FC Den Bosch – BV De Graafschap – 2:2

FC Den Bosch – BV De Graafschap – 2:2

„KURVENÜBERFALL MIT FANFAREN“

04.10.2024
Eerste Divisie
Stadion De Vliert
Zuschauer: 6.936

‚S-HERTOGENBOSCH – Verzichten wir an dieser Stelle auf die übliche Einleitung, das Beleuchten der Klubhistorie und so weiter. Der Regelspieltag in der zweiten niederländischen Division erlaubt Freitag für Freitag eine große Auswahl an Spielen. An diesem ersten Oktober-Freitag fiel die Wahl auf Den Bosch. Geografisch gut für die kleine Fußball-Reisegruppe gelegen und von der Graafschaper Fanszene „De Superboeren“ erhoffte man sich soliden Support. Nach dem Beschluss das „Stadion de Vliert“ zu besuchen, wurde bei der Recherche nicht mehr großartig in die Tiefe gestochen. Vielleicht gerade weil der FC Den Bosch einer der durchschnittlichsten Zweitligisten überhaupt in Holland ist.

Die Stadt in Nord-Brabant war ewig nicht in der Eredivise vertreten, zuletzt vor knapp 20 Jahren. Im Unterbau dümpelt man seit einer halben Ewigkeit herum, hatte mit dem Aufstieg wenig zu tun und absteigen kann man im niederländischen Liga-System eh nicht. Das Stadion ist eine klassische Zweitliga-Hütte in Holland. Vier verschiedene Tribünen, Kunstrasen, knapp zehntausend Leute passen rein. Es gab eigentlich nur eine Sache, die dieses Spiel interessant machte. Und das war ein möglicher Titelgewinn. Am 9. Spieltag. Dafür musste aber alles mitspielen. Der Konkurrent aus Helmond durfte nicht gewinnen und Den Bosch selbst den Tabellenvierten aus Doetinchem in Schach halten.

Aber warum um alles in der Welt kann man mitten in der Saison Titel gewinnen? Holland war da schon immer anders. Siehe das geschlossene Teilnehmerfeld in der Liga ohne Absteiger. Neben den beiden Direktaufsteigern, gibt es in der Liga ein Play-Off-System, das in einem Relegationsspiel mit dem Sechszehnten der Eredivisie mündet. Die Play-Off-Spiele zuvor tragen die Ränge 3 bis 8 aus. Nun wird die Saison nochmal in 4 Perioden aufgeteilt – und jeder der 4 Periodenmeister hat einen Platz im Play-Off bereits sicher. Von dem System kann man halten, was man will – aber: Keine schlechten Aussichten nach dem 9. Spieltag.

Natürlich hatten wir keine Ahnung, was an diesem Abend auf uns zukam. Wir sahen ein gutes Zweitligaspiel, in dem die Gäste zielstrebiger nach vorne spielten und nach einer guten halben Stunde in Führung gingen. De Graafschap hätte die Führung noch ausbauen können. Den Bosch war irgendwie seltsam nervös. Warum auch immer. Schon das Intro der Heimfans war sehr euphorisch. Wir konnten uns keinen Reim drauf machen. Das Schauspiel ging weiter: Ein Stürmer mit dem eigenartigen Namen Vieri Kotzebue wurde eingewechselt und traf per Doppelschlag in der Schlussviertelstunde zur Führung, was in einem bombastischen Torjubel gipfelte. Niederländische Durchschnittsspiele können ganz gut sein.

Der Siedepunkt dann unbestritten in den letzten Zuckungen der Partie. Die Gäste köpfen in der 90.+5. Minute zum Ausgleich ein. Anschließend Abpfiff, Platzsturm, es fliegen Gegenstände in und aus dem Gästeblock. Aber nicht nur die Szene stürmt den Platz. Auch „Mama & Papa“ krabbeln die Zäune hoch und gemeinsam herzt man die Spieler. Außerdem starten hinter den Tribünen Raketen-Kaskaden in die Höhe. Ein Kurvenüberfall mit Fanfaren? Das ist selbst für Holland des Guten zu viel.

Irgendwas konnte da nicht stimmen, weshalb sich Teile der Redaktion kurze Zeit später auf dem Spielfeld wiederfanden. Es dauerte, bis sich der Kunstrasen leerte. Da man in dem Trubel folgerichtig als Berichterstatter eingestuft wurde, durfte man auf dem Grün bleiben und den Höhepunkt des Abends fotografieren: Die Pokalübergabe für den I. Periodenmeister der „Keuken Kampioen Divisie“ 2024/25. Herzlichen Glückwunsch aus der Redaktion für diesen Meilenstein der Fußballgeschichte. (mm)

SC Cambuur-Leeuwarden – FC Den Bosch – 3:2

SC Cambuur-Leeuwarden – FC Den Bosch – 3:2

30.08.2019

Keuken Kampioen Divisie/4. Spieltag

Cambuurstadion

Zuschauer: 7242

„FLOODLIGHT-FRIDAY. GEIL!“

LEEUWARDEN – An meinem Geburtstag wollte ich mir mal was gönnen und bastelte mir einen Kurztrip ins geliebte Nachbarland zusammen. Da ich Freitag-Abend gerne ein Spiel sehen wollte und vor 14 Uhr kein Loskommen möglich war, hielt sich die Auswahl in Grenzen. Holland/Friesland war ein guter Kompromiss. Trotzdem war das Vorhaben gut auf Kante genäht, denn unter Zeitdruck die Großstädte Hamburg, Bremen und Groningen auf dem Verkehrsweg an einem Freitag-Nachmittag zu passieren, kann schon mal in einem Himmelfahrtskommando enden. Die Befürchtungen sollten sich teilweise bewahrheiten und so verbrachte ich stabile fünfeinhalb Stunden meines Geburtstages in einer Blechkapsel auf der Autobahn. Zeitweise schweigsame Stimmung im Auto, denn die Ankunftszeit pendelte sich zwischendurch bei einer Viertelstunde vor Anpfiff ein.

Nachdem sich ein Stau um Groningen dann aber zur Real-Zeit aufgelöst hatte, beruhigte sich die Lage und gut 40 Minuten vor dem Anpfiff konnte man mich erfolgreich auf dem „Cambuurplein“ vor die Autotür setzen. Wenn man sich erst noch den Ticketschalter suchen muss und nicht weiß, wie groß der Andrang und wie gut die Organisation ist, kann man da schon mal ins Schwitzen geraten. In Frankreich habe ich mich mal eine Stunde vor Spielbeginn in die Kassenschlange gestellt und war erst 10 Minuten nach dem Anpfiff im Stadion. Bezüglich Leeuwarden kann ich aber beruhigen: Einmal kurz nachgefragt, sofort als Groundhopper entlarvt, und schon entdecke ich den Ticketschalter. Vier verschiedene Fenster für vier verschiedene Tribünen. Bei der Gegentribüne, die ich mir vorab als Ort ausgesucht hatte, steht nur eine Person an. Ich frage auf Englisch, ob ich hier richtig bin für einen Platz auf der ausgewählten Tribüne und mir wird in bekannter Mundart entgegengeschmettert: „Sprichst du auch Deutsch?“.

Beim Eingang stehen ein paar lustlose Ordner mit QR-Scannern, der Andrang hält sich in Grenzen. Ohne Anstehen kommt man ins Innere, obgleich das Stadion zu drei Vierteln belegt ist. Zum Stadion muss ich sagen, wenn „De Adelaarshorst“ von den Go Ahead Eagles aus Deventer als das Groundhopping-Stadion schlechthin in Hollands Unterklasse besungen wird, steht das „Cambuurstadion“ der Behausung der Eagles in nichts nach. Das Stadion ist fast genauso aufgebaut. Vier verschiedene Tribünen, unnachahmliche Stahlrohr-Flutlichter, neue Haupttribüne. Bringt Spaß, ist nah dran. Zudem ein begeisterungsfähiges Publikum und eine Mannschaft mit Ambitionen. Floodlight-Friday. Geil! Vor der Gegentribüne gibt es Live-Musik, der Getränkeausschank nennt sich „Biergarten“. Typisch Holland ist aber auch, dass in der Haupttribüne ein „Aldi“ integriert ist. Die Kleinstadt-Jugend vertreibt sich mit billigem Dosenbier aus dem Discounter die Zeit bis zum Anpfiff. Ich gönne mir jeweils ein großes Pils im Stadion, das in der 1. Halbzeit 4,50€ kostet und in der 2. Halbzeit nur noch 3,50€. Ich vermute einen Fehler des Personals, vielleicht aber auch ein anonymer Geburtstags-Bonus.

Die Begegnung ist nicht das grad Schlechteste, was die „Keuken Kampioen Divisie“ zu bieten hat. Beide Teams letztes Jahr in oberen Gefilden unterwegs, Den Bosch in der Rückrunde teilweise sogar Tabellenführer. Cambuur hat nur wenige Spielzeiten in der Eredivisie verbracht, am ganzen Stadion hängen großformatig-nostalgische Bilder von Erstliga-Spielen gegen Ajax‘ Goldene Generation. Dennoch sind beide Teams mäßig in die Saison gestartet. Die Friesländer jedoch zuletzt in guter Form und einem 5:0 gegen besagte Eagles. Cambuur macht sofort Druck und auch das Publikum ist zur Stelle. Schon nach ein paar Minuten klingelt es im Tor der Gäste. Aus der Kategorie „Scheißtor des Monats“: Abgefälscht und reingestoplert, aber Führung ist Führung. Das Heimteam kann den Schwung in die erste Hälfte der ersten Hälfte mitnehmen, erreicht aber nichts Zählbares. Nachdem Den Bosch mit der ersten guten Aktion nach einer runden halben Stunde fast den Ausgleich markiert, ist Leeuwarden plötzlich total von der Rolle. Die taktische Ordnung geht flöten und ein Gästespieler drückt eine Direktabnahme am Mittelpunkt sehenswert zum Ausgleich über die Linie. Die rund 200 Gästefans machen sich erstmalig bemerkbar.

Im zweiten Abschnitt müht sich Cambuur in Ballbesitz, findet aber immer besser in die Partie. Für die erneute Führung sorgt allerdings ein Elfmeter. Das Publikum ist euphorisiert und peitscht das Team weiter nach vorne. Hinter dem Tor befindet sich ein Stimmungsblock, der ganz gut Krach macht. Das Stadion ist so kompakt, dass die Begeisterung schnell überschwappt. Nur ein paar Minuten später trifft Doppeltorschütze Robert Mühren mit einem Kontakt mühelos zur vermeintlichen Vorentscheidung. Nun ist Den Bosch wieder am Zug, denen man ansieht: Wenn sie kommen müssen, haben sie Qualität. Wiederum nur Minuten später steht es nach toller Einzelleistung nur noch 3:2. Im Nu hat man eine packende Schlussphase, in der Cambuur nach einem Konter in der Nachspielzeit unbedingt den Deckel hätte drauf machen müssen. Macht nichts, reicht am Ende trotzdem.

Nach Abpfiff stehen wieder mal alle Tore und Türen zum Ground auf und man kann mutterseelenallein in dem von Flutlichtern beleuchteten Stadion herumspazieren. Anschließend geht es per Fußmarsch die gut 30 Minuten zur Bleibe zurück. Einmal quer durch die Stadt. Natürlich wird noch noch einer anständigen Frituur in der Innenstadt Ausschau gehalten. Und als ich mit meiner „Frikandel Speciaal“ an diesem letzten schönen Sommerabend des Jahres auf einem Treppchen am Binnenhafen hocke, bilanziere ich, dass ich schon deutlich schlechtere Geburtstage erlebt habe.