FC Schalke 04 II – VfB Homberg – 2:0
„ILLEGAL 2021“
27.02.2021
Regionalliga West
Zuschauer: 0 (offiziell)
GELSENKIRCHEN – Der heißeste Geisterspiel-Scheiß aus der Regionalliga West – na, wenn das mal kein Grund ist sich für diese Seite ein freiwillig-kostenpflichtiges und teilweise-unnötiges Abo ans Bein zu nageln! Wie wäre es mit dem „Gönner-Abo“? 10 Jahre für 1,99€ und dazu einen kostenlosen Hochdruckreiniger eines deutschen Markenherstellers – geschenkt! Das Angebot greift allerdings erst ab einem Corona-Inzidenzwert von unter 35 und ist nur bis zum 7. März datiert. Merkste selbst, oder?
Genug gelacht, denn Ende Februar fällt es coronabedingt immer noch schwer die Lachmuskeln nach oben zu ziehen. Doch hier und da rauscht ein kleiner Lichtblick durch die Wolkendecke. Schalke ist so ein Lichtblick. Jetzt wird’s richtig lächerlich, könnte man denken. Zu Recht: Wo die Profis mit sage und schreibe 9 Punkten aus 23 Spielen im nahenden Frühling Nichtabstiegs-Durchhalteparolen in die Welt setzen. Zum Glück gibt es den Amateurfußball und die Regionalliga West, die sich in diesen Zeiten zwecks Weiterführung des Spielbetriebs in eine offizielle Profi-Liga gewandelt hat und daher natürlich viel Wert auf qualitative Berichterstattung von ausgewählten Reportern live vor Ort legt.
Darum geht es an einem Samstagmorgen 400 Kilometer aus dem schönen Hansetal Richtung Gelsenkirchen. Gewohnt früh fädel ich mich mit meiner kleinen Blechkapsel auf der menschenleeren A1 ein, dort wo sonst Verkehrsbehinderungen warten rauscht man nun im dreistelligen Tempo völlig gefahrlos an chronischen Stauenden vorbei. Überpünktlich trudelt man in Gelsenkirchen ein. Die Arbeiterstadt im Westen – oft belächelt, aber in diesen Tagen mal eine nette Abwechslung. Dank der verfrühten Ankunftszeit wird gegen Mittag noch das „Fürstenbergstadion“ angesteuert, in der Hoffnung, dass der nahende Umbau dort noch nicht begonnen hat und man die traditionelle Anlage von innen und außen nochmal begutachten kann. Vor Ort die Enttäuschung: Abrissbagger haben bereits alle Stehstufen angeknabbert und den Zaun kann man auch nicht überwinden.
Das Alternativ-Programm ist ähnlich gruselig wie ein Stadionabriss: Auf einen kleinen Sprung geht es rüber ins etwa zehn Kilometer entfernte Gladbeck, in die Schwechater Straße 38, dort wo im August 1988 das sogenannte „Geiseldrama von Gladbeck“ begann. Ein bisschen Asi-Crimespotting in der Nachbarstadt, ein altbewährter Klassiker für Groundhopping-Erstsemester auf Schalke, ich weiß nicht wie ich mir in der Gegend sonst die Zeit vertreiben soll. Spötter mögen nun behaupten: Das Hochhaus in Rentfort-Nord – die größte Touristenattraktion Gelsenkirchens. Auf jeden Fall ist es ein düsterer Ort mit morbidem Charme. So wie aktuell wahrscheinlich auch die Veltins-Arena, wenn dort Bundesliga-Fußball stattfindet.
Doch ein Fußballspiel in der Veltins-Arena wird heute um 14 Uhr nicht angepfiffen. Stattdessen spielt die U23 im neueröffneten Parkstadion, das allerdings nur aus einer Tribüne besteht. Die aber, hat es in sich: Die „Knappen“ haben die Gegengerade des 74er-WM-Stadions original erhalten und mit neuen Wellenbrechern flott für die Zukunft gemacht. Selbst die Holzbänke sind die gleichen wie früher und sogar der alte Schüttbeton entpuppt sich irgendwie als sehr schöner Unterschied zu den Betonfertigteilen heutiger Zeit. Hinzu kommt das Markenzeichen der Anlage: Ein alter Flutlichtmast überragt ikonisch das ehemalige Oval. Hört sich komisch an in diesen Tagen – ein Kompliment für Schalke: Das habt ihr richtig gut gemacht!
Ob bei einem Heimspiel gegen den VfB Homberg unter normalen Bedingungen 100 Zuschauer kommen würden? Ich weiß nicht. So ähnlich fiel meine Wahrnehmung jedenfalls in Nicht-Pandemie-Zeiten aus, wenn ich über Schalke II nachgedacht habe. Daher drückt es nicht auf die Stimmung, dass sich im „Infield“ nur etwa 40 bis 50 Pressevertreter und Vereinsnasen zusammenfinden, gut 70 bis 80 Zaungäste rund um das Areal kommen hinzu. Sogar auf einem Parkhaus in gut 100 Metern Entfernung sind Menschenmengen auszumachen. Illegal 2021. Vor dieser Pandemie waren solche Spiele wahrscheinlich kaum besser besucht. Das Schalker „Sicherheitspersonal“ hinterlässt einen äußerst entspannten und deeskalierenden Eindruck in Bezug auf das „illegale“ Publikum. Eine nette Veranstaltung vor „null Zuschauern“, wer hätte das gedacht? Hinter dem Zaun neben dem Kassenhäuschen hat sich eine Berliner Reisegruppe versammelt, aus der ich ein Mitglied natürlich bestens kenne. Pünktlich zum Anpfiff schält sich die Sonne aus ihrem Wolkennest. Es ist angerichtet. Bei meinem letzten Fußballspiel als Zuschauer schrieb ich noch was von den „allerletzten Zuckungen des Spätsommers“, jetzt ist der Winter fast schon wieder vorbei. Von nun an geht es aufwärts.
Das gilt auch für Schalke. Aber nur für die zweite Mannschaft. Königsblau macht Druck, erarbeitet sich bis auf einen frühen Pfostentreffer jedoch keine Chancen. Wie bei so vielen Nachwuchsmannschaften glänzen die Jung-Profis durch gute Ballkontrolle. Wenn’s drauf ankommt, bricht man aber irgendwie nicht in den Strafraum durch. Homberg kommt gegen Ende der Halbzeit ein paar Mal nach vorne. Bei den Duisburgern wird die Nummer 2 im Angriff gesucht und die gehört zu Samed Yesil. Einst Supertalent bei Bayer Leverkusen, Mitte des letzten Jahrzehnts für eine Millionensumme zum FC Liverpool transferiert. Dort legten ihn Kreuzbandrisse lahm und mittlerweile kommt er über die Rolle des Mitläufers beim VfB Homberg nicht mehr hinaus. Tor- und trostlos geht es in die Pause.
Während die Profis schon bald beim VfB Stuttgart in Rückstand geraten, hämmert S04-Talent Brooklyn Ezeh ein paar Minuten nach dem Wiederanpfiff einen Freistoß aus rund 20 Metern mit voller Wucht in den Giebel. Fühlt sich gut an, so ein Tor! Das abstiegsbedrohte Homberg kämpft leidenschaftlich um den Anschluss und hat einen Treffer verdient, womit so eine Partie freilich einen ganz anderen Verlauf nehmen kann. Doch in dem entscheidenden Augenblick des Spiels liegt das Moment auf Seiten der Heimelf, die einen Konter in Person von Jan-Luca Schuler, der schon Bundesliga-Luft schnuppern durfte, erfolgreich zur Vorentscheidung abschließt.
Man kann es kaum glauben, auch die zweite Mannschaft wies bis zu diesem Zeitpunkt eine Negativserie von sieglosen Spielen auf und konnte mit dem Erfolg die ersten drei Punkte in diesem Jahr einfahren. So weit ist man bei den Profis noch nicht, denn spätestens nächsten Tag ist auf Schalke wieder alles beim Alten: Nach der Bundesliga-Niederlage in Stuttgart entlässt der Revierklub die halbe Belegschaft. Unter anderem Trainer Gross, Sportvorstand Schneider und Lizenzspielkoordinator Riether werden am Sonntagmorgen „rausgekärchert“ und beurlaubt. Alles wie bisher in der Fußballwelt. Denn auch wenn dieses „Geisterspiel“ Spaß gemacht hat: Wir warten weiter auf „freizugänglichen“ Fußball.
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