Zäune für den Gästeblock… In der Nachspielzeit gibt es diesen Messi-Moment aus dem WM-Finale: Der flattrige Heider Torwart irrlichtert durch den Strafraum, aus dem Gewühl kann ein BSV-Akteur auf’s leere Tor schießen und zielt ein paar Meter drüber. Danach weiß jeder im Stadion: Wir sind Weltmeister.