El Gouna FC – Bank El Ahly – 1:2
“DER FUßBALL IN ÄGYPTEN IST TOT – EINE BITTERE WAHRHEIT“
21.01.2025
Egyptian Premier League (الدوري المصري الممتاز)
Zuschauer: 200
Khaled Bichara Stadium
EL GOUNA – In Ägypten ist weiterhin nicht viel los in den Stadien und das wird sich vermutlich zeitnah auch nicht ändern. Das ganze ist seit 2011 der Ist-Zustand, ausgelöst durch die schweren Ausschreitungen des „Arabischen Frühlings“. Arabischer Frühling, eigentlich eine Verhamlosung der Ereignisse: Denn nach dem „Frühling“ folgte ein jahrelanger, depressiver „Winter“, eingeleitet durch die Katastrophe in Port Said im Februar 2012. Al Ahly, einer der größten Vereine in Ägypten, spielte damals in Port Said. Die regimekritischen Ultras von Al Ahly rückten mit voller Kapelle an und füllten den Gästeblock. Jene waren es, welche ein Jahr zuvor auf dem Tahrir-Platz in Kairo den Revolutionsmob gewissermaßen anführten. Fast schon erprobt und perfekt organisiert wurde gegen die Staatsarmee gekämpft. Aber was hat es mit dem „Arabischen Frühling“ eigentlich genau auf sich?
Kurz und knapp lässt sich sagen, dass in den Maghreb-Staaten und im Nahen Osten viele junge Menschen für freie Wahlen, bessere Arbeitsbedingungen und ein Leben in Würde auf die Straße gegangen sind. Die Lage spitzte sich zu und endete in wochenlang anhaltenden Straßenschlachten. Besonders in Kairo ging es hoch her. In Tunesien, Ägypten, Lybien und dem Jemen sind in Folge der Proteste die Staatsoberhäupter zurückgetreten. Die Vergangenheit hiermit nur sperrlichst zusammengefasst, das Thema ist hochkomplex und nicht einfach zu erklären. Wir hoffen, es wurde soweit alles richtig durch uns wiedergegeben. Aber was passierte ein Jahr später in Port Said? Direkt nach Abpfiff wurde das Flutlicht gezielt abgestellt und auch alle anderen Lichter im Stadion. Ultras von Al Masry stürmten das Feld und griffen den Gästeblock an, in dem die Anhänger von Al Ahly im wahrsten Sinne des Wortes gefangen waren. Die Polizei verriegelte alles und ließ niemanden raus oder rein, so lauten die Berichte von Augenzeugen. Der Angriff erfolgte mit Steinen, Messern, Macheten, Feuerwerkskörpern und Metallstangen sowie Holzknüppeln. Ingesamt starben an diesem Tag 74 Menschen, darunter 72 Fans von Al Ahly. Weit über 500 Menschen wurden verletzt. Laut der NY Times, galt all das was an diesem Tag passiert ist, als Vergeltungsmaßnahme gegenüber den Ultras von Al Ahly, welche ein Jahr zuvor, wie oben beschrieben, die Proteste in Kairo anführten.
Was bleibt in Ägypten vom Fußball? Eine „Tazkarti-Karte“, Zuschauerbeschränkungen und dauerhafte Gästeverbote. Konkret bedeutet es, dass jeder der ein Erstliga-, Pokal-, oder Nationalmannschaftspiel besuchen möchte, eine Fan-ID-Karte benötigt. Diese kann online beantragt werden. Ausländer benötigen hierfür einen Reisepass und vorallem Geduld. Solltet ihr kein Zweit-, beziehungsweise Mittelnamen haben, einfach „Nun“ angeben. Ist die Tazkarti-ID erstellt, muss ein (!) Verein ausgewählt werden. Ab diesem Zeitpunkt können nur noch Spiele mit Beteiligung des ausgewählten Vereins besucht werden. 2. Liga, 3. Liga und 4. Liga sind von diesem System ausgeschlossen. Meist werden bei unterklassigen Spielen auch keine Eintrittsgelder verlangt. Zudem gibt es noch die Zuschauerbeschränkungen. Maximal 5000 Zuschauer dürfen einem Spiel beiwohnen, nach unseren Information sind Gästefans so gut wie immer ausgeschlossen. Eine Ausnahme sind Leute aus der gehobenen Schicht, welche im VIP der jeweiligen Heimmannschaft willkommen sind, beziehungsweise eingeladen werden. In Ägypten stehen einige riesige Schüsseln, der Ground in Alexandria fasst zum Beispiel 70.000 Plätze. Hinein dürfen dennoch nur maximal 5000 Fans. Frauen sind in den Stadien erlaubt, erblickt werden können selten welche.
Die Tazkarti-ID und das online gekaufte Ticket müssen in Ägypten in einem „WE-Store“ (Egypt Telecom) abgeholt werden. In unserem Fall hat dieses Unterfangen knapp 3 Stunden in Anspruch genommen. Zuerst war der Mitarbeiter „kurz weg“, dann ist er aus unerklärlichen Gründen nicht wieder aufgetaucht. Seine Vertretung, ein netter junger Mann, konnte kein Wort Englisch, war nicht in der Lage mit einem Drucker umzugehen und hatte Probleme die Tazkarti-Software auf dem ihm fremden Computer zu bedienen. Vermutlich ist der nette Geselle das erste Mal in seinem Leben mit dieser Tätigkeit in Berührung gekommen. Am Ende hat alles geklappt, Afrika eben. Man sollte immmer genug Zeit mitbringen, die Lösung kommt in aller Regel… Die Frage ist nur immer wann…! Auf der Tazkarti-Homepage sind die „WE-Stores“ gelistet, in welchem die Tickets und Pässe ausgehändigt werden. In den meisten Städten gibt es einen Store wie zum Beispiel in Hurghada, Suez, Port Said oder in Aswan. In den großen Metropolen wie in Kairo oder Alexandria gibt es mehrere Stores.
Ist das Ticket besorgt, kann sich der Fan von Hurghada zum Beispiel auf den Weg ins 30km entfernte El Gouna machen. Per UBER oder Taxi gelangt man für wenige Euros sicher durch den Checkpoint nach El Gouna und zum Stadion. Checkpoints sind in Ägypten völlige Normalität. Der Kofferraum wird geöffnet, die Pässe der Insassen kontrolliert und weiter geht die wilde Fahrt. Angekommen im „Khaled Bichara Stadium“ erfreut sich der geneigte Stadionsammler an den riesen Flutlichtmasten. Allgemein qualifiziert sich das weite Rund in El Gouna glasklar als Bilderbuchground. Stimmung kommt gar keine auf, mindestens 50% der Zuschauer sind Kinder oder Jugendliche. Der Fußball extrem mau. Kein Essen und Trinken, nur Tee und Wasser im VIP-Raum hinter der Tribüne. Der Fan darf allerdings Getränke in Plastikflaschen mit ins Stadion nehmen.
Zum Spiel muss nicht viel gesagt werden, am Ende stand es 1:2. Zwei der drei Tore sind jeweils durch einen Elfmeter entstanden. Eine Rote Karte und etwas Gepöbel der Trainer blieb natürlich auch nicht aus. Wer eine Reise nach Ägypten hauptsächlich für Fußball plant, dem sei gesagt: Lass es! Es gibt 211 FIFA-Mitglieder und somit 210 weitere Möglichkeiten auf der Welt, interessante Fußballspiele zu sehen! Wer dennoch Fragen zu Ägypten hat oder Hilfe benötigt, kann uns gerne eine PN senden. (hd)



