„DIE ANDERE SEITE DES FUẞBALLS“
25.03.2024
Herzogtum Lauenburg
Schleswig-Holstein
Sportplatz am Gemeindezentrum
Zuschauer: ca. 50
ZIETHEN – Das letzte März-Wochenende wurde ausnahmsweise fernab von jeglichen Fußball-Ambitionen verbracht. Am Sonntag sollte es trotzdem mal rausgehen – auf die andere Seite des Fußballs. Während fast jedes Wochenende Pyro-Fackeln gezählt und Flugmeilen gesammelt werden, ging es diesmal nur ein paar Fahrradminuten Richtung Mecklenburger Grenze. Das kleine Dörfchen Ziethen liegt so nah an Ostdeutschland, dass es vor dem Krieg jahrhundertelang dem Herzogtum Mecklenburg-Strelitz angehörte und erst im Zuge von irgendwelchen kruden Grenzziehungen nach dem großen Knall Schleswig-Holstein zugeschlagen wurde.
Alles lange her, mittlerweile interessiert die Dorfbewohner nur noch die Kreisklasse B. Das jedenfalls, ist durchaus als Erfolg zu bewerten. Denn der SSV tritt erst seit 2 Jahren wieder als eigenständige Elf an. Zuvor spielte man in einer SG mit der benachbarten Kreisstadt Ratzeburg bzw. konnte gar keine Elf stellen. Im ersten Jahr nach dem Relaunch folgte gleich der Aufstieg in die B-Klasse. Vielleicht erklärt dieser Umstand die intensive Atmosphäre am Sportplatz im Herzen der Gemeinde.
Im Spitzenspiel der Kreisklasse Lauenburg war die Mannschaft aus Lütau im Osten des Kreises zu Gast. Ein schönes Dörfchen bei Büchen, das für seine Säfte hamburgweit bekannt ist. Von Anfang an kam man aus dem Staunen nicht mehr heraus. Der kleine Hoppelplatz, den man zu Gesicht bekommt, wenn man die Treppe zum Ground hinunterstiefelt, versprach sofort ein Spiel voller Kuriositäten und Anekdoten. Und es dauerte nicht lange, da lag der Tabellenvierte aus Ziethen dank Eigentor, Platz- und Torwartfehler mit 2:0 in Front.
Lütau hatte sich eine Menge vorgenommen. Als Zweiter in der Tabelle konnte man mit einem Punkt bereits auf den ersten Rang springen. Und mit zwei sehenswerten Treffern kam man schnell in das Spiel zurück. Von nun an wurden die Tore weniger, doch die Highlights mehrten sich. Nach einem Pressschlag erntete die Nummer 9 der Gastgeber eine Gelb-/Rote-Karte, die nach Beleidigungen in glatt Rot umgewandelt wurde. Aus einem guten Spiel wurde ein wahnsinniges Spiel. Die Portion Adrenalin hatte Ziethen gebraucht – denn nun warf man alles nach vorne und wollte die vermeintliche Fehlentscheidung rächen. Mit dem Halbzeitpfiff traf ein Spieler per Hinterkopf zur erneuten Führung. Grenzenlose Freude: Ersatzspieler, Zuschauer, Grillmeister und Vereinslegenden in einer Jubeltraube auf dem Platz vereint!
Nach der Pause verteidigte der SSV kompromisslos – auf dem Rasen und auf den Rängen. Das Gepöbel an der Seitenlinie war teilweise wirklich unter der Gürtellinie, aber die Taktik ging auf: Hier arbeiteten alle an den drei Punkten und Lütau ließ sich davon beeindrucken. Fußballerisch passierte nicht mehr viel. Es gab auf beiden Seiten einen Elfmeter. Wobei „Heim“ die Chance für den Endstand nutzte und „Gast“ sich von der Nervosität der „Heimkurve“ einfach nicht freimachen konnte und vergab. Die sagenhaft gute Leistung des Ziethener Keepers tat ihr Übriges. In der Haut des arg verrufenen Schiedsrichters wollte wohl niemand stecken. Der Platzverweis war vertretbar und auch sonst gab es keinen Kartenhagel für diverse Knochenbrecherfouls. Kurzum: Der Schiri hatte die Partie im Griff. Aber das ist an solchen Orten immer nur die halbe Wahrheit.
Abpfiff. Heimsieg. Tumulte. Pyrotechnik. Und doch wieder mittendrin. Da mehrfach gezündet wurde, scheint diese Art von „Support“ wohl auch System zu haben. Probiert sie mal wieder aus, die andere Seite des Fußballs. Die kerosinarme Anreise tut dem Wurstbauch gut und wenn man das Verlangen hat diese entstandene Delle auszubessern, dann helfen Würstchen für zwei Euro und Flaschenbier für Einsfünfzig schnell nach. (mm)







