Sporting CP – FC Porto – 1:2

Sporting CP – FC Porto – 1:2

„75 JAHRE DURCHFALL“

30.08.2025
Primiera Liga
Estádio José de Alvalade XXI
Zuschauer: 50.946

LISBOA – An meinem Geburtstag muss ich nicht unbedingt Fußball gucken. Kaffee und Kuchen mit den Liebsten ist auch okay. Aber wenn die Spieltagsplaner in Portugal das Top-Spiel der Liga auf den Ehrentag, den Samstag-Abend legen, kann man das auch schon mal als Einladung verstehen.

Damit fing das Dilemma an. Denn natürlich benötigte ich für den Geburtstagskick ein Ticket. Während in einschlägigen Facebook-Gruppen immer wieder von freiem Verkauf und keinerlei Schwierigkeiten berichtet wurde, trat nach und nach das Gegenteil ein. Am Mittwoch gab es überhaupt erst Ticket-Infos. Am Folgetag sollte es losgehen: Vorkaufsrecht zunächst nur für Mitglieder, die seit 75 Jahren (!) im Verein sind. Danach wurde die Hürde auf 50 Jahre gelegt. Irgendwann am Freitag waren dann auch jüngere Mitglieder an der Reihe und ich wähnte mich auf der sicheren Seite, da ich einen „Socio“ aufgetrieben hatte, der mir ein Ticket besorgen wollte.

Dann aber der nächste Rückschlag. Das Mitglied ist noch nicht lange genug Mitglied. Die Hoffnung darauf, dass auch diese Hürde am Spleltag im VVK noch fällt, erfüllte sich nicht. Nicht mal ein ordentliches Mitglied konnte für den Kick am Ende ein Ticket bekommen, dabei blieben natürlich noch einige Plätze frei. Vier Stunden vor Kick-Off musste „Stubhub“ als Geburtshelfer herhalten. Nach fast 1400 Spielen erst das zweite Mal, dass auf eine dieser zweifelhaften Börsen zurückgegriffen werden musste. Aber sonst hätte man dumm aus der Wäsche geguckt und das an diesem besonderen Tag. Der „Socio“ João Miguel Silva sollte mit seinem Ticket am Ende 20€ Plus auf der Wiederverkaufsbörse machen und inklusive Gebühren blieb man am Ende doch noch relativ stabil im zweistelligen Bereich. Da hab ich im regulären Vorverkauf auch schon mehr bezahlt.

Zuvor wurde der Geburtstag mit der Familie noch zünftig in dem Stadtteil Belém zelebriert. Dabei durfte natürlich auch eine Portion „Francesinha“ nicht fehlen. Ein Sandwich mit Schinken, Salsiccia, Käse und einem Spiegelei, das in einer Portwein-Soße schwimmt. Der erste Gedanke bei dem Anblick lautet definitiv: „Durchfall“. Aber vielleicht war die Mahlzeit in dem unscheinbaren Laden, in dem nur Portugiesisch gesprochen wurde, auch gut zubereitet. Geschmacklich gab es nichts an dem Toast auszusetzen, die aufgenommenen Kalorien sollten bis zum nächsten Tag reichen und in der Porzellanabteilung wurde auch kein Alarm geschlagen…

Hinein ging es schließlich in das „José Alvalade“. Wie auch schon das Stadion vom großen Konkurrenten Benfica schwungvoll gestaltet und in den Vereinsfarben insgesamt ein willkommenes Motiv für den Sehnerv. Die Anhänger vom FC Porto fanden sich auf dem Oberrang hinter dem Tor ein und boten gesanglich und überhaupt gut organisierten Support. Sporting wieder mit verschiedenen Gruppen hinter den Toren. Diesmal auch mit einigen wenigen Zaunfahnen, Doppelhaltern und Pyro. Die Stimmung im ganzen Rund auf hohem Niveau. Nachdem es sogar eine vereinsseitige Papptafel-Choreo mit jeder Menge Feuerwerk zu bestaunen gab, wurde festgestellt, dass jeder in dem Stadion Bock auf dieses Spiel hatte. Beide Teams bis dahin mit „Weißen Westen“ und 3 Siegen aus 3 Spielen.

Sporting als aktueller Meister gab die Pace vor und kam immer wieder schnell in die Box. Allerdings haperte es am Torabschluss, vielleicht macht sich der Abgang von Viktor Gyökeres bemerkbar. Nach den bissigen, aber erfolglosen Angriffen kam auch Porto besser ins Spiel. Den Gästen sah man die berühmte „reife Spielanlage“ an. Immer wieder drosselte man das Tempo und der Keeper der „Dragãos“ ließ sich von Beginn an eine Menge Zeit bei seinen Abschlägen. Ab der 3. Spielminute kassierte Nationaltorwart Diogo Costa Pfiffe für seine Darbietungen. Torlos ging es in die Pause, nach dem Wiederanpfiff startete Sporting die zweite Angriffswelle, die wirklich vielversprechend aussah. Aber auch diese Phase endete ohne Tor.

Es musste langsam mal ein Geburtstagsgeschenk her und dieses kam aus Porto. Nach einem klassischen Konter traf der hüftsteife Luuk de Jong zur Führung. Den kennt man noch als Flop aus der Bundesliga und vermutlich ist der Holländer mindestens so alt wie ich. Kurz darauf folgte ein echtes Highlight: Denn Porto traf per Fernschuss und Traumtor zum 0:2. Fast genauso gut waren die Jubel-Provokationen direkt neben dem harten Kern der Heimfans. Beide Male bekamen „Dragãos“ Gegenstände an den Kopf, wurden behandelt und das Spiel ging weiter. Während man im Schwechheimer Land sicher Angst vor einem Spielabbruch hätte haben müssen, bekam hier ein Porto-Spieler wegen Unsportlichkeit sogar noch die Gelbe Karte.

Sporting markierte aus dem Gewusel heraus in der Endphase den Anschluss und als 8 Minuten Nachspielzeit angezeigt wurde, keimte nochmal Hoffnung auf. Doch der Meister war völlig platt in den letzten Minuten und Porto zeigte nach der Führung eine Spielweise, an der Trainerstar José Mourinho vermutlich immer noch Anteile hält, auch wenn er am Mittwoch zuvor bei Benfica einen Tiefpunkt seiner Trainerkarriere erreichte.

Das sollte es dann auch gewesen sein mit diesem Spiel und 10 Tagen Urlaub in Portugal. Für das Ticketing möchte man Sporting 75 Jahre Durchfall wünschen. Ansonsten gab es viele Highlights in und neben den Stadien. Auf in einen neuen Lebensabschnitt! (mm)

CF Estrela Amadora – FC Alverca – 2:2

CF Estrela Amadora – FC Alverca – 2:2

„DERBY UNDERCOVER“

25.08.2025
Primeira Liga
Estadio José Gomes
Zuschauer: 3.411

AMADORA – Ohne große Erwartungen unterbrach man am ersten Tag der Woche das tägliche Bad im Atlantik und fuhr Richtung Lissabon, in die Großstadt Amadora. Der Grund dafür war der exklusive Montagstermin. Auch ein Redakteur muss mal Urlaub machen, zumal wenn er Familie hat. Eigentlich war nicht viel Fußball geplant, doch dann kam der Spielplan raus und der Bleistift wurde gespitzt. Mehr dazu in den nächsten Tagen

Nun erstmal zurück nach Amadora. Mit 0 Plan in die Stadt gekurvt, wurde bei der Parkplatzsituation das erste Mal gestutzt, aber schließlich in Zentimeterarbeit neben einem LKW eingeparkt und mit dem Nachwuchs auf der Schulter ging es zum „Estadio José Gomes“. Zuvor stand man noch für den kleinen Auswärtsmob aus Alverca Spalier und spätestens da war klar: Das wird ein guter Abend!

Zuschauermassen strömten zum Stadion. Eine halbe Stunde vor dem Anpfiff sorgten die Schlangen an der Kasse bereits für Kopfzerbrechen. Da in Portugal aber – kurz gesagt – überall mit „Socios“ und „Nicht-Socios“, also Mitgliedern, gearbeitet wird, entpuppte sich die lange Schlange als Geduldsprobe für die Socios. Am zweiten Fenster war nichts los. Dennoch zog sich die Situation hin wie ein Kaugummi. Der einzige Kunde am Fenster war blind und hatte kein Bargeld dabei, weswegen die Tickerverkäuferin ihm mit Engelszungen den Weg zum Geldautomaten erklärte.

Das sollte an diesem Abend nicht die einzige Kuriosität bleiben. Zunächst aber die Überraschung im zugigen Stadion, das mitten im Wohnviertel steht: Der kleine Auswärtsblock war pickepackevoll und auf der Heimseite bereitete man den Einsatz von Pyrotechnik vor. Was war hier los? Beide Städte sind Vororte von Lissabon. Amadora liegt im Westen, Alverca im Osten. Dass hier ein Spiel mit Fanszenen auf der Agenda steht, war in der überschaubaren Recherche untergegangen. Estrela verkündete nur etwas von „…endlich ist es so weit: Das erste Spiel gegeneinander seit 20 Jahren!“. Derby undercover.

Tja, kein Wunder dass beide Vereine unter dem Radar fliegen. Die Stammvereine, sowohl von Amadora als auch von Alverca, wurden in diesem Jahrtausend aus Mangel an Masse aufgelöst. Beide Klubs starteten in den untersten Klassen neu. Estrela fusionierte 2020 mit dem Drittligisten aus Sintra und schaffte vor 2 Jahren den Sprung in die höchste Liga, während Alverca nach Neustart in der untersten Klasse in diesem Sommer den Sprung zurück in die Elitelklasse packte. Ende der 1990er kickten die „Maior di Ribatejo“ einige Jahre in der „Primiera“ und hinterließen mit Spielern wie Deco oder Ricardo Carvalho ihre Spuren in der Fußballlandschaft. Nach dem Abstieg 2004 überlebte der Verein kein Jahr mehr.

Beide Teams warten aktuell noch auf einen Sieg in der neuen Saison und neutralisierten sich in den ersten 30 Minuten fast weitestgehend. Als man gerade überlegte welche Mannschaft überhaupt in der Lage ist mal auf’s Tor zu schießen, ging es los: Alverca traf nach schöner Direktabnahme zur Führung und legte kurz vor dem Pausenpfiff via Konter nach. Die Gäste waren besser und was sollte da jetzt noch passieren? In den 4 Minuten Nachspielzeit traf Estrela aber in den letzten Sekunden per Hacke zum Anschluss und es sollte ganze 10 Minuten (!) dauern, ehe der VAR den Treffer gutschrieb.

Die zweite Hälfte knüpfte nahtlos an die letzten Minuten der Nachspielzeit an. Estrela kam mit dem Messer zwischen den Zähnen aus der Kabine und kassierte nach 2 Minuten einen Platzverweis. Trotzdem ließ man nicht locker, war klar am Drücker und holte kurz darauf einen Elfmeter heraus. Den Strafstoß brezelte Estrela an die Latte und als die überschwängliche Stimmung grad anfing zu bröckeln, mussten die Gäste eine Gelb-Rote Karte einstecken. Zehn gegen Zehn – also alles wieder auf 0. Der anschließende Freistoß aus der Halbposition zappelte im Netz. Die Freude kannte keine Grenzen und erinnerte an die Spielberichte aus Südamerika, die wir in den letzten Woche hier publizierten. Auch die Zuschauer auf der Haupttribüne tanzten nun im Dreieck. Die beiden Fanszenen bestanden aus vielleicht 250 Leuten, waren aber ständig auf Zinne und konnten melodisch voll überzeugen.

Die armen Spieler, möchte man da fast sagen. Vermutlich waren die Jungs auf dem Rasen für so einen Thriller am Montagabend gar nicht geschaffen. Denn es rollte zwar ein Angriff oder Konter nach dem nächsten Richtung Tor, in der Schlussphase fehlte dann jedoch deutlich die Präzision. Kein Wunder, denn der Kick dauerte insgesamt 118 Minuten und dürfte auch mental so seine Spuren hinterlassen haben. Letzte Fußnote: Kurz vor Schluss wurde auch noch der Schiedsrichter umgerannt und musste sich von den Teamärzten behandeln lassen. Dieses Spiel wollte einfach nicht zu Ende gehen und das war gut so. Auch wenn wieder kein Team gewonnen hat. (mm)