CF Estrela Amadora – FC Alverca – 2:2

CF Estrela Amadora – FC Alverca – 2:2

„DERBY UNDERCOVER“

25.08.2025
Primeira Liga
Estadio José Gomes
Zuschauer: 3.411

AMADORA – Ohne große Erwartungen unterbrach man am ersten Tag der Woche das tägliche Bad im Atlantik und fuhr Richtung Lissabon, in die Großstadt Amadora. Der Grund dafür war der exklusive Montagstermin. Auch ein Redakteur muss mal Urlaub machen, zumal wenn er Familie hat. Eigentlich war nicht viel Fußball geplant, doch dann kam der Spielplan raus und der Bleistift wurde gespitzt. Mehr dazu in den nächsten Tagen

Nun erstmal zurück nach Amadora. Mit 0 Plan in die Stadt gekurvt, wurde bei der Parkplatzsituation das erste Mal gestutzt, aber schließlich in Zentimeterarbeit neben einem LKW eingeparkt und mit dem Nachwuchs auf der Schulter ging es zum „Estadio José Gomes“. Zuvor stand man noch für den kleinen Auswärtsmob aus Alverca Spalier und spätestens da war klar: Das wird ein guter Abend!

Zuschauermassen strömten zum Stadion. Eine halbe Stunde vor dem Anpfiff sorgten die Schlangen an der Kasse bereits für Kopfzerbrechen. Da in Portugal aber – kurz gesagt – überall mit „Socios“ und „Nicht-Socios“, also Mitgliedern, gearbeitet wird, entpuppte sich die lange Schlange als Geduldsprobe für die Socios. Am zweiten Fenster war nichts los. Dennoch zog sich die Situation hin wie ein Kaugummi. Der einzige Kunde am Fenster war blind und hatte kein Bargeld dabei, weswegen die Tickerverkäuferin ihm mit Engelszungen den Weg zum Geldautomaten erklärte.

Das sollte an diesem Abend nicht die einzige Kuriosität bleiben. Zunächst aber die Überraschung im zugigen Stadion, das mitten im Wohnviertel steht: Der kleine Auswärtsblock war pickepackevoll und auf der Heimseite bereitete man den Einsatz von Pyrotechnik vor. Was war hier los? Beide Städte sind Vororte von Lissabon. Amadora liegt im Westen, Alverca im Osten. Dass hier ein Spiel mit Fanszenen auf der Agenda steht, war in der überschaubaren Recherche untergegangen. Estrela verkündete nur etwas von „…endlich ist es so weit: Das erste Spiel gegeneinander seit 20 Jahren!“. Derby undercover.

Tja, kein Wunder dass beide Vereine unter dem Radar fliegen. Die Stammvereine, sowohl von Amadora als auch von Alverca, wurden in diesem Jahrtausend aus Mangel an Masse aufgelöst. Beide Klubs starteten in den untersten Klassen neu. Estrela fusionierte 2020 mit dem Drittligisten aus Sintra und schaffte vor 2 Jahren den Sprung in die höchste Liga, während Alverca nach Neustart in der untersten Klasse in diesem Sommer den Sprung zurück in die Elitelklasse packte. Ende der 1990er kickten die „Maior di Ribatejo“ einige Jahre in der „Primiera“ und hinterließen mit Spielern wie Deco oder Ricardo Carvalho ihre Spuren in der Fußballlandschaft. Nach dem Abstieg 2004 überlebte der Verein kein Jahr mehr.

Beide Teams warten aktuell noch auf einen Sieg in der neuen Saison und neutralisierten sich in den ersten 30 Minuten fast weitestgehend. Als man gerade überlegte welche Mannschaft überhaupt in der Lage ist mal auf’s Tor zu schießen, ging es los: Alverca traf nach schöner Direktabnahme zur Führung und legte kurz vor dem Pausenpfiff via Konter nach. Die Gäste waren besser und was sollte da jetzt noch passieren? In den 4 Minuten Nachspielzeit traf Estrela aber in den letzten Sekunden per Hacke zum Anschluss und es sollte ganze 10 Minuten (!) dauern, ehe der VAR den Treffer gutschrieb.

Die zweite Hälfte knüpfte nahtlos an die letzten Minuten der Nachspielzeit an. Estrela kam mit dem Messer zwischen den Zähnen aus der Kabine und kassierte nach 2 Minuten einen Platzverweis. Trotzdem ließ man nicht locker, war klar am Drücker und holte kurz darauf einen Elfmeter heraus. Den Strafstoß brezelte Estrela an die Latte und als die überschwängliche Stimmung grad anfing zu bröckeln, mussten die Gäste eine Gelb-Rote Karte einstecken. Zehn gegen Zehn – also alles wieder auf 0. Der anschließende Freistoß aus der Halbposition zappelte im Netz. Die Freude kannte keine Grenzen und erinnerte an die Spielberichte aus Südamerika, die wir in den letzten Woche hier publizierten. Auch die Zuschauer auf der Haupttribüne tanzten nun im Dreieck. Die beiden Fanszenen bestanden aus vielleicht 250 Leuten, waren aber ständig auf Zinne und konnten melodisch voll überzeugen.

Die armen Spieler, möchte man da fast sagen. Vermutlich waren die Jungs auf dem Rasen für so einen Thriller am Montagabend gar nicht geschaffen. Denn es rollte zwar ein Angriff oder Konter nach dem nächsten Richtung Tor, in der Schlussphase fehlte dann jedoch deutlich die Präzision. Kein Wunder, denn der Kick dauerte insgesamt 118 Minuten und dürfte auch mental so seine Spuren hinterlassen haben. Letzte Fußnote: Kurz vor Schluss wurde auch noch der Schiedsrichter umgerannt und musste sich von den Teamärzten behandeln lassen. Dieses Spiel wollte einfach nicht zu Ende gehen und das war gut so. Auch wenn wieder kein Team gewonnen hat. (mm)