F.C. Hansa Rostock – TSV 1860 München – 2:1

F.C. Hansa Rostock – TSV 1860 München – 2:1

„SAG ZUM ABSCHIED LEISE SERVUS“

17.09.2025

3. Liga
Ostseestadion
Zuschauer: 24.303

    ROSTOCK – Englische Woche in der 3. Liga. Rostock trifft auf München. Knapp 1600 Kilometer Fahrtstrecke hin und zurück. Wer sich so etwas ausgedacht hat, besetzt vermutlich einen hohen Posten beim Verband oder der Polizei. So läuft das. Diese Ansetzung muss man nicht verstehen, zumal gerade am Sonntag eine ähnliche Problematik beim Löwen-Heimspiel gegen Havelse zu verzeichnen war (wir berichteten).

    Egal, so kurzfristig lässt sich das Problem nicht beheben und der Gegner in Rostock spielte an diesem Mittwoch-Abend auch keine so große Rolle. Im Mittelpunkt standen 4 Objekte aus Stahl, Glas und Wolfram, die seit 55 Jahren nicht mehr aus dem Stadtbild der Hansestadt wegzudenken sind. Wie stramme Soldaten wachen die vier Flutlichtmasten über das Ostseestadion – und in dieser Saison haben sie Verstärkung bekommen. Acht von den charakteristischen Flutlichtern sind aktuell über Rostock zu sehen und dieser nicht gerade alltägliche Anblick sorgt für ein bizarres Bild.

    Jahrelang hat man bei Hansa Geld gesammelt und die Flutlichter dank diverser Spenden und großer Unterstützung aus der Fanszene nun rekonstruieren können. Die alten Masten waren marode geworden. Auch aus der Redaktionskasse wanderten natürlich ein paar Euro vor dem Spiel in die Sammelbox. Aufgestellt sind die neuen Lichtspender schon, gegen die „Löwen“ erstrahlte aber zum letzten Mal die alte Technik. Ein Heimspiel von Hansa ist ohnehin immer ein Spektakel, doch vor dieser einmaligen Kulisse schraubten sich auch die restlichen Erwartungen in die Höhe.

    Das Spiel der zwei hochgewetteten Drittligisten sollte die Ansprüche durchaus erfüllen. Gerade Hansa suchte die Zweikämpfe, kam immer wieder gefährlich in den gegnerischen Strafraum und konnte per Doppelschlag vor der Halbzeit in Führung gehen. Spieler des Spiels sicher Maximilian Krauß, der dank ständiger Unruhe im Angriffsspiel das Ruder auf die Seite seiner Mannschaft riss und mit seinem Spielstil im Alleingang für das entscheidende zweite Tor sorgte. Auf den Rängen passierte so weit nicht sehr viel Besonderes. Während die „Süd“ ihr Programm runterspulte, wie gehabt eine beeindruckende Mitmachquote erreichte und am Ende der Partie einen Dank an alle Flutlichtspender verkündete, wurde im Block 9A allerdings die ganze Partie über gezündelt. Respekt zollen konnte man unter diesen Umständen natürlich auch dem kompakten Auswärtsblock.

    Hansa hatte angekündigt, dass alle Zuschauer nach dem Abpfiff auf ihren Sitzen bleiben sollten. Und mit dem Heimsieg im Rücken entwickelte sich eine gewisse Vorfreude. Nach einem kurzen Einspieler von der ehemaligen Hansa-Legende Dieter Schneider, der beim ersten Spiel im Ostseestadion unter Flutlicht 1970 das Tor hütete, wurde das Licht ausgeschaltet und eine Pyroshow sorgte für große Augen. Die neuen Masten erstrahlten nicht mehr. Vermutlich wird es beim nächsten Heimspiel dann erneut etwas „Bling-Bling“ geben. Oder auch nicht. Denn herabfallende Teile der Pyroshow sorgten dafür, dass sich Dachbefestigungen lösten und einen 9-jährigen Jungen krankenhausreif verletzten. Das war’s jedenfalls mit den alten Masten. „Sag zum Abschied leise Servus“, möchte man da passend zu dem Spiel und Gegner hinterherrufen.

    Wir wünschen dem Buben gute Besserung und vermuten, dass über den Köpfen der Zuschauer in Rostock zukünftig nur noch die neuen LED-Strahler brennen werden. (mm)

    F.C. Hansa Rostock – Hallescher FC – 1:0

    F.C. Hansa Rostock – Hallescher FC – 1:0

    „NEBELSUPPE MIT FLEISCHEINLAGE“

    24.01.2020

    3.Liga – 21. Spieltag

    Ostseestadion

    Zuschauer: 16.744

    ROSTOCK – Das Eröffnungsspiel der Drittliga-Rückrunde unter Flutlicht schien mir sehr geeignet für das erste Fußballspiel des neuen Jahres. Und der erste Eindruck bestätigt meine Ahnung: Gewusel, Aufregung. Menschenmassen, überall.

    Und Schlange-Stehen. Hunderte Leute an den Kassenhäuschen. Komischerweise aber nur an der Abholkasse. Blöd gelaufen für die Generation Frühbucher. Beim freien Ticket-Verkauf sieht man höchstens ein Dutzend Wartende am Ticketfenster und zum Glück halte ich nach fünf Minuten eine 25-Euro-Karte für die Osttribüne in der Hand. Denn das gleiche Spiel setzt sich an den Stadiontoren fort: „Schlangestehen verrät nicht Mängel, sondern Sehnsucht nach Qualität“. So oder so ähnlich lautete mal die Schlagzeile eines SED-protegierten ZEIT-Artikels über die Zustände der ehemaligen DDR. Ich lass das mal so stehen.

    Denn Qualität wurde von dem Aufeinandertreffen zweier ehemaliger DDR-Oberliga-Rivalen natürlich erwartet. Auf dem Rasen – und auf den Tribünen. Auch wenn es bereits vor Spielbeginn auf dem Treppenaufgängen zum Stadion rassige Schmähgesänge gegen „Chemie Halle“ hagelt – mit dem Anpfiff bleibt es zunächst recht ruhig. Nur der kleine Haufen Gästefans – vielleicht 300 bis 400 Hallenser – ehrt einem verstorbenen Fan. Dazu eine rote Bengalfackel. Die Hansa-Crowd auf der Südtribüne kontert dieses Intro lediglich mit zwei Böllern, die in die Pufferzone geworfen werden.

    Akzente werden in den ersten 45 Minuten eher auf dem Rasen gesetzt, wo Rostock jeden Zweikampf annimmt, herausgespielte Chancen aber leichtfertig vergibt. Halle kommt zurück ins Spiel und während der erste Abschnitt ausklingt, ist die Führung für die physisch starken Gäste eigentlich nur eine Frage der Zeit.

    Doch es geht torlos in die Kabine. In der Halbzeit wieder Altbekanntes: Schlange-Stehen. Für die Bratwurst. Nach mindestens 16 Minuten habe ich ein gut gewürztes, aber lasch gebratenes Fleischerzeugnis in der Hand und flugs geht es zurück auf die Tribüne. Gerade noch rechtzeitig, denn die Hanseaten haben ihre Silvester-Restposten mit ins Stadion geschmuggelt. Auf der Südtribüne gibt es eine Wunderkerzen-Choreo, kurze Zeit später sorgt eine Raketen-Gala hinter dem Stadion für eine verwunschene Atmosphäre und hellt den trüben Rostocker Nachthimmel auf. Na siehste, geht doch!

    Nach dem Spektakel auf den Rängen, ziehen auch die Profis auf dem Rasen nach. Hansa lässt einfach nicht locker und ein sehr wendiger Spieler mit dem Namen Aaron Opoku holt sich die Kugel im Nachsetzen an der Mittellinie. Dann geht es schnell und diesmal ist es kein Haken zu viel: Korbinian Vollmann trifft satt in die Maschen, nachdem er sich hakenschlagend im Strafraum durchgetrickst hat. Ausgerechnet Vollmann, der zuvor viele falsche Entscheidungen traf und direkt nach dem Tor ausgewechselt wird.

    Das Stadion explodiert! Ja, ja, und nochmal ja: Fußball braucht Tore! Ohne Treffer hätte das hier heute wie ein Eintopf ohne Fleischeinlage geschmeckt. Herzerwärmend, aber auch schnell verdaut Halle – nah dran an den Aufstiegsplätzen – startet zunächst wütende Gegenangriffe, doch nach fünf Minuten ist die Luft raus. Das Spiel hat seinen Höhepunkt überschritten und Rostock fährt einen verdienten, wenn auch knappen Sieg ein.

    Die Mischung aus Leidenschaft und schroffem Auftreten birgt Begeisterungspotential. Nicht ganz 17.000 Zuschauer tragen ihre Elf an diesem diesigen Freitag-Abend in der Rostocker Nebelsuppe zum Sieg, aber unter dem Blechdach entfalten sie die Kraft von 70.000 Zuschauern. Und zumindest heute war auch ich einer von ihnen.