VfV Borussia 06 Hildesheim – Lüneburger SK Hansa – 0:2

VfV Borussia 06 Hildesheim – Lüneburger SK Hansa – 0:2

„FLUTLICHT-PREMIERE ALS PLAN B“

04.10.2025
Landespokal Niedersachsen
Friedrich-Ebert-Stadion
Zuschauer: 825

HILDESHEIM – Alte Hopper-Regel: Plan B muss immer besser sein als Plan A. Eigentlich verfolgte ich an diesem trüben Herbsttag keine großen Ziele. Mehr oder weniger nebenberuflich ging es in den Landstrich zwischen Stade und Rotenburg/Wümme. Nach Beendigung der Aufgaben bot sich ein Doppler in der hiesigen Bezirksliga an. Zunächst rollte der Ball auf der schönen Anlage des TV Sottrum und um 18 Uhr sollte das nächste Spiel in Soltau folgen – schon halb auf dem Weg Richtung Schwechheim gelegen, alles easy und entspannt.

So schön, so gut. 15 Minuten vor dem Anpfiff trudelte ich beim TV Sottrum ein – und bis auf ein paar Hütchen auf dem Rasen konnte vor Ort wirklich nichts erblickt werden. Die großen Fragezeichen wurden gleich bei der nächstbesten Begegnung beiseite geräumt, als es hieß, der Anpfiff verzögere sich um 30 Minuten, weil die Gäste im Stau standen. Na gut, kann passieren bei 36km Anreise und das über die A1. Aber damit war der Doppler dahin. Immerhin gab es beim TVS ein nettes Trostpflaster: Weil ein Spieler geheiratet hatte, wurde Freibier ausgeschenkt.

Auf der alten Holztribüne in Sottrum blieb nun genug Zeit sich einen Plan B für den Tag auszudenken – der Anpfiff war ja in weite Ferne gerückt. Viel blieb nicht übrig: Letzte Liga in Bremen oder Flutlicht-Premiere in Hildesheim. Der Haken: Im Friedrich-Ebert-Stadion war ich mit dem Lieblingsverein vor vielen Jahren schon mal aufgekreuzt und das Vorhaben versprach happige 200 Extra-Kilometer auf der Uhr. Sottrum verlor nach einem grottenschlechten Spiel gegen den sieglosen Tabellenletzten kurz vor Schluss 0:1, das machte die Entscheidung leichter. So unspektakulär durfte dieser sowieso schon graue Tag nicht zu Ende gehen. Im strömenden Regen bog das beliebte Kombi-Modell von Volkswagen also Richtung Hannover ab.

In Hildesheim kann man trotz Andrangs direkt an der Stadion-Straße parken, das war schon beim ersten Besuch 2017/18 so. Die Flutlicht-Premiere lockte den einen oder anderen Gelegenheits-Stadiongänger aus den beheizten Wohnzimmern der Stadt ins FES. Die offizielle Zuschauerzahl von 825 hätte ich viel höher eingeschätzt, trotzdem kommt in dem alten Pott irgendwie richtig Stadionfeeling auf. Eine große Gegengerade, Gästeblock und die schöne Holztribüne – mehr braucht’s gar nicht. Das Friedrich-Ebert-Stadion in Hildesheim ist neben dem FES in der Hauptstadt, das von Croatia und Viktoria Berlin genutzt wird, übrigens der einzige Ground in Deutschland, der nach dem ersten Präsidenten der Weimarer Republik benannt wurde.

Das Highlight des Landespokal-Viertelfinals ging bereits vor dem Anpfiff über die Bühne. Denn beim Einlauf der Teams wurde das neue Flutlicht gedimmt und es folgte eine Pyro-Raketenshow vor dem Spielertunnel und hinter der Gegengerade. Wie an Silvester zockelten die Raketen durch die Luft und sorgten für stimmungsvolle Atmosphäre. Hildesheim feierte das erste Spiel im FES unter Flutlicht – genau einen Tag vor dem 95. Geburtstag des charmanten Grounds! Auch der LSK ließ sich nicht bitten und zündete zum Anpfiff ein paar Fackeln. Lüneburg war mit einer ganzen Busladung an Zuschauern angereist. Die „Fanszene“ beim LSK ist gerade im Entstehungsprozess, seit dem Wiederaufstieg in die Oberliga. Das merkt man auch ein wenig, trotzdem hat es Spaß gemacht dem Haufen zuzugucken.

In Hildesheim ist die einstige Fanszene hingegen nicht mehr aktiv. Es waren zwar Zaunfahnen sichtbar, die sahen aber so aus, als wenn sie vom Verein kamen. Bis auf einige Anfeuerungsrufe von der Geraden konnte kein Support ausgemacht werden, überhaupt hinterließ das Publikum einen eher kritischen Eindruck. Den Support hätte der VfV jedoch gut gebrauchen können. Die Gastgeber dominierten die Partie – kassierten nach einem Standard aber den frühen Rückstand. Trotz gefälligem Offensiv-Fußball kam der Favorit einfach nicht zu zwingenden Chancen und verlor sich nach dem Wiederanpfiff in totaler Hilflosigkeit. Lüneburg spielte die Partie gekonnt runter, traf Minuten vor dem Ende per Konter zum entscheidenden 2:0 und steht damit etwas überraschend im Halbfinale des Landespokals, was Mannschaft und Fans gebührend feierten.

Vor der Partie konnte übrigens nicht ein einziger Beamter vor Ort gesichtet werden und das, obwohl Lüneburg mit „organisierter Fanszene“ angereist war. Auch standen die Tore zum Gästeblock auf, um das leibliche Wohl der LSK-Fans zu sichern. Das sorgte nach „Scheiß Lüneburg“-Rufen gegen Ende der Partie für Ärger und es rückten tatsächlich auch Streifenwagen aus. Das muss man nicht verstehen. Übrigens genauso wenig wie die „Käse-Schinkengriller“ vom Grill, welche einst zur besten Stadionwurst Deutschlands gekürt wurden, mittlerweile aber – trotz der Bezeichnung – überhaupt gar kein Käse mehr enthalten. Geschmeckt hat sie trotzdem, wie auch der ganze Plan B, mit dem ich am Ende überaus zufrieden war. (mm)

Lüneburger SK Hansa – VfB Lübeck – 1:3

Lüneburger SK Hansa – VfB Lübeck – 1:3

24.11.2019

Regionalliga Nord

Jahnstadion Neetze

Zuschauer: 1079

„ENDLICH MAL WIEDER WAS LOS AUF’M DORF“

NEETZE – Mal wieder ein Spiel beim Lüneburger SK – mal wieder ein neuer Platz. Immer der historischen „Alten Salzstraße“ entlang, geht es diesmal von Schleswig-Holstein nach Neetze. Ein ziemlich großes Heidedorf, bekannt für seinen Spargel und passenderweise Teil der „Samtgemeinde“ Ostheide – wie es in Niedersachsen immer so schön heißt. Regionalliga auf dem Lande, da wird gerne mit den Augen gerollt. In Neetze ist das aber anders. Fast könnte man beim LSK schon von einer „SG Lüneburger Heide“ sprechen. Oder: Endlich mal wieder was los auf’m Dorf! Da wo der TuS Neetze letztes Jahr noch in der Kreisliga kickte, hat man die Dorfsportanlage regionalligatauglich hergerichtet. Ein Sportplatz mit Potential – und das hat man erkannt: Hanglage, alte und neue Stufenplätze, Vereinsheim mit Blick auf’s Spielfeld, Kioske und erstklassige Versorgung. Regionalliga in Neetze macht Spaß! Auch wenn das Dorf etwa 15km von Lüneburg entfernt liegt. Der LSK konnte seine Zuschauerzahlen dennoch um gut 25% steigern und „auffällig viele Autos mit Uelzener Kennzeichen oder aus dem Landkreis Lüchow-Dannenberg“ seien auf den Parkplätzen rund um das Jahnstadion anzutreffen, wie an diesem Sonntag vor dem Spiel die „Landeszeitung Lüneburg“ zu berichten weiß. Heute strömen über Tausend Zuschauer in das kleine Behelfsstadion am Rande des Spargelfeldes. Das liegt natürlich ebenso an dem guten Saisonstart der Lüneburger. Und am Gegner vom anderen Ende der historischen Salzstraße: VfB Lübeck.

Während die Heidestädter mit altem Trainersgespann in neuer Rollenverteilung – Trainerfuchs und Chefcoach Rainer Zobel rückte für den 40 Jahre jüngeren Qendrim Xhafolli auf den Posten des „Teamchefs“ zurück – und einem historisch-guten Saisonstart ausnahmsweise mal vor einer sorgenfreien Weihnachtsfeier stehen, ist die Lage beim selbsterklärten Meisterschaftsfavoriten aus Lübeck schon etwas verzwickter: Trotz sehr guter Punktausbeute verspielten die Mannen um Rolf Martin Landerl zuletzt einen passablen Vorsprung auf den ärgsten Verfolger aus Wolfsburg, der nach einer Siegesserie mittlerweile die Tabellenspitze übernommen hat. Vor dem ausgefallenen Heimspiel gegen Altona 93 eine Woche zuvor, überrumpelte VfB-Sportdirektor Stefan Schnoor den Trave-Klub mit einem spontanen Rücktritt, nachdem man in einer internen Sitzung zu der Auffassung gekommen war „verschiedene Ansichten über die sportliche Ausrichtung des Vereins zu vertreten“. Unter dem ehemaligen Bundesliga-Spieler hatte man mühelos den endgültigen Sprung in die Riege der Top-Vereine der Liga geschafft, Schnoor verhalf der Truppe mit seinen Personalentscheidungen zu einer Struktur, die sie heute auszeichnet. Und um weiter mit der Junioren-Abteilung der „Wölfe“ Schritt halten und möglicherweise einem Aufstieg ins Auge fassen zu können, benötigt man heute in der Lüneburger Heide unbedingt drei Punkte. Schöne Bescherung.

Für knisternde Vor-Adventsstimmung scheint also gesorgt. Und dann? Nichts. Nach fünfundvierzig Minuten delegiert der Pfeifenmann Akteure und Zuschauer in die Pause. Höchstens die letzten Minuten vor der Halbzeit versprachen Spannung, in denen der VfB eine und der LSK zwei sehr gute Chancen vergaben. Das ändert sich nach dem Kabinengang. Und zwar drastisch. Nur ein paar Augenblicke nach Wiederanpfiff und die Hausherren nutzen per Super-Pass in den freien Raum einen vom Schiedsrichter gewährten Vorteil. Fabio Istefo in der Mitte muss nur noch seinen Schlappen hinhalten. Keine zwei Minuten sind da gespielt. Der VfB ist wütend und wer sonst als der ehemalige Bundesliga-Spieler Ahmet Arslan ist in der Lage für den Ausgleich zu sorgen? Der letztjährige Königstransfer von Stefan Schnoor sorgt mit einem wunderbaren Solo für das postwendende 1:1. Manchmal ist ein Spiel nach so einer kurzen Folge von Höhepunkten schnell beendet. In Neetze fängt der Spaß erst richtig an. Zunächst stößt der Lübecker Yannick Deichmann einen Gegenspieler etwas unnötig hinter der Torauslinie zu Boden – Tumulte bei den Gastgebern. Genau vor den Gästefans. Rudelbildung auf dem Platz, Rudelbildung im Block. Der pickepackevolle Auswärtsblock lässt es sich dabei nicht nehmen, ein Zaunelement zum Einsturz zu bringen. Nichts Neues in den neu errichteten „Gäste-Gefängnissen“ der norddeutschen Regionalliga-Republik. Bereits in Hannover und bei Altona 93 spielten sich ähnliche Szenen im Lübecker Bereich ab. Ein bisschen Rütteln und schon findet man Formulierungen wie diese auf den Websites der Regionalligisten: „Überhitzte Fans stiegen auf die Umzäunung, ein großes Zaunteil wurde herausgerissen. Minutenlange Unterbrechung. Die zahlreich vertretene Polizei in Alarmstimmung“ (Lüneburger SK). Nun ja, die VfB-Fans richten die flattrigen Absperrung von ganz alleine wieder auf. Es postieren sich fortan ein paar Beamte vor dem Block. Regionalliga auf dem Dorf.

Wegen so einem Baumarktzaun im Gästeblock beim Hannoverschen SC, verdonnerte ein NFV-Gericht die Lübecker übrigens zu einem „Seminar zur Gewaltprävention an dem man mit zwei Personen teilzunehmen hat“. Der VfB lehnte ab und muss nun 700 Euro Strafe zahlen. Andere Sache. Die Geschichte des Spiels jedenfalls, ist noch nicht vorbei. Nächstes Kapitel: Elfmeter für die Gäste! Spiel gedreht? Mitnichten. Diesmal ist Arslan der tragische Held und verschießt den Strafstoß – LSK-Keeper Ole Springer kratzt die Kugel mit den Fingerkuppen aus dem rechten, unteren Eck. Doch der VfB-Auftritt nach dem Rückstand hat gesessen. Gäste-Trainer Landerl stellt die Mannschaft auf 3-5-2 um und die Elf zieht Angriffe wie eine spanische Spitzenmannschaft auf: Ständig zirkuliert der Ball in den eigenen Reihen. Trotzdem muss ein wirklich hässliches Tor in Folge einer Ecke für die Führung herhalten. Der Kopfball von Patrick Hobsch – übrigens der Sohnemann vom Deutschen Meister Bernd Hobsch – wird vermutlich kurz hinter der Linie von einem Lüneburger geklärt. Das „Hawk-Eye“ sucht man in dieser Spielklasse vergebens. Und bei dem trüben Wetter nützen auch die besten Adleraugen nichts. Lübeck dreht die Partie – diesmal benehmen sich die Heimfans daneben und bewerfen den Linienrichter mit einem Bierbecher. Der kleine Haufen LSK-Fans erweckt auch sonst eher den Eindruck, als wenn er in seiner Freizeit arglose Personen mit alkoholischen Getränken bewirft. In der Nachspielzeit krönt der starke Deichmann seine Leistung und erzielt mit einem abgefälschten Schuss das Endergebnis. Das Spiel trudelt sich aus. Abpfiff: Die Zuschauer strömen zurück in den Ort aus dem sie gekommen sind oder auf die Kuhweide, wo die auswärtigen Autos parken. Der düstere November-Tag ist mit Einsetzen der Dämmerung abrupt beendet. Für heute hat das Dorf genug gesehen.