Wiener SC – TWL Elektra – 2:1
„DAS EROS-CENTER VON WIEN“
10.05.2024
Sportclub-Platz
Zuschauer: 2822
Wien – Die Nachricht, dass die lange geplanten Umbaumaßnahmen am Sportclub-Platz nun im Sommer vollzogen werden, löste keine gute Laune aus. Drei, vier WSC-Heimspiele gab der Spielplan noch her – und wie gehabt waren alle Wochenenden verplant. Aber, warte mal: An einem Samstag im Mai sollte es mit der schlechtesten Profi-Mannschaft Deutschlands nach Ingolstadt gehen und der Wiener SC trägt seine Heimspiele immer freitags aus!
Um beide Spiele auf den Plan zu kriegen, musste auf eine Unterkunft in Österreich verzichtet und in der Nacht der Flixbus bestiegen werden. Erstmal ging es aber auf dem Luftweg in die österreichische Hauptstadt. Bei bestem Wetter wurde durch den 1. Bezirk flaniert und irgendwann eine Straßenbahn nach Dornbach bestiegen. Viel zu früh am Ground bot es sich an, das Stadion einmal zu umrunden. So sieht urbaner Fußball aus – eingerahmt von Häuserzeilen, Straßenbahnen, Bierständen und dem berühmten Friedhof.
Seitdem der Wiener „Pressefotograf“ vor zwei Jahren eine Mitfahrgelegenheit nach Krems angeboten und vor Neuerungen beim WSC gewarnt hatte, stand der Ground doch recht weit oben in der Liste. Außerdem lief man in Tschechien mal dem Nummer-1-Fan der Wiener über den Weg. Eben jener Edelfan war dann auch der erste Mensch, den man im Ground begrüßen durfte. Da noch eine knappe Stunde bis zum Spielbeginn verblieb, fiel der Gastro-Test vor Ort ein bisschen üppiger aus. Schnitzelbrötchen und Käsekrainer konnten dem knurrenden Magen Abhilfe leisten. Auch das „Ottakringer“ wurde an diesem Abend immer mal wieder aufgefüllt, schließlich galt es eine angenehme Reisemüdigkeit für die Busfahrt zu erreichen…
An dem Stadion bröckelt es an jeder Ecke. Die blaue Hintertortribüne sieht noch relativ frisch aus, doch selbst die war beim letzten Spiel gesperrt. An diesem Spieltag fanden sich angeblich die Gästefans auf dem Stand ein. TWL Elektra – was sich anhört wie der Künstlername einer Porno-Darstellerin bedeutet übrigens „Team Wiener Linien“. Wenn es sowas wie „Stadion-Erotik“ gibt, dann ist der Sportclub-Platz sicher das Eros-Center von Wien. Die Haupttribüne hatte bis vor zwei Jahren noch ein Dach. Die Holzbänke sind zum Glück geblieben. Und „oben ohne“ passt sowieso besser zum Eros-Center. Der berühmteste Stand ist mit Sicherheit die „Friedhofstribüne“ hinter dem Tor. Hier steht der ziemlich alternative WSC-Mob und in der Tribüne befindet sich die Fan-Kneipe „The Flag“. Unverkennbar auch das Graffito „Home Is Where The Graveyard Is“. In dem Spiel gegen TWL ging es eigentlich um nichts mehr, doch eine volle Friedhofstribüne und die Gesamtkulisse von fast 3000 Zuschauern ließ aufhorchen.
Auch spielerisch brachte die Drittliga-Partie deutlich mehr Spaß als die ganzen vergleichbaren Spiele mit Deutschlands schlechtester Profi-Mannschaft. Beide
Teams hatten viel Zug zum Tor, immer wieder ging ein Raunen durch das Stadion bei den Angriffen. Der Wiener SC konnte noch vor der Pause einen Rückstand drehen und 2:1 lautete auch der Endstand. Das war wirklich geerdeter und authentischer Fußball. Man hätte noch stundenlang zusehen können, wie sich die Spieler in den übereifrigen Zweikämpfen aufrieben und immer wieder in den Vorwärtsgang schalteten, obwohl es auf dem Papier um nichts mehr ging.
Nach dem Spiel wurde „The Flag“, die Kneipe, aufgesucht. Die angestrebte Müdigkeit konnte spielerisch erreicht werden. (mm)









