SC Paderborn 07 – 1.FC Köln – 1:2
„MINIMALISLMUS MIT BEATE UND ILONA“
06.03.2020
Benteler-Arena
Zuschauer: 15.000
PADERBORN – Ganz genau hatte ich unter der Woche die Ohren gespitzt. Das Thema in den Nachrichten: „Corona“. Das Virus hatte Italien fest im Griff. In der Schweiz wurden bereits alle Veranstaltungen abgesagt und auch Dänemark zog am letzten Februar-Wochenende nach. In Deutschland trat COVID-19 bis dahin nur vereinzelt auf – lediglich dem Kreis Heinsberg wurde von den Medien besondere Beachtung geschenkt. Zu diesem Zeitpunkt dachte man noch, dass das Virus ein regionales Problem ist – und bleiben würde. Ein paar Mal stand ich vor einer Deutschland-Karte und wusste nicht so recht, was ich von der räumliche Entfernung zwischen Heinsberg und Paderborn halten sollte. Sobald es zur vollen Stunde schlug und die Radio-Nachrichten die üblichen Schreckensmeldungen verkündeten, drehte ich die Lautstärke nach oben. Kaum zu glauben, aber wahr: Ab Mitte der Woche wanderten Corona-News nach hinten, das heißt: Das Thema verlor an Wichtigkeit. Und meiner Reise am ersten März-Wochenende stand schließlich nichts mehr im Weg. Bundesliga, Premier League und Oberliga Westfalen, so der Plan.
Ursprünglich wollte ich für dieses Wochenende so viel Geld wie möglich einsparen, das Motto lautete: Low Budget. Doch als sich dann sowohl eine Möglichkeit für das Bundesliga-Spiel am Freitag in Paderborn ergab, als auch einem Premier-League-Spiel in London tags darauf beizuwohnen, konnte ich mich dank der recht hohen Ticket-Preise von dem totalen Minimalismus bald verabschieden. Bei Paderborn bekam man nur Tickets für das Spiel gegen Köln, wenn man bereits Bestandskunde im Online-Shop der Ostwestfalen war. Wie immer wurde ich bei eBay Kleinanzeigen fündig. Das Angebot dort war aber ausgesprochen rar: 27 Euro und damit 10 Euro über dem offiziellen Preis – eigentlich nicht so das Problem. Für einen Stehplatz aber schon ein stolzes Sümmchen, zumal ich die aufgerufene Zahl vom Schwarzmarkthändler noch drücken konnte. Das Premier-League-Ticket für den doppelten Preis, schien da schon eher eine Belastung für das Budget zu werden.
Um trotzdem an einem Minimalismus-Gedanken festzuhalten, probierte ich es als Fahrer mal bei bei „Blablacar“ aus – und siehe da: Junge Frauen rissen sich darum, mit mir zusammen in den Westen zu fahren! Sowohl auf der Hin- als auf der Rücktour, hatte ich nette und gesprächige Begleiterinnen an Bord. Alle waren sie jünger als ich, vermutlich in der 20ern. Kurioserweise hörten zumindest zwei von ihnen auf Namen, die auch in den 20ern beliebt waren – in den 1920er-Jahren: Beate und Ilona.
Im Dauerregen geht es nach Paderborn. Auf meine Frage zu Beate, ob sich ein Abstecher in das Zentrum der Stadt lohne, vernehme ich leises Gekicher. Die junge Frau stammt aus Bad Driburg und kennt sich aus. Da ich mich nach Ankunft noch um ein paar andere Dinge kümmern muss, erledigt sich eine Sightseeing-Tour durch Paderborn mangels Zeit ohnehin schnell. Ich glaube, das ist nicht weiter tragisch. Die Stadt wird ja nicht umsonst „Paderboring“ genannt. Und der erste Eindruck bestätigt das eindrucksvoll – Regengrau und Ostwind beflügeln die Fantasie auch nicht gerade. Aber ich werde das gerne nochmal nachholen – wenn über Paderborn und dem Rest der Welt wieder die Sonne scheint.
„Die erste Corona-Paranoia?“
Vor dem Spiel gab man mir einen Parkplatz-Tipp: Vom Nixdorf-Betriebsgelände fahren Shuttle-Busse zum Stadion. Im Bus steht man eng an eng. Die Stimmung ist gediegen. Ich habe das Gefühl, so wirklich glücklich wirken die Fahrgäste bei der körperlichen Nähe in diesen Zeiten nicht. Die erste Corona-Paranoia? Im Bus kommt trotzdem bei weitem keine Platzangst auf. Nach fünfminütiger Fahrt erreicht man die „Benteler“-Arena, die auf der grünen Wiese steht, im Dunkeln mit blauer Beleuchtung aber einen schicken Fixpunkt liefert. Das Stadion ist eine kleine Fertigbau-Arena, heute nichts Besonderes mehr. Das heißt: Langweilig, aber mit dem Komfort der Neuzeit. Im Stadion fällt auf, dass man die Tribünen nur durch innenliegende Treppen erreicht und das Spiel so aus einer erhöhten Position verfolgen kann. Die Zäune um das Spielfeld unten sind abgeklebt, ähnlich wie oft in Holland der Fall. Durch die hohen Stadionwände wirkt der Ort viel größer als er eigentlich ist. Warum nicht? Negativ bleibt mir die SCP-Behausung irgendwie nicht in Erinnerung. Auf Seiten der Haupttribüne wird das Stadion zur Zeit (von außen) etwas umgebaut.
Als Aufsteiger belegt der SCP aktuell den letzten Platz. Das konnte man erwarten. Dennoch stellt die Truppe von Steffen Baumgart eine Bereicherung für die Liga dar. Denn bei dem offensiven Spielstil kommt keine Langeweile auf und so feierte der Aufsteiger zuletzt einige Achtungserfolge – beispielweise verlor man das Spiel bei den Bayern vierzehn Tage zuvor erst in letzter Minute. Auch Köln in bestechend starker Form: Unter Neu-Trainer Markus Gisdol mit drei Siegen in Folge und damit weit weg von den Abstiegsrängen. Die Paderborner bilden auf ihrer Stehplatztribüne, die nach dem Möbelhaus-Patriarchen Wilfried Finke benannt ist, zunächst gar keine schlechte Einheit. Die etwas schrullige Vereinshymne wird durch die Bank weg mitgesungen. Eine kleine Ultra-Gruppierung, die nicht viel auf die Reihe kriegt und mit Bässen aus dem Ghettoblaster die Kurve desorganisiert, zerstört in der Folge aber Hoffnungen auf einen einheitlichen Support der heimischen Fans. Der Kölner Auswärtsblock ist pickepackevoll. Mit Doppelhaltern in beeindruckender Zahl und etwas Pyrotechnik, zelebrieren die Domstädter ein schönes Intro. Auf beiden Seiten wird im Laufe der Partie halbherzige Kritik an Dietmar Hopp geübt, der an diesen unbesorgten Tagen Anfang März überall im Fadenkreuz der Fans steht, weil u.a. in Sinsheim bekanntlich ein Spiel gegen die Bayern nach Fan-Kritik am Hoffenheimer Mäzen unterbrochen wurde. Highlight ist in diesem Zusammenhang ganz klar der Wechselgesang zwischen Paderborn und Köln Mitte der zweiten Halbzeit: „Scheiß DFB!“.
Das Spiel kommt schwer in die Gänge, aber schon bald zeichnet sich etwas ab: Die Hausherren haben nicht ihren besten Tag erwischt. Die Baumgart-Elf greift den Gegner früh an, kommt zu einigen Ballgewinnen, agiert im Spiel nach vorne aber viel zu ungenau. Was wiederum zu Ballverlusten und unverhofften Umschalt-Situationen für Köln führt. Irgendwann agiert Paderborn verunsichert und der FC hat den SCP „ausgelesen“. Geschickt wird der Gegner aus der Reserve gelockt, die Rheinländer nutzen die naive, fehlende taktische Flexibilität des Aufsteigers und den dargebotenen Raum für dominantes Vorwärtsspiel. Dennoch benötigt die Geißbock-Elf erst einen Eckball für die Führung: Jorge Meré trifft abseitsverdächtig, doch völlig regelkonform in die Maschen. In Folge einer Konter-Situation schließt DFB-Verteidiger Jonas Hector wenig später einen gekonnten Offensivspielzug mit einem sehr sehenswerten Schuss in den Giebel ab. Das wird schwer für die flinken, aber wirkungslosen Paderborner.
Natürlich kommt die Heimelf nach der Pause motiviert auf den Rasen zurück. Doch ansehnlichen Fußball bringt man nichts auf’s Grün. Das gilt allerdings auch für die Kölner, die offensiv gar nicht mehr am Spiel teilnehmen. Mit beherzten Zweikämpfen und dem Willen eines Außenseiters, kämpft sich der Aufsteiger dennoch in die Partie zurück. Und spätestens nachdem Dennis Srbny per Kopf zum Anschluss trifft, entwickelt sich ein spannendes und rasantes Spiel. Köln verpasst in Person von Anthony Modeste die Vorentscheidung: Der Franzose tanzt zunächst Leopold Zingerle aus, kriegt den Ball aber nicht im leeren Tor unter. Paderborn ist definitiv am Drücker, kurz vor Schluss landet ein fulminanter Distanzschuss nur an der Latte – am Ende soll es nicht sein. Ein Unentschieden wäre verdient gewesen und trotzdem geht der Kölner Sieg auch irgendwie in Ordnung. Komisches Spiel, aber der SCP ist irgendwie auch ein besonderer Aufsteiger.
Die Fahrt zurück zum Parkplatz gelingt gleich mit dem ersten Bus und nicht mal 20 Minuten nach dem Abpfiff dieses Bundesliga-Spiels, fahre ich schon wieder auf der Autobahn meiner Unterkunft in Dortmund-Sölde entgegen. Für ein Bundesliga-Stadion war das leichte, bekömmliche Kost. Doch bei Paderborn weiß man nie – vielleicht wird der Ground ja irgendwann wieder für eine mögliche Komplettierung der Regionalliga West interessant? Und dann steht die „Benteler“-Arena lässig gekreuzt mit einem Bundesliga-Spiel in meiner Statistik. Noch dazu mit dem letzten Heimspiel vor Zuschauern – für eine sehr lange Zeit.
Fortsetzung folgt…




