FSV Union Fürstenwalde – BFC Dynamo – 1:1
„(K)EIN PUNKT FÜR DIE MEISTERSCHAFT“
29.04.2022
Regionalliga Nordost
Zuschauer: 2076
FÜRSTENWALDE – Klar gibt es für den BFC Dynamo genug Lokalderbys in Berlin, aber ein Auswärtsspiel in Fürstenwalde ist beinahe schneller erreicht als die ganzen Auftritte im Westen der Stadt. War das der Grund, weshalb mindestens 1500 Weinrote den Weg in die Domstadt im Osten Brandenburgs fanden? Natürlich nicht, denn bei einem entsprechenden Punktgewinn in Fürstenwalde würde der Rekordmeister der DDR seinen größten Nach-Wende-Erfolg feiern können – die Meisterschaft in der Regionalliga Nordost, die ja gewissermaßen als Nachfolgerin der DDR-Oberliga angesehen werden kann. Ein elfter Meisterstern winkt für diesen Erfolg zwar nicht, aber immerhin die Aufstiegsspiele zur 3. Liga gegen den Vertreter der Nordstaffel – und die Teilnahme an einer Bundesliga wäre für den verrufenen Verein aus Hohenschönhausen wahrlich ein Riesenerfolg, nach all den Geschehnissen in den 90er-Jahren und danach.
Zunächst aber zu Fürstenwalde, schließlich wurde der Heimverein besucht und nicht der Tabellenerste, dort datiert ein erster Besuch des Autors bereits aus dem Jahre 2008. Rein äußerlich hat sich die Anhängerschaft der Ost-Berliner übrigens seitdem nicht verändert. Der FSV Union ging vor der Saison bereits in seine 7. Regionalliga-Spielzeit in Folge und hält sich eigentlich recht wacker mal im oberen und mal im unteren Mittelfeld der Liga auf. Dieses Jahr ist man allerdings in arge Abstiegsnöte geraten und belegt aktuell den ersten Platz über dem Strich. Drei Punkte vor Rathenow, wo man am nächsten Spieltag gastiert. Spannung war also geboten, auf der einen, wie auf der anderen Seite.
Beim ersten Anblick der Fanmassen im Stadion war kaum daran zu glauben, dass sich sonst im Schnitt nur 342 Zuschauer im schmucken Friesenstadion verirren. Die Union-Spielstätte ist schnell erklärt: Rundherum enge Stehplätze und eine überdachte Haupttribüne mit ein paar Sitzschalen. Reicht völlig und macht Spaß – wenn die Hütte denn voll wird. Aber das war am Freitag-Abend der Fall: Die BFC-Anhänger füllten die Hälfte des Stadions und das ziemlich prall. Über 30 Zaunfahnen wurden gezählt und man merkte, dass dieser Aufmarsch nicht unbedingt alltäglich war, denn organisierter Gesang oder Support über die ganze Breitseite gab es selten. Dennoch natürlich eine beeindruckende Kulisse und das Beste, was diesem verschlafenen Örtchen passieren konnte. Denn auch der hiesige Regionalligist mobilisierte weitaus mehr als die durchschnittlichen 342 Besucher. Der lose Haufen hinter dem Tor und auf der Haupttribüne machte nicht den Eindruck des Gelegenheitsbesuchers, ein bisschen Pöbel und abgegriffener Merch ließ eigentlich auf eine entsprechende Stammanhängerschaft aus einem gewissen Milieu schließen, daher verwunderten die vorherigen Besucherzahlen stark. Eine kleine Gruppe U18-Jungs hinter dem Tor war wohl tatsächlich ein bisschen auf Krawall gebürstet, so schien es.
Sogar ein Platzsturm der Auswärtsanhängerschaft stand für diese Partie im Raum, was natürlich nicht an den pubertären Jungs auf Fürstenwalder Seite lag, sondern an dem womöglichen Gewinn der Meisterschaft. Und da kommen wir zum Knackpunkt: Während es vor der Partie in den einschlägigen Gazetten hieß: „…ein Punkt reicht für den Titel“, sah man das auf Seiten der Berliner offenbar ein bisschen anders. Schlagen wir also den Bogen zum Spiel: Eine Partie, die nach recht flottem Beginn der Dynamos ein wenig abflachte und gegen Ende der 1. Halbzeit das halbe Stadion dank eines Kopfballs aus dem Nichts zum Jubeln brachte. 1:0 für Dynamo! Keine Ekstase, aber großer Jubel. Was folgte war eher Verwaltungsfußball, aber mit großem Einsatz und ein paar guten Momenten. Wichtig für die Gäste bis dahin jedoch: Fürstenwalde fand einfach nicht ins Spiel. Als die Kräfte bei den Weinroten in der Schlussviertelstunde schwanden, ergriff der Gastgeber allerdings sofort seine Chance und es dauerte nicht lange, bis man zum Ausgleich traf – wieder per Kopfball. Eine Schusschance kurz darauf ließ die Gäste gehörig zittern, ehe es in den Schlussminuten wieder Möglichkeiten für Dynamo gab. Spannung und Dramatik, die zuvor nur theoretisch existierte.
Das Endresultat wird allerdings beiden Seiten gerecht, könnte man meinen. Der BFC sichert sich die Meisterschaft und Fürstenwalde wahrt sein Gesicht, fährt überdies einen wichtigen Zähler im Abstiegskampf ein. Dann aber das: Nach dem Schlusspfiff feiert nur eine Mannschaft – Fürstenwalde. Betretenes Schweigen im Gästesektor, ein bisschen Abklatschen und sogar eine kleine Humba, aber keine Euphorie und schon gar kein Platzsturm. Offenbar will man sich die Party für Zuhause aufheben. Am Samstag empfängt man am vorletzten Spieltag mit dem Berliner AK mal wieder einen Spitzenklub von der anderen Seite der Stadt. Was soll da schon anbrennen, bei 6 Punkten und 15 Toren Vorsprung? Nichts, das Ding ist entschieden. Mein Tipp dennoch: Die Meisterschaftsfeier steigt am letzten Spieltag bei der VSG Altglienicke im Stadion am Wurfplatz – im Westen der Stadt. (mm)




