Roter Stern Lübeck – SV Viktoria 08 Lübeck II – 2:3

Roter Stern Lübeck – SV Viktoria 08 Lübeck II – 2:3

15.08.2019

Kreisklasse B Lübeck/1. Spieltag

Stadion Buniamshof – Kunstrasenplatz

Zuschauer: ca. 45

„DER KACKGROUND DES JAHRES – ODER: EINFACH NUR BOCK AUF FUẞBALL!“

LÜBECK – Der letzte von drei Vereinen, der seine Spiele vollmundig auf dem „Buniamshof“ – dem zweitgrößten Stadion Lübecks – ankündigt, sollte an diesem Donnerstag meine Aufmerksamkeit verdienen. Dass es um diese schöne Anlage herum so leer geworden ist, war mir bis dato nicht bewusst. Trug doch die U23-Elf des VfB Lübeck in der letzten Rückrunde einige Spiele auf dem „Buni“ aus und fungierte das Stadion auch als Heimat der DJK Lübeck. Geblieben ist einzig und allein Roter Stern. Der VfB ist zum Nebenplatz auf die Lohmühle zurückgekehrt, DJK hat aktuell keine Mannschaft gemeldet.

Der Ground liegt sehr stadtnah, direkt an der Trave, neben der Altstadtinsel und im Schatten des Doms. Eine Tribüne mit gezacktem Dach fällt ins Auge und viele alte Treppen und Stufen. Im Hintergrund die Kirchtürme der Stadt – das Stadion ist ein unterschätzter Hingucker. Bei der Lage des „Buni“ schlägt man in Verwaltung und Exekutive jedoch mehr und mehr die Hände über den Kopf zusammen. Na klar: Was vor 100 Jahren kein Problem war – Massenveranstaltungen vor Tausenden Zuschauern – könnte heutzutage auf so engem Raum das Jüngste Gericht auf den Plan rufen. Und so finden in dem Stadion höchstens unbeachete Leichtathletik-Events statt. Und halt so ein Kreisliga-Käse.

Für ein Spiel in der Kreisklasse – um korrekt zu bleiben – gibt es ausreichend Parkplätze direkt neben der Tribüne. Sensibilisiert von der Panikmache rund um die Platzknappheit in der Altstadt, suche ich mir vorher aber zu Unrecht lieber ein Parkplätzchen in einem nahen Parkhaus. Das kostet mich ein paar Euro, allerdings erhebt Roter Stern für diesen Kreisklasse-Schmankerl auch keinen Eintritt. Also, geschenkt. Es dauert, bis ich den Eingang zum Rund finde und auf dem Platz erspähe ich nur Läufer. „Fußball findet da hinten statt“, rufen die mir hinterher. Na, das war ja klar. Kreisklasse auf dem Nebenplatz. Herzlich willkommen auf dem Kackground des Jahres: Kunstrasen mit gelben Linien für den Fußball und weißen Markierungen für American Football. Der Platz sieht aus wie ein Schlangennest. Es sind über den Toren auch Field Goals aufgestellt. Roter Stern teilt sich den Platz mit den „Lübeck Cougars“. Und damit nicht genug: Direkt hinter dem Tor hat der „Kanu Club Lübeck“ seine Zelte aufgeschlagen und macht das in großen Lettern überdeutlich kenntlich. Fußball, Kanu, Football. Selten so einen beschissenen Platz gesehen. Fast schon wieder geil, wenn da nicht nebenan das Stadion sein Leichtathletik-Dasein fristen würde.

Bevor ich allerdings den American-Football-Kanu-Platz erreiche, verkrieche ich mich doch noch schnell im eigentlichen Stadion auf den überdachten Trainerbänken – der Himmel hat nämlich seine Schleusen geöffnet und es regnet in Strömen. Der Anpfiff rückt immer näher, aber da ich meinen Regenschirm vergessen habe, würde ich lieber die ersten Minuten verpassen, statt pudelnass zu werden. Über Ausbau geschweige denn Überdachung verfügt der Kunstrasenplatz selbstredend nicht. Die Regenhusche ist dann doch so schnell vorbei, dass es sogar noch für eine Bockwurst mit Ketchup vor dem Spiel reicht – Senf ist dem tapferen, aber schweigsamen Kiosk-Betreiber ausgegangen. Immerhin gibt es neben überteuertem Roter-Stern-Merch auch kaltes Bier und ein paar Schokoriegel.

Tapfer, weil sich zunächst natürlich kaum eine Menschenseele zu diesem Kick verirrt. Nach und nach werden es aber mehr Zuschauer. Und auf den zweiten Blick kristallisiert sich echtes Qualitätspublikum unter den Zuguckern heraus: Zahnlose Typen, Pils-Legenden und lustige Deutsch-Türken. In der zweiten Halbzeit verlasse ich meinen eigenbrötlerischen Platz fernab der Zivilisation und rücke immer näher an den Mob heran. Irgendwann zähle ich immerhin rund 50 Leute auf der Anlage. Das Spielgeschehen ist lange trostlos. Keiner hat eine rechte Idee, aber jeder kloppt gerne den Ball in den Abendhimmel. Als ein Mann eingewechselt wird, der vorher einsam seine Runden auf dem Grandplatz nebenan gedreht hat, kommt etwas Spielkultur auf die Plastikhalme. Und siehe da: Nach einer sehenswerten Aktion steht es irgendwann 1:0 durch den einsamen Läufer. Roter Stern erhöht sogar noch auf 2:0 und einem gelungenen ersten Heimspiel der Saison, steht nicht mehr viel im Wege.

Der Mob kommt auch immer besser in Fahrt. Es gibt einen echten Publikumsliebling bei den Roten: Hassan. Ein kleiner, wendiger Stürmer, dem fast jeder Ball vom Fuß springt. Nachdem Hassan ausgewechselt wird kommen die Jungs so richtig in Fahrt. „Wir wollen (den) Hassan sehen!“ krakeelt es in kunterbunten Tonfolgen immer wieder aus geölten Kehlen. Da der Chor trotz Countdown immer wieder etwas misslingt, sorgt die Forderung nicht nur bei mir für Heiterkeit. Die ganze Szene ist so lustig, dass ich mich am Ende sogar in der Laola-Welle für Hassan entdecke.

Irgendwann werde ich gefragt, warum hier bin, doch mir wird die Antwort schon vorweg genommen: „Weil du einfach Bock auf Fußball hast, oder?“. Besser hätte ich es nicht ausdrücken können. Da ändern auch die drei Viktoria-Tore in den letzten Minuten nichts dran. Erst sehenswert in den Winkel geschlenzt, das Siegtor dann aber über die Linie gestochert. Egal. Das Ergebnis ist nur Nebensache auf dem Nebenplatz. Und nach Field Goals hat Roter Stern das Ding immerhin mit 20:3 gewonnen.

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