VfB Lübeck – 1.FC Saarbrücken – 1:1

VfB Lübeck – 1.FC Saarbrücken – 1:1

„EINE KERZE FÜR DEN VfB“

19.09.2020

3. Liga

Dietmar-Scholze-Stadion an der Lohmühle

Zuschauer: 1860

LÜBECK – Die Drittliga-Premiere der Hanseaten. Eine Woche vor dem Spiel wurde noch klipp und klar formuliert, dass die Landesregierung maximal 500 Zuschauer zu Sportveranstaltungen zulässt und vom VfB ebenso klar kommuniziert, dass an dieser Regelung nicht zu rütteln sei. Also verplante ich mein Wochenende nahe der Müritz, bei meiner eingeheirateten Familie. Den Sonnabend hielt ich mir dennoch frei – man weiß ja nie. Alles was man in Corona-Zeiten weiß, ist, dass man nichts weiß. Und tatsächlich öffnete die Landesregierung am Dienstag die Schleusen für mehr Zuschauer. Der VfB würfelte am Donnerstag die Mindestkapazität von 1860 Zuschauern aus. Das bedeutete: Mehr Tickets als Mitglieder/Dauerkarteninhaber. Sprich: Ein freier Verkauf stand bevor. Von dem Zeitpunkt an war klar, dass ich den Aufenthalt bei der Oma meines Sohnes würde unterbrechen müssen. Fast 17 Jahre in denen es Niederlagen gegen den BSV „Schwarz-Weiß“ Rehden und den Zipsendorfer FC Meuselwitz hagelte. Immer windig, oft alleine. Diese Belohnung jetzt, musste ich mir abholen. 24 Stunden später hatte ich mein Ticket.

Sinnbildlich: Von Wind und Regen keine Spur – bei bestem Spätsommerwetter empfangen die Grün-Weißen den Mit-Aufsteiger aus Saarbrücken. Die Stehplätze auf den Hintertorseiten bleiben zu, die Schar verteilt sich auf die beiden Sitzplatztribünen. Vor der Haupttribüne hat man ein zweistöckiges Container-Dorf errichtet, das nun alle Kassen abhandelt und den neuen Fanshop beherbergt. Auf der zweiten Etage prangt ein neuer Stadionname an der Außenwand: Dietmar-Scholze-Stadion an der Lohmühle. Dem ehemaligen Präsidenten der Hanseaten wird diese Ehre zunächst für ein Jahr posthum zuteil. Der Einlass zum Stadion erfolgt in gebührenden Abständen, die privaten Sicherheitsleute kennen keinen Spaß. Und als ich die imaginäre, nicht-gekennzeichnete Stadiongrenze in die falsche Richtung verlasse, will man mich nicht wieder reinlassen. Dabei wollte ich nur kurz zum Fanshop. Ich will nicht um den heißen Brei reden: Der Betrieb vor dem Stadion geht mir jetzt schon auf den Sack. Alkoholische Getränke werden nicht ausgeschenkt, okay. Aber alkoholfreies Bier hätte es bei dem schönen Wetter auch getan. Fehlanzeige. Allerdings habe ich auf das ganze Prozedere auf dem Vorplatz – das Schlangestehen, Masketragen und Kontrolliertwerden – eh keinen Bock.

Drinnen dann ein anderes Bild. Die Haupttribüne war zu Regionalliga-Zeiten sicher nicht besser besetzt als heute und das durchmischte Publikum, das sich quer auf die Blöcke G1 bis G6 verteilt, macht einen durchweg motivierten Eindruck. Im Stadion sieht alles wie immer aus, mit einer Ausnahme und einer Ergänzung: Die Stehplätze zwischen Pappelkurve und Haupttribüne sind den Containern gewichen. Und hinter dem Gästeblock hat man eine digitale Anzeigetafel errichtet – die allerdings selbst aus der Ferne stark verpixelt wirkt und außer der Ergebnisanzeige nichts kann. Noch immer gibt es keine Uhr im Stadion – ob nun digital oder analog – das hat mich hier schon als Jugendlicher genervt.

Die grüne Mannschaft kommt auf den Platz, dreht eine Ehrenrunde und erntet stehende Ovation. Das Spiel kann beginnen! Die Elf auf dem Rasen und die Eintausendachthundertsechzig auf den Rängen sind sofort eine Einheit. Beeindruckend was eine halbvolle Tribüne so abliefern kann. Die Zeitung mit den großen Buchstaben schreibt nächsten Tag von einer „Gänsehaut-Atmosphäre“. Dazu trägt auch der frühe Führungstreffer von Patrick Hobsch bei, der den Ball irgendwie – ganz nach seiner Manier – über die Linie stochert. Danach verflacht das Spiel etwas, ohne dass man akut um die Führung fürchten muss. Ballgewinne und Chancen werden frenetisch gefeiert. Genau so hat sich jeder Besucher die Rückkehr in den Profi-Fußball vorgestellt! Die zweite Hälfte verläuft ähnlich, nur dass Grün-Weiß zwei, drei gute Chancen herausspielt und sogar ein Tor nachlegen muss – namentlich zu erwähnen sei hier Stürmer Elsamed Ramaj. Nachdem dies nicht gelingt, versiegt allmählich die beeindruckende Mischung aus Kraft und Konzentration bei den Hausherren. Infolge dessen muss man den Ausgleich der Saarländer schlucken. Fast genau so ein Kacktor wie auf der Gegenseite, denn ein Lübecker kann den Ball noch wegschlagen, bevor er das Netz berührt, so dass leichte Zweifel an dem Gegentreffer bleiben – das Endergebnis allerdings, spiegelt das Kräftemessen auf dem Rasen gut wider. Die 3. Liga ist kein Kindergeburtstag und für drei Punkte hätte man halt die zweite oder dritte Kerze nach der Pause anzünden müssen.

Abpfiff und es wird nach kurzem Beifall sofort die Kurve gekratzt. In der Halbzeit sah ich zufällig, dass man die Regionalliga-Premiere von Phönix Lübeck auf dem Buni nach hintern verlegt hat und doppelt hält nach der langen Corona-Pause in meiner fußballerischen Heimatstadt heute definitiv besser, so dass ich schnell zum nächsten Spiel eile. Außerdem ist mein Auftrag auf der Lohmühle für heute abgeschlossen. Fast 17 Jahre nach meinem letzten Profi-Spiel an diesem Ort bestimmen aktuell leider nicht nur sportliche Gesichtspunkte meinen fußballerischen Alltag. Man sieht sich in der Kreisliga wieder. Oder in zwei Wochen gegen Duisburg. Mal gucken.

mm