FC Dinamo Brest – FC Isloch Minsk Raion – 1:2
„LÄNDERPUNKT MIT DER BRECHSTANGE“
30.05.2025
Vysheyshaya Liga
Stadyen DASK Brestski
Zuschauer: 9.341
BREST – Da liegt ein doch recht großer Staat in Europa und der Länderpunkt war immer noch nicht gemacht. Dabei ist die Republik Belarus eigentlich gar nicht so weit weg. Jedoch lässt der Parameter Politik die Sache zur Herausforderung, aber auch zum Abenteuer werden. Die Ausgangslage ist momentan sicher nicht die beste. Flugverbindungen zwischen Belarus und der EU sind seitens Brüssel untersagt und für den Landweg kursieren nur schwierig recherchierbare Routen mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Dazu stellt der Grenzübertritt EU/Belarus beziehungsweise auch der damit verbundene Wechsel zwischen dem Europäischen Wirtschaftsraum und der Eurasischen Wirtschaftsunion zwei Aspekte dar, welche die Ein- und Ausreise zu einer Lotterie des Zeitaufwandes machen. Eine ausreichende Versorgung sowie ein potenziell immens langer Geduldsfaden sollten folglich als Grundausstattung dieses Unterfangens eingepackt werden.
Allen Ungewissheiten und Querelen trotzend stand der Plan unserer Dreiergruppe, es über das Himmelfahrtswochenende dennoch irgendwie zu schaffen, aber fest. Mittwochmorgens vorm Feiertag, und mit allen eventuell erforderlichen Formalien ausgestattet, peitschte das Privatfahrzeug die knapp über 1000 km zum Grenzübergang Terespol/Brest. Als Einzelperson mit deutschem Pass sind die Hürden der Einreise auch gar nicht so hoch, da die Visapflicht für Weißrussland aktuell ausgesetzt ist. Lediglich eine das Zielland abdeckende Krankenversicherung in englischer oder russischer Sprache wird zusätzlich verlangt, welche aber auch für rund einen Euro pro Aufenthaltstag an der Grenze abgeschlossen werden kann. Für den fahrbaren Untersatz selbst kamen allerdings ein paar mehr Formalien hinzu. So musste ein professioneller Gutachter den Führerschein ins Russische übersetzen, eine Maut entrichtet werden und, wie auch sonst fast überall außerhalb der EU, der nette Aufkleber mit dem schwarzen „D“ auf weißem Grund ans Auto gepfeffert werden. Da Weißrussland außerdem 2022 von der Grünen Versicherungskarte gestrichen wurde, fehlte noch die örtliche KFZ-Versicherung, welche allerdings auch nur an der Grenze selbst abgeschlossen werden kann. Die Hausaufgaben waren also gemacht und auch die Wahl des Grenzübergangs hatte seinen erzwungenen Grund. Die polnische Grenze liegt nun mal am nächsten und hat eigentlich auch sechs Übergangsoptionen zum östlichen Nachbarn. Blöd ist dabei nur, dass seitens Polen zwei Drittel der Grenzposten verrammelt wurden, einer lediglich für LKWs bestimmt ist und man somit nur noch eine Option in der Hand hielt.
Gegen halb 9 abends reihte man sich schließlich in die Warteschlange ein und musste nach gut drei Stunden konstatieren, dass es nur rund 15 Autolängen voran ging, während Busse auf dem Parallelstreifen munter und zumindest bis zum ersten sichtbaren polnischen Grenzposten vorbeifuhren. Die Anekdote eines ebenfalls wartenden Russen, welcher sich auf dem entspannten Heimweg Hof – Sibirien befand, am letzten Weihnachten satte zwei Tage in Richtung Polen an der Grenze abgeschimmelt zu haben, brachte auch nicht die erforderliche Euphorie in unser Gefährt. Schließlich wurde erstmal das Handtuch geworfen, eine Buchte in Terespol spontan bezogen, das Auto links liegen gelassen und es am nächsten Tag noch einmal per Bus probiert. In unerfahrener Naivität buchte man auch noch online einen Bus, welcher am allgemeinen Abfahrtsort, dem Bahnhof Terespol, jedoch nicht auftauchte. Klar, Fahrpläne für Busse, welche nur über diese unberechenbare Grenze hin und her pendeln, kann man auch einfach in die Tonne treten. Es kam irgendwann zwar ein Bus, doch hatte dessen Fahrer nach einem achtzehnstündigen Grenzübertritt einfach nicht die Muße sofort wieder zurückzufahren. Nach insgesamt zweieinhalb Stunden fand sich dennoch eine Mitfahrgelegenheit für 20 Euro pro Nase (andere Unternehmen riefen lediglich 50 Złoty auf). Kurz vor der Grenze erspähte man noch einen üppigen Parkplatz und gut fünfzehn Leute bestiegen von dort den Bus. Eine Option für Autofahrer, die auf beiden Seiten Praxis fand.
Der Grenzübertritt als solcher war von beiden Seiten gut strukturiert, sehr genau und fair. Nur kostete diese Genauigkeit an Grenze und Zoll in unserem Fall stattliche sechs Stunden. Am eigentlichen weißrussischen Grenzposten durfte dann auch endlich mal der Punkt abgehakt werden, ins Hinterzimmer zur persönlichen Unterredung geladen zu werden. Im Vieraugengespräch mit einem englischsprachigen Grenzer, wobei noch ein deutlich dienstgradhöherer Tellermützenträger (Tellermützen sind einfach fantastisch!) daneben saß, durfte man sich zum genauen Reiseplan sowie dem persönlichen Wissensstand zum Land äußern. Im entsperrten Handy, sichtgeschützt hinter einem Computerbildschirm, wühlte besagter Grenzer auch noch etwas umher, ehe seitens der Uniformierten das Fazit gezogen wurde, uns passieren zu lassen. Die folgende Zollkontrolle fiel bei unserem minimalistischen Gepäck gering aus und lediglich ein Hund durfte über unseren alkoholischen Körpergeruch die Nase rümpfen. Andere Leute schleppten insbesondere technische Geräte wie Rasenmäher, Staubsauger oder Kühlschränke von großen westlichen Marken nach Belarus. Die Obergrenze für diesen Import wird übrigens nicht am monetären Wert, sondern am Gewicht festgemacht. Autos, welche nebenan eingeführt wurden, durften sich in vollem Umfang öffnen und entleeren. Also auch Motorhaube und Tankdeckel standen zusätzlich zu Türen und Heckklappe offen, während der gesamte Fahrzeuginhalt auf Tischen durchstöbert wurde. Nach abschließender Durchfahrt des Corona-Reliktes, einer Desinfektionsschleuse (für Autofahrer kostenpflichtig), wurde man endlich, 12 km nach Einstieg in den Bus, am Brester Busbahnhof ausgekippt.
Da die Aufenthaltsdauer im Land leider doch sehr gering ausfiel, sind die Erlebnisse dazu schnell erzählt. Nach geschaffter Einreise huschte uns der letzte Zug nach Minsk noch vor der Nase davon und ein Warten auf Busse Richtung Hauptstadt, welche noch irgendwo in der Grenze steckten, konnte auch nicht überzeugen. Die ungewisse Dauer der Rückreise und die nicht verschiebbaren Termine am heimischen Arbeitsplatz nur vier Tage später, ließen die Entscheidung fällen, lediglich eine Nacht in Brest zu buchen, die Stadt dafür intensiv anzuschauen, abends noch den sehnsüchtig erwarteten Länderpunkt einzutüten und anschließend die Nacht im Grenzgebiet zu verbringen. So weit, so gut und anlässlich des noch nicht ganz abgelaufenen Männertags, wurden noch intensive Manöver am Glas im Nachtleben von Brest vollzogen. Den Freitag startete man zwischen 5.00 und 6.00 Uhr mit der Rückführung des eigenen stark alkoholgetränkten Körpers in den gebuchten Plattenbau, ehe ab der Mittagszeit die touristische Seite Brests beehrt wurde. Die Stadt kann schon was, doch der halbe Tag war wiederum auch mehr als ausreichend. Im Übrigen konnte, entgegen der Angaben westlicher Quellen, überall problemlos mit deutscher Kreditkarte gezahlt werden. Auch die Einheimischen machten einen durchweg positiven, freundlichen und hilfsbereiten Eindruck, auch wenn Englischkenntnisse zur absoluten Seltenheit gehörte.
Das Thema Fußball lief recht unspektakulär ab. Ab einigen Stunden vor dem Spiel war die Tageskasse geöffnet und für knapp zwei Euro kann man beim Erstligagebolze auch nicht meckern. Einen Onlineverkauf gab es separat natürlich auch. Am Stadion selbst glänzte die Staatsmacht, erstmalig während unseres kurzen Aufenthalts, mit Anwesenheit, vegetierte aber größtenteils auch nur sinnlos daher. Viel interessanter waren da die kreativen Straßensperren am Stadion – zweimal Tanklaster, einmal Abschleppdienst. Auf dem Rasen konnten die Hauptstädter zwischen sehr gut gefüllten Rängen die drei Punkte einkassieren. Wirklich viele gefreut hat dies im Gästeblock allerdings nicht. Während im ersten Durchgang dem Sportsfreund mit Trommel noch ein stetes Bemühen zwischen den restlichen, sitzenden gut 50 Schweigefüchsen attestiert werden konnte, leerte sich nach der Halbzeit der Block auf eine einstellige Besucherzahl. Immerhin ermöglichten die Fahnen am Gästesektor ein illustres Vereineraten. Ob nun die Bayern, die Australier aus Brisbane oder auch Anderlecht und noch paar mehr Flaggen fanden ihre Präsentation im insgesamt ziemlich coolen Stadion. Auf der Heimseite bildete sich ein gut 100 Nasen starker Haufen, welcher hinter optisch schicken, aber sinnlos gedrucktem Fahnenmaterial über weite Strecken des Spiels supportete. Ein aus Dresden einschlägig bekanntes „DyDyDyDyDy-NaNaNaNaNa-MoMoMoMoMo“ konnte sich dabei in die Erinnerungen einbrennen. Fragt sich also bloß, wer da von wem abgeguckt hat. Als Hopper konnte man jedenfalls ungehindert durch den Fanblock laufen (ja, gehört sich nicht, aber Fotoperspektive dies, das) und somit auch direkt in die Reihen des Mobs schauen. Ein durchaus abwechslungsreiches Bild bot sich dabei. Hauptsächlich zwar jung und nicht unbedingt die Kategorie „Ostblockbrecher“, aber ein paar Hauer dürften schon dabei gewesen sein. Mindestens zwei trainierte und zivil gekleidete Burschen fielen auch durch das Tragen des Symbols der „Wagner Gruppe“ an der Gürteltasche auf.
Das fällige Länderpunktbier gab es schließlich erst im Bus bei der Nachtfahrt zurück nach Polen. Während der Wartezeit an der Ausreisekontrolle, durften aber noch ein paar Propagandaplakate begutachtet werden, welche die aus weißrussischer Sicht bestehenden Missstände in Polen und der EU thematisierten. Mit unseren Pässen ging es in dieser Richtung an den jeweiligen Grenzposten aber flott voran. Aufgrund des Verkehrsmittels und den damit verbundenen anderen Staatsbürgern, brachte dies aber keinen Vorteil mit sich. Auffällig war in beiden Richtungen der Grenze der verhältnismäßig hohe Anteil Ukrainer, welche passierten. Der gesperrte Luftraum über der Ukraine sowie die Schließung der direkten Landesgrenzen machen den Weg über Polen wohl zum einzig möglichen, um aus der Ukraine nach Weißrussland und ggf. auch weiter nach Russland zu reisen. Über die Reisegründe kann an dieser Stelle meinerseits nur gemutmaßt werden, aber Arbeit, Familie oder was auch immer können sich nun mal auch auf mehrere Staaten verteilen. Für uns konnte nach zwölf Stunden im Bus der Grenzübertritt als abgehakt betrachtet werden und das verbleibende Wochenende wurde in Polen verbracht. Insgesamt war der Aufenthalt in der Republik Belarus leider viel zu kurz, die Grenze und das ganze ringsum, quasi direkt vor der Haustür, machten die Sache aber dennoch zu einem absolut lohnenden Erlebnis. (Gastbericht von pf)













