Foggia Calcio 1920 – SSD Latina Calcio 1932 – 1:0

Foggia Calcio 1920 – SSD Latina Calcio 1932 – 1:0

„EINE VERDAMMTE MINUTE!“

19.01.2025
Serie B
Stadio Pino Zaccheria
Zuschauer: 4.784

FOGGIA – Dass es in Foggia schon seit Wochen wegen dem Verband grummelte, lag auf der Hand. Am 13. Oktober vergangenen Jahres waren vier Ultras auf dem Weg von einem Auswärtsspiel in Potenza im Auto verunglückt und gestorben. Eine italienweite Gedenkminute wurde Foggia verweigert und es gärte rund ums „Stadio Pino Zaccheria“. Als nun, am vergangenen Wochenende, in den Stadien im Stiefelland eine Schweigeminute zu Ehren der 89-jährig verstorbenen Torwartlegende Fabio Cudicini abgehalten wurde, erreichte die Stimmung ihren Siedepunkt. Viele Fanszenen in Italien „crashten“ aus Protest die ehrenvolle Minute.

Foggia hatte an diesem Wochenende ein Auswärtsspiel in Monopoli. Zum jetzigen Heimspiel gegen Latina konnte man gespannt sein, ob die Proteste und „Scharmützel“ weitergehen. Zumal die „Curva Nord“ erst in diesem Jahr nach einem Stimmungsboykott wieder das Megafon zur Hand genommen hatte. Und es passierte was, so viel sei vorausgesagt. Nebenbei stand für beide Teams ein enorm wichtiges Match ins Haus. Ganz wichtige Punkte wurden verteilt, entweder für Latina auf dem erstmöglichen Abstiegsplatz oder Foggia, einen Rang höher.

Beinharter Abstiegskampf in der Serie C war vorprogrammiert. Und so fühlte es sich 90 Minuten an, was nicht zuletzt vom bröckelnden Charme der Spielstätte beflügelt wurde. In den 90er-Jahren war Foggia fester Bestandteil der Serie A. Brian Roy oder Dan Petrescu liefen für den Verein in der damals besten Liga der Welt auf. Die internationalen Stars sind längst verflogen, spätestens als Foggia nur wenig später in der Viertklassigkeit landete, waren sie alle weg. Was geblieben ist: Ein Stadion aus einer anderen Welt. Das „Pino Zaccheria“ ist eindrucksvoller Zeuge der italienischen Blütezeit im europäischen Klubfußball. Die Tifosi verteilen sich auf vier Seiten, zweistöckig, eng und steil ohne Ende. Überall tropft und gammelt es. Mindestens genauso präsent im Stadion wie die Curva Nord: Der Zahn der Zeit.

Gute Überleitung: Kommen wir zum Kurvenspektakel! Tatsächlich war alles auf den „Trauerprotest“ für die vier Ultras getrimmt: Michele, Gaetano, Samuele und Samuel – die verstorbenen Foggia-Ultras. Mit Plakaten und einem Schweigeprotest ging die Curva Nord ins Spiel. Nach kurzer Zeit pulverisierte ein brutaler Support die Stille und an der „Frontline“ gingen rote Lichter an. Das wiederholte sich mehrmals im ersten Durchgang. Zudem wurden ohrenbetäubende Kanonenschläge gezündet und Fackeln auf’s Spielfeld geworfen. So viel Thetralik man den Italienern immer vorwirft: Die Fackeln landeten zügig hinter der Linie und weiter ging es, ohne Unterbrechungen oder sonstigen Zinnober.

Gegenüber, auf der Curva Sud, klaffte in den ersten 45 Minuten ein Loch, das auf Stoff mit der Forderung „Canonico Vattene“ geschmückt war. Die Curva forderte den Kopf von Vereinspräsident Nicola Canonico. Nach der Halbzeit füllte sich die Tribüne und der Support verlagerte sich etwas mehr auf die „Sud“. In Foggia gibt es zwei Ultra-Gruppen auf der Nord- und auf der Südseite des Stadions. Auch hier Widmungen an die verstorbenen Jungs und Dauersupport. Insgesamt wurde 90 Minuten Alarm gemacht, gezündet und gesungen. Auch wenn es ein trauriger Anlass war, so kann man diese Szenerie nur als beeindruckend beschreiben.

Das übrige Publikum klatschte hin und wieder Beifall, sonst gab es kaum Reaktionen. Mit einer Ausnahme: Der Gästeblock! Latina flaggte mit Verspätung an, eine Busladung Ultras supportete die komplette Spielzeit solide durch und entrollte in der zweiten Hälfte ein Plakat mit der Aufschrift: „Michele, Gaetano, Samuele en Samuel – Ultras per sempre!“. Ultras für immer. Dafür gab es – zu Recht – Applaus aus dem ganzen Zaccheria. Übrigens das einzige Mal, denn beim Siegtor, kurz nach der Pause, quittierten die Ultras in der Curva Nord die Führung mit Pfiffen.

Auch verschwand die Heimelf nach dem Abpfiff zügig in den Katakomben, ließ sich nicht – wie üblich – von den Fans abfeiern. In Foggia brodelt es und vermutlich geht dieser Umstand weit über diese 1 Minute des Schweigens hinaus. „Hässliche Szenen in Italien“, würde es wahrscheinlich hierzulande aus den beitragsfinanzierten Medien gellen – wenn sie denn Kenntnis von dem Drama in Apulien hätten. Der Schwechheimer Landbote hingegen war hin und weg von so viel Ultra-Folklore und Fankultur. Und wenn es der Verband nicht hinkriegt, dann schweigen wir jetzt einfach mal alle nach Beendigung dieser Zeilen – eine verdammte Minute! Das ist so wichtig. (mm)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert