VfB Lübeck – Kaltenkirchener TS – 2:1

VfB Lübeck – Kaltenkirchener TS – 2:1

“DER TRAUM LEBT”

24.05.2025
Landespokal Schleswig-Holstein, Finale
Stadion an der Lohmühle
Zuschauer: 5.893

LÜBECK – Mein erster Besuch an der Lohmühle ist fast 16 Jahre her. Damals kegelte der VfB den FSV Mainz 05 aus der ersten Runde des DFB-Pokals. Für meinen zehnten Abstecher in die Marzipanstadt entschied ich mich spontan, weil der Samstag noch vollkommen offen war und ich Lust auf etwas Entspanntes in der Nähe von Schwechheim hatte.

Somit machte ich mich mit der Bummelbahn auf den Weg in die schöne Hansestadt an der Trave. Die knapp 1000 Gästefans waren dagegen mit zahlreichen Bussen aus Kaltenkirchen angereist. Für sie stand das Spiel des Jahres an und das merkte man auch im Stadion. Zum Intro gab es eine kleine Choreo mit weißen und roten Fahnen.

Natürlich hatte auch die Pappelkurve etwas vorbereitet: “GEWEINT UND GELACHT, HAST UNS ZUM TRÄUMEN GEBRACHT” war als Spruch am Zaun zu lesen. Dazu wurden grüne Pappen hochgehalten. Außerdem wurde ein VfB-Fan mit seinen größten Träumen in Form von zwei Gedankenblasen abgebildet. Offensichtlich träumte er vom Endspiel im DFB-Pokal und der Teilnahme am Europapokal.

Doch um diese Träume zu realisieren musste man den Landespokal gegen den Underdog vom Kaltenkirchener TS gewinnen. Gesagt-getan! Lübeck war über weite Strecken die aktivere Mannschaft und führte bereits zur Halbzeit mit 2:0. Spannung kehrte zwar in der 75. Minute zurück, als Rerop den Anschlusstreffer erzielen konnte. Am Ende brachten die Gastgeber das Ergebnis von 2:1 aber über die Zeit und konnten zum 18. Mal den Pott erobern. Herzlichen Glückwunsch also an den VfB. Damit kann nun in der ersten DFB-Pokalrunde der nächste Schritt gemacht werden, um die Fanträume zu realisieren. (fj)

SV Meppen – VfB Lübeck – 0:2

SV Meppen – VfB Lübeck – 0:2

„KURZ VOR DEM KNALL“

09.05.2021

3. Liga

Emslandstadion (Hänsch-Arena)

Zuschauer: 0 (offiziell)

MEPPEN – Bis zum bitteren Ende. Siegen oder fliegen hieß das Motto für den VfB Lübeck am Sonntag in Meppen, die den ersten Nicht-Abstiegsplatz in der 3. Liga einnehmen und mit drei Punkten oder einem Unentschieden mindestens sieben Punkte Distanz auf den VfB wahren konnten. Zwei Spieltage vor Schluss hieße das: Lange Gesichter bei den Gästen, denn jeder Punktgewinn für die Emsländer bedeutete in dieser Konstellation den Abstieg für Lübeck in die Regionalliga.

Bei fantastischem Frühsommerwetter finden sich allerlei Personen in und um das Emslandstadion ein. Ein Haufen Bullen und sonstige Ordnungshüter sichern Stadion und Gelände ab. Ich lass mir meine Akkreditierung aushändigen und spaziere in die Arena. Ein Mob Meppener findet sich an der Ecke zur Haupttribüne vor dem Stadion ein und macht sich über die 90 Minuten immer wieder akustisch bemerkbar. Auch haben sich einige Fans auf Stromkästen hinter dem blickdichten Zaun postiert und können so das Spielgeschehen teilweise verfolgen. Unmittelbar vor dem Anpfiff startet der Mob hinter dem eigentlichen Gästeblock – der bei meinem Erstbesuch in Meppen vor knapp 10 Jahren übrigens noch ganz anders aussah – eine kleine blau-weiße Pyro-Show. Leider verscheucht mich in dem Moment des ersten Knalls Ex-Nationalspieler und SVM-Geschäftsführer Ronald Maul von meinem exklusiven, aber offensichtlich nicht coronakonformen Platz, so dass ich nur unzureichende Fotos anfertigen kann. Das Spiel kann beginnen.

In einer zerfahrenen, vorsichtigen Partie passiert in der ersten Hälfte nicht sehr viel. Zwei Abstiegskandidaten in der 3. Liga, das kann schon mal ein zähes Vergnügen werden. Auch im zweiten Abschnitt spielt sich das Duell eher zwischen den beiden Strafräumen ab, bis Sebastian Hertner aus dem Nichts einen wunderbaren Steckpass auf Thorben Deters spielt, der alleine vor dem gegnerischen Keeper etwas überraschend zur Führung trifft. Jener Deters, dessen Vater in Meppen als Zweitligalegende und Rekordspieler gehuldigt wird, hat kurze Zeit später sogar die Chance auf das 2:0, trifft aber nur die Querstange. Meppen spielt sich in der Folge wütende Bälle zu, es fehlt aber deutlich an Struktur und so springen allenfalls Halbchancen heraus, was selbst gegen einen halbtoten Fast-Absteiger deutlich zu wenig ist. Der VfB erlaubt sich wenig Fehler, hat nun mehr Platz zum Kontern und ein Angriff kurz vor Schluss mündet in einem Elfmeter, den Martin Röser riskant aber sicher in der Mitte des Tores versenkt.

Bei den Treffern und nach dem Schlusspfiff herrscht bei mir und dem VfB-Staff eher ungläubiges Staunen, statt helle Begeisterung. Zu sehr hatte sich nach der herben 0:3-Pleite gegen Wiesbaden der Gedanke vom Abstieg eingenistet. Aber Totgesagte leben länger: Nun verbleibt eine theoretische Chance auf den Klassenerhalt. Bis zum nächsten Freitag, denn dann kann Meppen mit einem Sieg in Saarbrücken die zarte Hoffnung schon wieder frühzeitig beenden. Doch immerhin verabschiedet man sich nun einigermaßen sauber aus dieser Spielklasse, wenn der SVM in Saarbrücken gewinnt.

Die Meppener haben die drei Punkte natürlich ebenfalls bitter nötig. Zwar ändert sich an den Tabellenplätzen nach dem Schlusspfiff nichts, doch die Verfolger lauern erfahrungsgemäß genau so, wie der harte Kern der Meppener, der das Team nach der Partie noch zur Rede stellt und das nach einem minutenlangen Dialog am Stacheldrahtzaun selbstverständlich Besserung gelobt. Aus neutraler Sicht spricht allerdings nicht viel dafür. Außer dass Totgesagte halt länger leben. Und das gilt natürlich nicht nur für die Grünen, die im Emsland nochmal mit einem Blauen Auge davongekommen sind.

mm

KFC Uerdingen 05 – VfB Lübeck – 1:1

KFC Uerdingen 05 – VfB Lübeck – 1:1

„DAS ENDE EINES LOTTERLEBENS?“

12.03.2021

3. Liga

Stadion am Lotter Kreuz

Zuschauer: 0 (offiziell)

LOTTE – Nun ist es also so weit, seit ziemlich genau einem Jahr bestimmt die Politik das öffentliche Leben und begründet diese Schritte mit einem neuartigen Virus, das unser Leben gefährdet oder gefährden soll. Am 12. März 2020 fing für mich dieser „Pandemie“ genannte Zustand an. Am Vortag konnte noch ganz unbeschwert ein A-Jugend-Spiel verfolgt werden, einen Tag später – einem Donnerstag – wurden sämtliche Fußballspiele in der Bundesrepublik abgesagt. Grund genug einen damals anstehenden Wochenend-Trip nach Flensburg sofort zu stornieren, denn nicht nur das angepeilte Regionalliga-Spitzenspiel vom SC Weiche 08 gegen den einstmaligen Tabellenführer aus Lübeck fiel den Maßnahmen zum Opfer – das ausgeheckte Ersatzprogramm ganz ohne Fußball konnte nicht überzeugen und schließlich wollten wir alle, naja, Menschenleben retten. Wer will in Flensburg schon tot über’n Zaun hängen?

365 Tage später: Das Ende eines Lotterlebens? Mitnichten, aber wer hätte vor einem Jahr gedacht, dass ein Auswärtsspiel vom Tabellenletzten der 3. Liga ohne Zuschauer in Lotte gegen den KFC Uerdingen Erwachsenen-Augen zum Leuchten bringt? Doch wenn wir mal ehrlich sind: Das passt zu diesem traurigen Jubiläum – bei absolutem Scheißwetter, Orkanböen und strömendem Regen. Schon verrückt, manchmal wird einem Wasser als Wein verkauft. Aber letztlich auch egal, wenn das Zeug wirkt. Vom DFB ist das natürlich gewollt – dort sitzt man zufrieden in der Verbandszentrale, wenn Uerdingen Lübeck in Lotte empfängt, einem Ort, der so klein und unbedeutend ist, dass man dort noch nicht mal einen Regenschirm kaufen kann, wenn es wie aus Eimern schüttet. So deute ich zumindest die völlig überzogenen Auflagen für die 3. Liga und werde nicht müde, diesen Umstand bei jeder Gelegenheit zu betonen. Das „Frimo“-Stadion jedenfalls wurde vom Verband drittligaklassifiziert und es mag UEFA-Mitgliedsländer geben, die an so einem Veranstaltungsort ohne weiteres ihre Länderspiele austragen wollen würden, während sie sich in Lotte auch schon vor Corona mit vermeintlichen Geisterspiel-Kulissen ausgekannt haben…

Es dauert nicht mal zwei Minuten, da bin ich im Stadion. So eine Pandemie hat auch was Gutes: Parken im Schatten der Tribüne, ein paar Unterschriften und Absichtserklärungen vorzeigen und schon ist man drin. Nicht viel los in Lotte und das gilt wohl auch zu Geisterspiel-Zeiten: Eine Handvoll Journalisten, unabkömmliche Mitarbeiter beider Vereine, der Stadionsprecher, Ersatzspieler und Kaderleichen. Und ich – der Mann, ohne den eine Paarung Uerdingen gegen Lübeck in Lotte vor leeren Rängen definitiv keinen Sinn ergeben würde. Ich könnte jetzt pathetisch werden, wie ergreifend es ist, nach so langer Zeit mal wieder ein Spiel seiner Lieblingsmannschaft zu sehen und so weiter und so fort. Aber in erster Linie ist es eine gute Stunde vor dem Anpfiff erstmal nur kalt & langweilig.

Grausam und schrecklich wären zwei weitere Eigenschaften, die auf dem Tisch liegen, wenn die Mannschaft mit den wenigsten geschossenen Toren der laufenden Saison auf die Elf mit der geringsten Punktausbeute trifft. Aber es kommt natürlich anders, sonst würde man halt auch nicht jedes Wochenende bei Wind und Wetter irgendwelche Autobahnen hoch- und runterbrettern. Zumindest zu normalen Zeiten. Schon nach sieben Minuten geht Uerdingen durch einen Kopfball von Adriano Grimaldi in Führung. Mit der ersten Chance. Es folgt beherzter Fußball von den Gästen und es mehren sich die Gelegenheiten zum Ausgleich, der einfach nicht fallen mag. Uerdingen spielt sich im ersten Abschnitt keine einzige Chance vor dem gegnerischen Tor mehr heraus und muss trotzdem nach der Pause sofort das 2:0 nachlegen, denn eine Hereingabe von Mike Feigenspan landet nur auf dem Querbalken und bei einem elfmeterreifen Foul vertritt Spielleiter Patrick Glasner eine Meinung, die den Forderungen des KFC-Staffs konträr gegenüber steht, um es mal vorsichtig auszudrücken.

Krefeld drückt auf das 2:0 – und wieder kommt es anders. Kein Wunder, ich bin ja auch dabei. Und meine letzte VfB-Niederlage als Augenzeuge datiert aus dem Jahre 2017. Vier Jahre keine Pleite live vor Ort miterlebt, Bayern-Fans lieben diesen Trick. In diesem Falle kommt man aber nicht daran vorbei festzustellen: Corona ist mein Glück. Dennoch agiert der VfB in der zweiten Halbzeit nicht wie ein Schlusslicht und nach einer Triple-Chance in Folge einer Ecke ist es schließlich Ryan Malone, der das Kunstleder aus rund 20 Metern in die Maschen drischt und mich als Glücksbringer bestätigt. Ausgerechnet Malone, der hünenhafte US-Amerikaner, den man wahrscheinlich auch für einen Footballer halten könnte, jubelt ikonenhaft im Dauerregen irgendwo im Nirgendwo im Tecklenburger Land und lässt alle Beteiligten Corona und die Geisterspiel-Kulisse für einen Moment vergessen. Tatsächlich leisten die Spieler auf dem zerfurchten Rasen ganze Arbeit und füllen einen Großteil der Spielzeit das Vakuum, das das Zuschauerverbot hinterlassen hat.

In der allerletzten Minute des Spiels zieht ein KFC-Akteur von der Strafraumgrenze ab und der Ball streicht nur Zentimeter über das VfB-Gehäuse. Schließlich ist es vorbei mit dieser Veranstaltung. Der Schiedsrichter pfeift das Duell ab – und dann: Stille. Ich applaudiere den Protagonisten des Abends für ihre Darbietungen und mein leicht euphorisiertes Geklatsche gilt allen Beteiligten, egal welcher Farbe. Denn so ein Leistungsnachweis bei diesem Sauwetter, da kann man ruhig mal Beifall spenden. Allerdings höre ich ziemlich abrupt auf zu klatschen, denn ich bin der einzige Zuschauer, der den Akteuren auf diese Weise Respekt zollt. Um mich herum packen die wenigen Beobachter dieser Partie zügig ihre sieben Sachen ein und verschwinden. Wieder mal ist bloß ein Geisterspiel zu Ende gegangen.

mm

VfB Lübeck – 1.FC Saarbrücken – 1:1

VfB Lübeck – 1.FC Saarbrücken – 1:1

„EINE KERZE FÜR DEN VfB“

19.09.2020

3. Liga

Dietmar-Scholze-Stadion an der Lohmühle

Zuschauer: 1860

LÜBECK – Die Drittliga-Premiere der Hanseaten. Eine Woche vor dem Spiel wurde noch klipp und klar formuliert, dass die Landesregierung maximal 500 Zuschauer zu Sportveranstaltungen zulässt und vom VfB ebenso klar kommuniziert, dass an dieser Regelung nicht zu rütteln sei. Also verplante ich mein Wochenende nahe der Müritz, bei meiner eingeheirateten Familie. Den Sonnabend hielt ich mir dennoch frei – man weiß ja nie. Alles was man in Corona-Zeiten weiß, ist, dass man nichts weiß. Und tatsächlich öffnete die Landesregierung am Dienstag die Schleusen für mehr Zuschauer. Der VfB würfelte am Donnerstag die Mindestkapazität von 1860 Zuschauern aus. Das bedeutete: Mehr Tickets als Mitglieder/Dauerkarteninhaber. Sprich: Ein freier Verkauf stand bevor. Von dem Zeitpunkt an war klar, dass ich den Aufenthalt bei der Oma meines Sohnes würde unterbrechen müssen. Fast 17 Jahre in denen es Niederlagen gegen den BSV „Schwarz-Weiß“ Rehden und den Zipsendorfer FC Meuselwitz hagelte. Immer windig, oft alleine. Diese Belohnung jetzt, musste ich mir abholen. 24 Stunden später hatte ich mein Ticket.

Sinnbildlich: Von Wind und Regen keine Spur – bei bestem Spätsommerwetter empfangen die Grün-Weißen den Mit-Aufsteiger aus Saarbrücken. Die Stehplätze auf den Hintertorseiten bleiben zu, die Schar verteilt sich auf die beiden Sitzplatztribünen. Vor der Haupttribüne hat man ein zweistöckiges Container-Dorf errichtet, das nun alle Kassen abhandelt und den neuen Fanshop beherbergt. Auf der zweiten Etage prangt ein neuer Stadionname an der Außenwand: Dietmar-Scholze-Stadion an der Lohmühle. Dem ehemaligen Präsidenten der Hanseaten wird diese Ehre zunächst für ein Jahr posthum zuteil. Der Einlass zum Stadion erfolgt in gebührenden Abständen, die privaten Sicherheitsleute kennen keinen Spaß. Und als ich die imaginäre, nicht-gekennzeichnete Stadiongrenze in die falsche Richtung verlasse, will man mich nicht wieder reinlassen. Dabei wollte ich nur kurz zum Fanshop. Ich will nicht um den heißen Brei reden: Der Betrieb vor dem Stadion geht mir jetzt schon auf den Sack. Alkoholische Getränke werden nicht ausgeschenkt, okay. Aber alkoholfreies Bier hätte es bei dem schönen Wetter auch getan. Fehlanzeige. Allerdings habe ich auf das ganze Prozedere auf dem Vorplatz – das Schlangestehen, Masketragen und Kontrolliertwerden – eh keinen Bock.

Drinnen dann ein anderes Bild. Die Haupttribüne war zu Regionalliga-Zeiten sicher nicht besser besetzt als heute und das durchmischte Publikum, das sich quer auf die Blöcke G1 bis G6 verteilt, macht einen durchweg motivierten Eindruck. Im Stadion sieht alles wie immer aus, mit einer Ausnahme und einer Ergänzung: Die Stehplätze zwischen Pappelkurve und Haupttribüne sind den Containern gewichen. Und hinter dem Gästeblock hat man eine digitale Anzeigetafel errichtet – die allerdings selbst aus der Ferne stark verpixelt wirkt und außer der Ergebnisanzeige nichts kann. Noch immer gibt es keine Uhr im Stadion – ob nun digital oder analog – das hat mich hier schon als Jugendlicher genervt.

Die grüne Mannschaft kommt auf den Platz, dreht eine Ehrenrunde und erntet stehende Ovation. Das Spiel kann beginnen! Die Elf auf dem Rasen und die Eintausendachthundertsechzig auf den Rängen sind sofort eine Einheit. Beeindruckend was eine halbvolle Tribüne so abliefern kann. Die Zeitung mit den großen Buchstaben schreibt nächsten Tag von einer „Gänsehaut-Atmosphäre“. Dazu trägt auch der frühe Führungstreffer von Patrick Hobsch bei, der den Ball irgendwie – ganz nach seiner Manier – über die Linie stochert. Danach verflacht das Spiel etwas, ohne dass man akut um die Führung fürchten muss. Ballgewinne und Chancen werden frenetisch gefeiert. Genau so hat sich jeder Besucher die Rückkehr in den Profi-Fußball vorgestellt! Die zweite Hälfte verläuft ähnlich, nur dass Grün-Weiß zwei, drei gute Chancen herausspielt und sogar ein Tor nachlegen muss – namentlich zu erwähnen sei hier Stürmer Elsamed Ramaj. Nachdem dies nicht gelingt, versiegt allmählich die beeindruckende Mischung aus Kraft und Konzentration bei den Hausherren. Infolge dessen muss man den Ausgleich der Saarländer schlucken. Fast genau so ein Kacktor wie auf der Gegenseite, denn ein Lübecker kann den Ball noch wegschlagen, bevor er das Netz berührt, so dass leichte Zweifel an dem Gegentreffer bleiben – das Endergebnis allerdings, spiegelt das Kräftemessen auf dem Rasen gut wider. Die 3. Liga ist kein Kindergeburtstag und für drei Punkte hätte man halt die zweite oder dritte Kerze nach der Pause anzünden müssen.

Abpfiff und es wird nach kurzem Beifall sofort die Kurve gekratzt. In der Halbzeit sah ich zufällig, dass man die Regionalliga-Premiere von Phönix Lübeck auf dem Buni nach hintern verlegt hat und doppelt hält nach der langen Corona-Pause in meiner fußballerischen Heimatstadt heute definitiv besser, so dass ich schnell zum nächsten Spiel eile. Außerdem ist mein Auftrag auf der Lohmühle für heute abgeschlossen. Fast 17 Jahre nach meinem letzten Profi-Spiel an diesem Ort bestimmen aktuell leider nicht nur sportliche Gesichtspunkte meinen fußballerischen Alltag. Man sieht sich in der Kreisliga wieder. Oder in zwei Wochen gegen Duisburg. Mal gucken.

mm

Lüneburger SK Hansa – VfB Lübeck – 1:3

Lüneburger SK Hansa – VfB Lübeck – 1:3

24.11.2019

Regionalliga Nord

Jahnstadion Neetze

Zuschauer: 1079

„ENDLICH MAL WIEDER WAS LOS AUF’M DORF“

NEETZE – Mal wieder ein Spiel beim Lüneburger SK – mal wieder ein neuer Platz. Immer der historischen „Alten Salzstraße“ entlang, geht es diesmal von Schleswig-Holstein nach Neetze. Ein ziemlich großes Heidedorf, bekannt für seinen Spargel und passenderweise Teil der „Samtgemeinde“ Ostheide – wie es in Niedersachsen immer so schön heißt. Regionalliga auf dem Lande, da wird gerne mit den Augen gerollt. In Neetze ist das aber anders. Fast könnte man beim LSK schon von einer „SG Lüneburger Heide“ sprechen. Oder: Endlich mal wieder was los auf’m Dorf! Da wo der TuS Neetze letztes Jahr noch in der Kreisliga kickte, hat man die Dorfsportanlage regionalligatauglich hergerichtet. Ein Sportplatz mit Potential – und das hat man erkannt: Hanglage, alte und neue Stufenplätze, Vereinsheim mit Blick auf’s Spielfeld, Kioske und erstklassige Versorgung. Regionalliga in Neetze macht Spaß! Auch wenn das Dorf etwa 15km von Lüneburg entfernt liegt. Der LSK konnte seine Zuschauerzahlen dennoch um gut 25% steigern und „auffällig viele Autos mit Uelzener Kennzeichen oder aus dem Landkreis Lüchow-Dannenberg“ seien auf den Parkplätzen rund um das Jahnstadion anzutreffen, wie an diesem Sonntag vor dem Spiel die „Landeszeitung Lüneburg“ zu berichten weiß. Heute strömen über Tausend Zuschauer in das kleine Behelfsstadion am Rande des Spargelfeldes. Das liegt natürlich ebenso an dem guten Saisonstart der Lüneburger. Und am Gegner vom anderen Ende der historischen Salzstraße: VfB Lübeck.

Während die Heidestädter mit altem Trainersgespann in neuer Rollenverteilung – Trainerfuchs und Chefcoach Rainer Zobel rückte für den 40 Jahre jüngeren Qendrim Xhafolli auf den Posten des „Teamchefs“ zurück – und einem historisch-guten Saisonstart ausnahmsweise mal vor einer sorgenfreien Weihnachtsfeier stehen, ist die Lage beim selbsterklärten Meisterschaftsfavoriten aus Lübeck schon etwas verzwickter: Trotz sehr guter Punktausbeute verspielten die Mannen um Rolf Martin Landerl zuletzt einen passablen Vorsprung auf den ärgsten Verfolger aus Wolfsburg, der nach einer Siegesserie mittlerweile die Tabellenspitze übernommen hat. Vor dem ausgefallenen Heimspiel gegen Altona 93 eine Woche zuvor, überrumpelte VfB-Sportdirektor Stefan Schnoor den Trave-Klub mit einem spontanen Rücktritt, nachdem man in einer internen Sitzung zu der Auffassung gekommen war „verschiedene Ansichten über die sportliche Ausrichtung des Vereins zu vertreten“. Unter dem ehemaligen Bundesliga-Spieler hatte man mühelos den endgültigen Sprung in die Riege der Top-Vereine der Liga geschafft, Schnoor verhalf der Truppe mit seinen Personalentscheidungen zu einer Struktur, die sie heute auszeichnet. Und um weiter mit der Junioren-Abteilung der „Wölfe“ Schritt halten und möglicherweise einem Aufstieg ins Auge fassen zu können, benötigt man heute in der Lüneburger Heide unbedingt drei Punkte. Schöne Bescherung.

Für knisternde Vor-Adventsstimmung scheint also gesorgt. Und dann? Nichts. Nach fünfundvierzig Minuten delegiert der Pfeifenmann Akteure und Zuschauer in die Pause. Höchstens die letzten Minuten vor der Halbzeit versprachen Spannung, in denen der VfB eine und der LSK zwei sehr gute Chancen vergaben. Das ändert sich nach dem Kabinengang. Und zwar drastisch. Nur ein paar Augenblicke nach Wiederanpfiff und die Hausherren nutzen per Super-Pass in den freien Raum einen vom Schiedsrichter gewährten Vorteil. Fabio Istefo in der Mitte muss nur noch seinen Schlappen hinhalten. Keine zwei Minuten sind da gespielt. Der VfB ist wütend und wer sonst als der ehemalige Bundesliga-Spieler Ahmet Arslan ist in der Lage für den Ausgleich zu sorgen? Der letztjährige Königstransfer von Stefan Schnoor sorgt mit einem wunderbaren Solo für das postwendende 1:1. Manchmal ist ein Spiel nach so einer kurzen Folge von Höhepunkten schnell beendet. In Neetze fängt der Spaß erst richtig an. Zunächst stößt der Lübecker Yannick Deichmann einen Gegenspieler etwas unnötig hinter der Torauslinie zu Boden – Tumulte bei den Gastgebern. Genau vor den Gästefans. Rudelbildung auf dem Platz, Rudelbildung im Block. Der pickepackevolle Auswärtsblock lässt es sich dabei nicht nehmen, ein Zaunelement zum Einsturz zu bringen. Nichts Neues in den neu errichteten „Gäste-Gefängnissen“ der norddeutschen Regionalliga-Republik. Bereits in Hannover und bei Altona 93 spielten sich ähnliche Szenen im Lübecker Bereich ab. Ein bisschen Rütteln und schon findet man Formulierungen wie diese auf den Websites der Regionalligisten: „Überhitzte Fans stiegen auf die Umzäunung, ein großes Zaunteil wurde herausgerissen. Minutenlange Unterbrechung. Die zahlreich vertretene Polizei in Alarmstimmung“ (Lüneburger SK). Nun ja, die VfB-Fans richten die flattrigen Absperrung von ganz alleine wieder auf. Es postieren sich fortan ein paar Beamte vor dem Block. Regionalliga auf dem Dorf.

Wegen so einem Baumarktzaun im Gästeblock beim Hannoverschen SC, verdonnerte ein NFV-Gericht die Lübecker übrigens zu einem „Seminar zur Gewaltprävention an dem man mit zwei Personen teilzunehmen hat“. Der VfB lehnte ab und muss nun 700 Euro Strafe zahlen. Andere Sache. Die Geschichte des Spiels jedenfalls, ist noch nicht vorbei. Nächstes Kapitel: Elfmeter für die Gäste! Spiel gedreht? Mitnichten. Diesmal ist Arslan der tragische Held und verschießt den Strafstoß – LSK-Keeper Ole Springer kratzt die Kugel mit den Fingerkuppen aus dem rechten, unteren Eck. Doch der VfB-Auftritt nach dem Rückstand hat gesessen. Gäste-Trainer Landerl stellt die Mannschaft auf 3-5-2 um und die Elf zieht Angriffe wie eine spanische Spitzenmannschaft auf: Ständig zirkuliert der Ball in den eigenen Reihen. Trotzdem muss ein wirklich hässliches Tor in Folge einer Ecke für die Führung herhalten. Der Kopfball von Patrick Hobsch – übrigens der Sohnemann vom Deutschen Meister Bernd Hobsch – wird vermutlich kurz hinter der Linie von einem Lüneburger geklärt. Das „Hawk-Eye“ sucht man in dieser Spielklasse vergebens. Und bei dem trüben Wetter nützen auch die besten Adleraugen nichts. Lübeck dreht die Partie – diesmal benehmen sich die Heimfans daneben und bewerfen den Linienrichter mit einem Bierbecher. Der kleine Haufen LSK-Fans erweckt auch sonst eher den Eindruck, als wenn er in seiner Freizeit arglose Personen mit alkoholischen Getränken bewirft. In der Nachspielzeit krönt der starke Deichmann seine Leistung und erzielt mit einem abgefälschten Schuss das Endergebnis. Das Spiel trudelt sich aus. Abpfiff: Die Zuschauer strömen zurück in den Ort aus dem sie gekommen sind oder auf die Kuhweide, wo die auswärtigen Autos parken. Der düstere November-Tag ist mit Einsetzen der Dämmerung abrupt beendet. Für heute hat das Dorf genug gesehen.