Braunschweiger TSV Eintracht – 1.FC Saarbrücken – 2:2 n.V.
„AUGE IN AUGE. TOR UM TOR“
27.05.2025
Relegation zur 2. Bundesliga
Eintracht-Stadion
Zuschauer: 21.084
BRAUNSCHWEIG – Während es in der Relegation zur Bundesliga zum absoluten Newby-Duell zwischen Elversberg und Heidenheim kam, wurde für den letzten Platz in der 2. Bundesliga die Uhr auf 1963 zurückgestellt. Bereits am 3. Spieltag der allerersten Bundesliga-Saison trafen diese beiden Teams in Saarbrücken aufeinander. Die Partie endete am 7. September 1963 mit einem 2:2. Und wie sollte es anders sein: Saarbrücken stieg am Ende der Spielzeit ab. Ähnliche Vorzeichen nun also 62 Jahre später, auch wenn sich seitdem eine Menge getan hat.
Da die Strecke Schwechheim-Braunschweig in gut 2 Stunden zu absolvieren ist, entsendete man einfach mal eine Anfrage nach einem Ticket in die Löwenstadt und hatte Glück, dass sogar zwei Redakteure mit Eintrittskarten ausgestattet wurden. Braunschweig ist immer ein gutes Pflaster und so fand man sich schließlich anderthalb Stunden vor dem Anpfiff in der Guntherstraße wieder, wo im Herzen des Siegfriedviertels vor den BTSV-Spielen das Leben pulsiert. Die örtlichen Spätis und Kioske erhöhten noch schnell die Preise für die beliebte Wolters-Knolle von 1€ auf anderthalb Taler und schon konnte der Spaß losgehen. Jeder rechnete nach dem Hinspiel mit dem Klassenerhalt, dementsprechend wurde ordentlich „Wolti“ auf Vorrat gezapft.
Im Stadion auf den Rängen dann beide Seiten zunächst sehr bemüht, aber – ähnlich wie auf dem Rasen – ohne die große Durchschlagskraft. Bei Braunschweig zog sich ein Spruchband um die Kurve auf dem vielsagend stand: „Triumph und Tränen haben uns zusammengeschweißt“, dazu präsentierte die Südkurve eine gelb-blaue Zettelchoreo. Die wissen schon, wie sie die Gegebenheiten in dem eiförmigen Stadion nutzen können. Gegenüber gab die Choreo der Gäste etwas Rätsel auf. „Geduld in manchen Dingen“ war zu lesen. Immerhin wurde munter gefackelt. Mit zunehmender Spieldauer konnte man den Intro-Spruch der Saarbrücker nachvollziehen. Geduld musste man mit dieser doch eher limitierten Elf mitbringen. Die höherklassigen Braunschweiger gaben den Takt vor. Aber die zwei Tore aus dem Hinspiel wirkten sich aus. Es fehlte die letzte Konsequenz in Führung zu gehen.
Däumchen drehend dümpelt der Kick eine Stunde dahin, bis ein Handelfmeter für Saarbrücken die Wende einläutet. Den Rest hat sicher jeder vor den TV-Empfangsgeräten mitbekommen. Ausgerechnet Kai Brünker mit dem Tor für die Verlängerung und schon wurde der Spieß wieder umgedreht: Braunschweig nun mit einem Sturmlauf, viel Krampf und Schweiß und einem erzwungenen Tor Sekunden vor dem Seitenwechsel der Verlängerung, welches die Hamburger Straße zum Beben bringt. Nun erweckt auch Gästetrainer Alois Schwartz zum Leben, weil die Nachspielzeit um ein paar Sekunden überschritten wurde spielen er und seine Kollegen sich auf, nachdem der Gästetrainer 115 Minuten müde und verschlafen mit den Händen in der Hosentasche einen ratlosen Eindruck in seiner Coachingzone verbreitete. Dieser „Impuls“ von der Seitenlinie sorgt für den zweiten Platzverweis des Abends. Nachdem Calogero Rizzuto in der 90. Minute zum Duschen geschickt wurde, verbannt Schiedsrichter Tobias Stieler nun den Co-Trainer von Schwartz auf die Tribüne.
Es entwickelt sich ein Relegationsspiel, wie man sich es immer wieder ausmalt. Peitschender Regen prasselt unaufhörlich auf das Blechdach des Stadions, der Zeiger auf der Uhr nähert sich der Tagesgrenze, alle Zuschauer stehen von ihren Sitzen auf. Jedes Jahr dasselbe, aber davon wird man einfach nicht satt. Ein wahrer Fußball-Krimi an der Hamburger Straße und noch weiß niemand wer der Mörder sein wird. Die Gäste drücken auf das nächste Tor, wachsen in Unterzahl über sich hinaus, scheitern an einem glänzend aufgelegten Torwart mit dem schönen Namen Ron-Thorben Hoffmann. Der Stich ins Herz und das abrupte Ende der Show dann natürlich durch Ryan Phillippe, der vor einem Wechsel zu Mainz 05 steht und an dem sich an diesem Abend die Geister scheiden. Sein großes Talent wirkt tatsächlich irgendwie gehemmt in diesem Spiel. Es ist ein Ende wie es im Drehbuch steht, in diesem Krimi mit Überlänge, in dem Triumph und Tragödie sich Auge in Auge gegenüberstanden und Tor um Tor der Geschichte immer wieder einen anderen Ausgang gab.
Naja, wollen wir mal nicht zu philosophisch werden. So sehr die Saarländer nun die Legende vom gebeutelten Drittligisten bemühen, eine halbe Stunde Power-Fußball reicht jedenfalls nicht aus für den Sprung in die 2. Bundesliga. Bei allen Emotionen muss man eben auch festhalten, dass sich in zwei solcher Spiele über mindestens 180 Minuten vermutlich fast immer die bessere Mannschaft durchsetzt und das war – summa summarum – der Zweitligist aus Braunschweig. In der Bundesliga-Premieren-Saison 1963/64 war das ähnlich, denn die Rückrunden-Begegnung im März 1964 gewann die Eintracht mit 3:1, so dass nach Hin- und Rückspiel ein Zwei-Tore-Vorsprung für Braunschweig in der Statistik stand. Tradition since 1963. (mm)










