SpVg Beckum – DJK Sportfreunde Mastbruch – 0:4
„DER ALTE RÖMER UND DAS FUßBALLWORT DES JAHRES“
08.03.2020
A-Jugend-Bezirksliga Westfalen/Staffel III
Römerkampfbahn/Kunstrasen
Zuschauer: ca. 40
BECKUM – Für das obligatorische A-Jugend-Spiel am Vormittag musste alles passen. Und wieder mal war auf Ryanair Verlass. Im Gegensatz zum Airport in Dortmund, erwies sich der Flughafen London/Stansted als brechend voll. Die Maschine nach Deutschland war aber nicht mal zur Hälfte besetzt. Wieder ging es bei bestem Wetter, freier Dreier-Reihe und (daraus resultierendem) Fensterplatz über den Ärmelkanal. In Dortmund angekommen, dauert es gerade mal eine Viertelstunde und schon sitze ich wieder in meinem Auto. Zur Auswahl standen einige Partien im Münsterland und in Ostwestfalen. Für das Jugend-Spiel in Beckum – das genau zwischen Dortmund und dem eigentlichen Ziel Gütersloh liegt – war eine pünktliche Landung und schnelle Abwicklung zwingend nötig.
Zwar wären auch Herren-Partien für den Vormittagskick in Frage gekommen, aber wirklich bedeutende Spiele waren nicht in Sicht. Zudem jeweils auf Kunstrasen. Das war in Beckum zwar auch der Fall, doch auf der Sportanlage befindet sich nicht nur die Plastikwiese. Hauptplatz ist immer noch die gute, alte „Römerkampfbahn“ – direkt neben dem Synthetikbelag. Der Kunstrasenplatz ist über eine Treppe, die gleichzeitig Stufenausbau darstellt, mit dem Rasenplatz verbunden.
Bei der SpVg Beckum hatte es irgendwie auch „Klick“ gemacht. Und siehe da, wenig später wusste ich warum: 1994 – ich war ein fußballbegeisterter Junge – kegelte die SV den 1.FC Köln aus dem DFB-Pokal. Die Partie endete 0:0 nach 120 Minuten. Der einstige Vertreter von Jens Lehmann bei Schalke 04 – Torwart-Legende Jürgen Welp – parierte im Elfmeterschießen einen Strafstoß von Bruno Labbadia, die Sensation war perfekt. Die 90er-Jahre in Beckum waren nicht nur von Pokal-Sensationen, sondern auch von erfolgreichem Oberliga-Fußball geprägt. Alles lange her, heute heißt die Realität: Landesliga. Oder: Bezirksliga. Wie im Falle der A-Jugend.
Die Römerkampfbahn besteht zu drei Vierteln aus etwas unförmigen, abgenutzten Stufen, die sich im Achteck eng um den Platz ziehen. Daneben existiert eine überdachte Tribüne mit Sitzbänken, Sprecherkabine und viel Patina. Ein sehr schöner Anblick. Der Rasen bleibt der ersten Herrenmannschaft der Beckumer vorbehalten. Für den Auftritt in der Landesliga am späteren Nachmittag, befindet sich der A-Platz aber auch noch im Winterschlaf und ist als gesperrt gekennzeichnet. Tatsächlich sieht das Grün arg verwüstet aus. Kaum vorstellbar, dass hier in der Hinrunde gekickt wurde.
Auch der B-Platz ist für einen Kunstrasen ganz in Ordnung. Wie eingangs erwähnt: Stufenausbau auf einer Längsseite. Zudem thront das Vereinsheim auf einer Anhöhe über dem Platz und auf den beiden anderen Seite hat man einen Graswall in L-Form aufgeschüttet. Norden, Osten, Süden, Westen – überall ist die Sicht am besten, wird man mit einer anderen Perspektive belohnt. Mit mir haben sich etwa 40 Zuschauer eingefunden, um diesen Fußball-Tag morgens mit den Junioren einzuläuten – nach der A-Jugend werden noch die beiden Herren-Mannschaften auflaufen. Sicherlich alles Mitglieder oder Aktive am Spielfeldrand. Natürlich guckt man mich, den Fremden, etwas schräg an. Aber egal: Ich genieße den ersten Frühlings-Flirt mit der Natur und gucke Fußball. Den einzigen Dialog, den ich mit einem Beckumer Fußballkiebitz führe, beschließt mein Gegenüber mit den Worten: „In Deutschland wird es ganz sicher keine Geisterspiele geben“.
Also dann, Anpfiff: Das Spiel kommt etwas schwer in die Gänge. Als Favorit gilt der Gast aus dem Paderborner Stadtteil mit dem tollen Namen Mastbruch, der mit einem Sieg auf Platz eins springen kann. Nach zwei sehenswerten Toren steht es kurz vor der Pause tatsächlich 2:0 für die Sportfreunde aus Paderborn. Doch Beckum hat die Chance mit einem Elfmeter in der Nachspielzeit zu verkürzen. Ich stehe schon oben am Vereinsheim und blicke auf das Spielfeld runter: Der Keeper hält!
In der Halbzeit gibt es Bratwurst und Kaffee bei Paolo. So heißt der Mann, der einen leicht desorientierte Eindruck hinterlässt und direkt hinter dem schönen Torbogen links im Grillhäuschen auf Aufträge wartet. Während eine Bratwurst die Geschmacksknospen zufriedenstellt, gehört der Kaffee zu den schlechtesten Muntermachern, die ich in letzter Zeit auf den Sportplätzen dieser Welt heruntergespült habe. Lauwarm und geschmacklich kann man nur erahnen, worum es sich handelt. Doppelt bitter. Zuvor war ich nämlich eine Viertelstunde – das war der Zeitvorsprung den ich mitgebracht hatte – planlos durch Beckum gefahren und musste feststellen, dass im katholischen Münsterland offenbar alle Bäckereien Sonntag-Vormittag geschlossen haben.
In der zweiten Halbzeit ist das Spiel weiterhin zähe Kost. Nichts desto weniger hinterlassen die Akteure auf dem Rasen einen ordentlichen Eindruck. Hier haben alle ihre Hausaufgaben gemacht, aber nicht jeder Jugendlicher wird als Weltklassespieler geboren. Es fällt auf, dass die Gäste letztlich viel mehr Torgefahr als die Beckumer in ihren lila Trikots ausstrahlen. In der Folge kommt es noch zu zwei Mastbruch-Toren, der Endstand fällt durch einen klassischen Konter in der Schlussminute. Direkt nach dem Spiel gibt die zweite Mannschaft auf dem Kunstrasen-Teppich gegen die Ahlener SG ihr Stelldichein. Ich lichte währenddessen die alte Römerkampfbahn mit meiner Kamera ab und denke außerdem an eine Nominierung von „Mastbruch-Tor“ für das Fußballwort des Jahres.
Da bis zum nächsten Anstoß in Gütersloh noch etwas Zeit verbleibt, fahre ich erneut eine Runde durch Beckum. Auf den ersten Blick keine besonders schöne Stadt, aber an jeder Ecke blitzt das Deutschland auf, in dem ich aufgewachsen bin: Backstein und Helmut Kohl, Zement und Peter Stuyvesant. Höhepunkt ist ein „Conodomat“ unweit der Römerkampfbahn mitten im Nirgendwo. Höchste Zeit für mich jetzt den Ort zu verlassen.











