VfL Wolfsburg II – FC Carl Zeiss Jena – 0:1

VfL Wolfsburg II – FC Carl Zeiss Jena – 0:1

„BETONMONSTER MIT EINSCHUSSLÖCHERN“

11.04.2021

VfL-Stadion am Elsterweg

2. Frauen-Bundesliga-Nord

Zuschauer: 0 (offiziell)

WOLFSBURG – Wie sich die Zeiten ändern. Schon vor Jahren geisterten Gerüchte umher, das Stadion am Elsterweg sei dem Untergang geweiht. Vor zwei Jahren wurde der Abriss und Umbau für 2022 beschlossen. Corona kam dazwischen und so kickt die VfL-U21 aus der Damenabteilung immer noch in dem ehemaligen Bundesligastadion – und zwar aktuell als einzige Mannschaft im Verein, wenn auch immerhin in der 2. Frauen-Bundesliga.

Und genau da lag der Haken. Schon in der letzten Saison 19/20 kamen im Schnitt, nun ja, 70 Besucher in das große Rund. Trotzdem hatte ich die Konstellation mit den zweiten Damen am Elsterweg stets auf dem Zettel. Zehn Jahre habe ich kein Damenspiel mehr gesehen und obwohl ich kein Frauenfußball-Hater bin, konnte ich mich nicht dazu durchringen, einen Trip nach Wolfsburg mit Hauptspiel 2. Frauen-Bundesliga-Nord zu starten, muss ich gestehen.

Wo jetzt der Re-Start des Damen-Unterhauses bevorstand, war aber klar: Das musst du machen. Das VfL-Stadion, das ehemalige Bundesliga-Stadion, die Keimzelle des Vereins, mit einem „Geisterspiel“ der II. Damen zu kreuzen – mehr geht nicht, so eine Gelegenheit kommt so schnell nicht wieder. Und so bin ich an diesem Sonntag im April einer von zwei Berichterstattern auf der Gästeliste. Im Innern selbst mache ich genau vier Personen ausfindig, die ich nicht dem jeweiligen Staff beider Vereine zuschlagen kann. Demgegenüber stehen drei oder vier Ordner, die äußerst streng ihren Dienst verrichten. Meine Bitte, die menschenleere Kurve mit der (ehemaligen) Anzeigetafel abzulichten, hat zur Folge, dass das Stadion kurzerhand abgeschlossen werden muss, weil mich der Ordner vom Einlass die zehn Treppen hoch zur Kurve begleiten will – damit ich keinen Unfug mache.

Trotz all dieser Widrigkeiten – und vom Wetter habe ich noch gar nicht gesprochen – hat sich der Trip aber gelohnt. Solche Überbleibsel aus dem letzten Jahrhundert findet man in Deutschland auch nicht mehr so oft. Stehplätze rundherum, ein irgendwie halbprovisorischer Oberrang – und das Herzstück: Die alte Haupttribüne, die unter Denkmalschutz steht und in das neue Sportpark-Projekt integriert werden soll. Von der alten Tribüne bröckelt der Beton auf die Sitze, abgesehen davon dass sie „alt & geil“ ist, findet sich an dem Bauwerk aber nicht so viel Erhaltenswertes. Die Tribüne aus den 60er-Jahren ist ein Betonmonster mit Einschusslöchern, das sehr wenig Komfort bietet und ohne weitere Funktionen daherkommt, wenn man dir Pressekabinen mal ausklammert. Nicht dass wir uns falsch verstehen: Schöne Sache, das mit dem Denkmalschutz. Von alleine wäre ich aber nicht drauf gekommen.

Zum Sportlichen – und da war ich echt gespannt. Schon nach fünf Minuten fällt das erste und letzte Tor des Tages: Eine Gästespielerin namens Anna Weiß drischt den Ball aus kurzer Distanz nach einer Hereingabe an Torhüterin Almuth Schult vorbei ins Netz. Die Torfrau der VfL-Damen hatte bei mir vor dem Anpfiff für das einzige Aha-Erlebnis gesorgt. Beim Blick auf die Spielaufstellung kam mir der Name bekannt vor. Zusammen mit der unvergleichlichen US-Amerikanerin Hope Solo, wurde Schult 2014 zur Welttorhüterin ernannt, wie es immer so schön heißt. Wie kann das angehen, dass diese Weltfrau jetzt vor einer Handvoll Zuschauern in der 2. Liga kickt? Die Antwort liegt in der Natur der Sache: Im Herbst 2019 wurde Almuth Mutter von Zwillingen, was – zusammen mit den Ereignissen seit März 2020 – dafür gesorgt hat, dass die 64-fache Nationalspielerin fast zwei Jahre kein Pflichtspiel bestreiten konnte. Im Kader der ersten Mannschaft wurde sie gar zur Nummer 3 degradiert.

Da sage noch einer, es gäbe keine großen Unterschiede mehr zwischen Damen- und Herrenfußball. Ich bin froh, dass es nach fünf Minuten in der Kiste der Welttorhüterin klingelt, denn das bedeutet für meine bescheidene Statistik: 150. Spiel in Deutschland in Folge ohne 0:0! Über den frühen Treffer kann ich auch wirklich froh sein, denn bis auf eine weitere Jena-Chance direkt im Anschluss, passiert vor den Toren in dieser Partie fast gar nichts mehr. Der Ball findet zwar oft den direkten Weg nach vorne, aber in die Box gelangt er nur sehr selten. Im Grunde genommen ist es ein echter Grottenkick.

Trotzdem übe ich mich als aufmerksamer Beobachter: Man(n) sieht den Protagonistinnen definitiv an, dass viel und hart trainiert wird. Wolfsburg fällt durch einen wirklich geringen Altersschnitt auf. Bei Jena misst die Stürmerin, die fast alle Bälle anzieht, gerade mal 156 Zentimeter. Auch kann man beiden Teams bescheinigen einer bestimmten Spielidee zu folgen. Insgesamt unterlaufen den Mädels nur wenig wirkliche Fehler. Bei Jena wird früh gepresst, nach Ballgewinnen schickt man die schnellen Außenspielerinnen mit Vertikalpässen nach vorn. Das mündet auch recht schnell im Siegtor für den letzten DDR-Meister im Frauen-Fußball, der letztes Jahr im FC Carl Zeiss aufgegangen ist und zuvor als FF USV Jena bekannt war. Was die Präzision, Athletik, das Tempo und die Körpersprache angeht, so muss ich sagen, habe ich diese Ground-Konstellation mit den II. Damen nicht ganz zu Unrecht all die Jahre aufgeschoben. Doch da der Besuch in Wolfsburg damit nun abgeschlossen ist, will ich es bei diesen Worten belassen.

mm

1.FC Köln II – VfB Homberg – 5:2

1.FC Köln II – VfB Homberg – 5:2

„FRANZ KREMER, ÜBERNEHMEN SIE!“

10.04.2021

Franz-Kremer-Stadion

Regionalliga West

Zuschauer: 0 (offiziell)

KÖLN – Nachdem ich nun ein halbes Jahr artig zu Hause den Anweisungen der politischen Leitfiguren Folge geleistet habe und Corona immer noch in ungeahnten Dimensionen grassiert, wurde es jetzt mal Zeit für einen Strategiewechsel: Weg von der Einzelhaft, raus aus der Isolation, rein in das Massentransportmittel, das unter normalen Umständen teurer als eine Einzelfahrt mit dem Auto nach Köln ist. Das könnte ich jetzt schreiben, wenn ich cool wäre. Aber ich bin einfach nur ein ganz normaler Junge, der ein bisschen Fußball gucken will. Ein drohender Zahnriemenschaden bei meinem Auto zwang mich auf die Schiene und so feierte das beklemmende Gefühl, morgens um 7.46 Uhr möglicherweise schon den ersten Anschlusszug zu verpassen, ein ungeahntes Comeback.

Ich gehöre natürlich zum Pöbel und bin kein „sogenannter Experte“, aber im Zug stundenlang Maske tragen, in der ganzen Kölner Innenstadt sowieso, am Klettenbergpark dann mal 10 Minuten ohne Mundschutz, beim Fußball wieder rund drei Stunden mit Maske. Ob das so eine gute Idee ist, in jeder x-beliebigen Situation mit so einem Ding im Gesicht rumzulaufen, von irgendwelchen Leuten angegeifert zu werden, wenn man seinen Gesichtserker mal lüftet und im Umkreis von 10 Metern keine Menschenseele zu sehen ist? Schnell ist so ein Teil durchfeuchtet und das, obwohl man sogar zwei Ersatzmasken im Gepäck hat. Das fördert ohne jeden Zweifel den sorglosen Umgang mit dieser Virenklette. Die Maske ist in Deutschland die heilige Kuh, aber Hysterie wird die aktuellen Probleme wohl eher nicht lösen. Was soll’s, wir drehen uns im Kreis.

Mit Köln empfängt mich an diesem Samstag im April eine Stadt eingehüllt in einen dicken Trauerschleier. Bereits im Bergischen Land künden die letzten Schneereste von harten Zeiten. Ich war schon einige Male in der Domstadt und stets gipfelte der Aufenthalt in einer großen Gaudi, aber nicht nur das graue Wetter und der permanente Regen hat der Stadt den Zahn gezogen. Die wenigen Menschen auf der Straße reden nicht miteinander. Jeder geht nur schnell seiner Wege. Touristen gibt es fast gar nicht. Verständlicherweise. Und die, die sich in der Stadt tummeln, spulen ihren Betrieb im Notprogramm runter. Keine Läden sind geöffnet und wenn doch, hat man den Eingangsbereich verrammelt und einen provisorischen Tresen davorgestellt. Die Barrikade für den Hurrikan. In der Schaufensterscheibe eines Geschäfts liest man: „Alles 50% reduziert wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage“. Trotz dieser Maßnahmen titelt der „Express“: „Corona-Alarm in Köln – Krisenstab greift durch!“. Sämtliche Widerstände sind erloschen. Vielleicht wird es doch mal Zeit für einen Strategiewechsel.

Fußball wird dennoch gespielt und das nicht zu knapp. Natürlich ist das strange, dass die Regionalliga im Westen weiterläuft. Aber angesichts dieser endzeitlichen Zustände auch wieder wohltuend. Vor dem Stadion treffe ich tatsächlich einen alten Hamburger „Kollegen“ und im Ort des Begehrens mache ich die Bekanntschaft mit einem der Fotografen. „Geisterspiele“, das ist wohl relativ. Mittlerweile würde ich sogar so weit gehen, dass diese Art der Durchführung auch einen gewissen Reiz mitbringt. Das Stadion liegt im letzten Zipfel der Stadt, irgendwo zwischen Autobahn und Wald, und ist ein echtes Schmuckstück mit seiner 70er-Jahre-Tribüne, dem gezackten Betondach und alten Stehplätzen, die sich rund um die Anlage ziehen. Nebenan findet man mit dem „Geißbockheim“ die Geschäftsstelle des Großstadtklubs.

Im Dauerregen von Köln-Sülz geht der FC zunächst standesgemäß in Führung, ehe der akut abstiegsbedrohte Gast aus Duisburg erst ausgleicht und mit einem starken Schuss kurz vor der Pause sogar zur Halbzeitführung trifft. Nicht zuletzt angesichts der Witterungsverhältnisse gewinnt man durchaus den Eindruck, dass die limitierten Gäste das Ergebnis vielleicht über die Zeit retten können. Doch dann fällt nach rund einer Stunde der Ausgleich und die Moral der Homberger ist bald gebrochen. Köln trifft noch drei weitere Male. Torschützen: Regionalliga-Legende Lucas Musculus, der pfeilschnelle Koreaner Hwang und ein junger Bursche namens Joshua Schwirten, der mit einem wunderbar platzierten Schuss in den Winkel den würdigen Schlusspunkt in dieser Partie setzt und bei dem uns auffällt, dass er in der ersten Halbzeit die ganze Zeit zwei Sitze vor uns gesessen hat.

Nach dem Abpfiff geht es wieder zügig Richtung Stadt, wo dem „Poldi“-Döner „Mangal Grill“ ein Besuch abgestattet wird. Der gute Podolski hat bei seinen Dönerläden nicht mit Starkult in eigener Sache gegeizt, an dem Dürum ist auch nicht viel auszusetzen, aber der Preis von 6 Euro ist doch ziemlich happig. Naja, da bezahlt man den Namen natürlich mit und wenn ich mir schon einen Poldi-Döner gönne, wird bei seiner großen Beliebtheit der Dönerspieß in den mittlerweile vier Filialen wohl trotzdem auf eine beachtliche Drehzahl kommen.

Zum Schluss gilt es festzuhalten, dass das natürlich alles nichts ist, im Regen durch eine fremde Stadt zu laufen, in der „Verweil-Verbote“ gelten, die keinerlei legale Möglichkeiten für eine Indoor-Rast bietet. Aber jedes Wochenende zu Hause auf der Couch zu hocken, ist halt irgendwann auch keine Lösung mehr. Der Namensgeber des Stadions galt in Köln nicht umsonst als unumstrittener Präsident und wird heute als Urvater der modernen Bundesliga gefeiert. Da würde man am liebsten sagen: Franz Kremer, übernehmen Sie!

mm