Raith Rovers FC – Dundee United FC – 2:1

16.02.2024: Raith Rovers FC – Dundee United FC – 2:1

„HISTORISCHER ABEND IN KIRKCALDY“

Schottland

Championship

Stark’s Park

Zuschauer: 7.923

KIRKCALDY – Die BBC verschob das Topspiel der zweiten Liga auf den Freitag. Raith Rovers vs. Dundee United live im Fernsehen um 19:45 Uhr! Der Zweite gegen den Ersten. Dies kam für uns perfekt, denn unser Flieger sollte um 18:05 Uhr in Edinburgh landen. Genug Puffer, um nach Kirkcaldy zu kommen. Es lief auch alles glatt. Auf’m Rollfeld in Hamburg überholte unsere Maschine den Ryanair-Flieger zur gleichen Destination, bei der Hertz-Autovermietung stand keiner vor uns und der Hyundai glänzte mit einem Automatikgetriebe im Linksverkehr. Somit kamen wir pünktlich um 19:18 Uhr an der Esplanade an und stellten unser Auto neben den Parklücken ab, denn hier war alles voll.

Sonst kommen eigentlich keine 3.000 Zuschauer zu den Rovers, aber heute sollte alles anders sein. Wir betraten das Stadion und setzten uns quasi auf’n Boden, denn die Sitzschalen wurden hier sehr tief platziert. Dies ist aber auch kein Wunder, denn das Stadion hatte bei der Eröffnung 1891 wahrscheinlich nur ein paar Stufen und keine Schalen.

Die beiden Mannschaften wurden euphorisch von beiden Fanlagern empfangen. In der ersten Hälfte hatten beide Teams ihre Chancen und konnten sich jeweils auf dem Anzeigeboard platzieren. Die zweite Hälfte plätscherte eigentlich ein bisschen vor sich hin, bis der Stadionsprecher die heutige Zuschauerzahl in der 78sten Minute mitteilte: 7.923 – ausverkauft! Das gab es in der Geschichte der zweiten schottischen Liga noch nie. Für die heimischen Raith Rovers war dies auch ein Novum.

Das historische Spiel hatte aber noch eine Pointe: In der 88. Spielminute prallte der Ball von einer Ecke zurück zu Scott Brown, der fasste sich ein Herz und ballerte das runde Leder aus 25 Metern volley in den Knick. Extase pur im Stark’s Park! Der Jubel war grenzenlos. Kurze Zeit später war Schicht und die Mannschaft wurde von den heimischen Fans frenetisch gefeiert. Die ca. 2000 Gästefans aus Dundee mussten den Rückweg ohne Punkte antreten, hatten aber die Ehre uns zu begleiten, denn unsere Unterkunft lag für die nächsten zwei Tage genau in dieser Stadt.

Das Stadion steht natürlich mitten in der Stadt und bietet den Zuschauern vier Tribünen. Die größeren Tribünen befinden sich hinter den Toren und sind für die jeweiligen Fanlager geschaffen. Gegenüber auf der Geraden wurde mittlerweile das meiste abgesperrt. Ich denke die kleine Gegentribüne ist ein bisschen in die Jahre gekommen. Der Main Stand selbst ist wahrscheinlich auch von 1891, denn hier ist alles super eng und alt. Dazu endet die Tribüne kurz hinter der Mittellinie und besitzt noch eine ganz kleine Kurve.

Ein historischer Abend im Stark’s Park. Nächstes Jahr könnten weitere Folgen, denn der Aufstieg ist dieses Jahr möglich! Dann würden hier bestimmt ein paar magische Momente gegen die Rangers oder Celtic folgen. Man kann nur die Daumen drücken! (mb)

TuS Makkabi Berlin – FC Anker Wismar – 0:0

04.02.2024: TuS Makkabi Berlin – FC Anker Wismar – 0:0

„EIN STINKNORMALER SONNTAG IN BERLIN“

Julius-Hirsch-Sportanlage

NOFV-Oberliga Nord

Zuschauer: 48

BERLIN – Alle die mit Anker Wismar auf Kaperfahrt gehen, müssen weite Wege ertragen! Der Anker muss in dieser Saison insgesamt neun Mal in Berlin geworfen werden. Am gestrigen Sonntag waren die Gäste beim TuS Makkabi zu Gast. Ein Verein, der in den letzten Monaten durch die Unruhen im Gaza-Streifen des Öfteren in den Medien stand. Seitdem können die Spiele vom TuS nicht mehr ohne Begleitung der Polizei durchgeführt werden. Dieses Szenario wollte ich mir heute mal etwas genauer angucken, auch wenn das Spiel auf dem Nebenplatz angesetzt war.

Mit der S9 ging es bis zur Messe Süd, am Mommsenstation vorbei und auf die Julius-Hirsch-Sportanlage. Dort begrüßte uns schon der Bus aus Wismar. Am Eingang zum Nebenplatz bekamen die zahlenden Gäste keine Eintrittskarte, sondern ein Bändchen plus Programmheft. Wir nahmen direkt auf einer der beiden Bänke Platz und schauten uns das Spiel in guter Begleitung von ein paar Dauergästen mittleren Alters an. Pünktlich zum Anstoß gesellten sich auch zwei Mitarbeiter der Polizei hinter den Zaun und erlebten wahrscheinlich den entspanntesten Arbeitstag ihrer Laufbahn. Einzig und allein die Frage nach der Zuschauerzahl stand heute auf ihrer To-do-Liste. Das Spiel war wirklich auch kein Zuckerschlecken. Ein 0:0 in seiner trostlosesten Ausführung. Kaum Chancen, beide Teams neutralisierten sich und in den Lücken des Zauns kam auch keine Stimmung auf.

Mit 48 Zuschauern erlebte ich die zweitniedriegste Zuschauerzahl meiner „Laufbahn“ in der fünften deutschen Liga. Einzig und allein in Bremen kamen einst noch weniger zu einem Oberliga-Kick – bei Minusgraden unter der Woche. Trotz der ganzen trostlosen Ereignisse in den 90 Minuten gab es auch einen Lichtblick in meiner persönlichen Lieblingsoberliga: Am Verkaufsstand wurde die neue Fritteuse eingeweiht und zur Feier des Tages standen sämtliche Saucen zur Auswahl. Ein bisschen Belgien/Holland-Feeling kam da auf.

Unterm Strich war es bestimmt nicht die größte Veranstaltung aller Zeiten, bei einem eigentlich stinknormalen Fußballverein in Berlin.

Makkabi, ich komme wieder… Für den Rasenplatz nebenan. (mb)

KFC Uerdingen 05 – FC Büderich 02 – 0:2

09.12.2023: KFC Uerdingen 05 – FC Büderich 02 – 0:2

„SAMT & SEIDE IN DER GROTENBURG“

Grotenburg-Stadion

Oberliga Niederrhein

Zuschauer: 1.870 (davon ca. 40 Gäste)

KREFELD – Im Rahmen einer Wochenendtour tief im Westen der Republik stand unter anderem ein Besuch der

alt-ehrwürdigen Grotenburg auf dem Plan. Nach einem Abstecher ins Grenzlandstadion in Mönchengladbach erwartete mich die frühere Samt- und Seidenstadt Krefeld.

Vom Glanz früherer Tage ist heute wenig übrig geblieben. Je nach Blickwinkel ist die Stadt vom 80er-Jahre-Gammel/Charme geprägt. Die meisten Textilbetriebe mussten aufgrund der Billiglohnkonkurrenz schließen und auch der früher allgegenwärtige Bayer-Konzern hat sich mittlerweile komplett aus Krefeld zurückgezogen. Geblieben ist aber unter anderem die Dujardin-Brennerei. Weinbrand (mit Cola) passt auch ganz gut zum 80er-Bild.

Zur Stärkung vor dem Spiel durfte der eigentlich etwas weiter nordöstlich beheimatete Taxiteller nicht fehlen und dann ging es auch schon in den Stadtteil Bockum. Bei Eröffnung 1927 fasste die Grotenburg 18.000 Zuschauer. Über die Jahrzehnte wurde das Stadion weiter ausgebaut und insbesondere die großen Stehbereiche hinter dem Tor hievten die Kapazität auf 34.500 Besucher.

Der Ausstieg von Bayer 1995 läutete dann aber den Niedergang ein und die Grotenburg verfiel zusehends. 2013 sperrte die Stadt sogar die Stehränge komplett. Gottlob entschieden sich die Verantwortlichen 2018 gegen einen Neubau und für eine Sanierung, die dank ehrenamtlicher Hilfe der Fans ins Rollen kam und weiter andauert. Aktuell können die Nord- und Südtribüne sowie der Block S auf der Westtribüne geöffnet werden.

Nach turbulenten Jahren mit drolligen Episoden wie der Ailton-Verpflichtung, einem Stadion-Umzug oder dem zwielichtigen Russe Ponomarev, befindet sich der KFC sportlich mittlerweile in der Oberliga Niederrhein. Eigentlich sollte endlich Ruhe einkehren, aber wegen ausbleibender Zahlungen des neuen Hauptsponsors ist der Verein schon wieder in Schwierigkeiten. Gehaltszahlungen mussten bereits verschoben werden und die Ultras Krefeld haben eine Rettungsaktion ins Leben gerufen.

Nun aber zum Spiel. Trotz aller Unruhe ging Uerdingen mit sieben Siegen am Stück in die Partie. Gegner war der Aufsteiger und Tabellenletzte FC Büderich 02 aus Meerbusch, aufgrund des höchsten Durchschnittseinkommens in NRW gerne auch „Stadt der Millionäre“ genannt. Wie passend. Bei Dauerregen versteckte sich Büderich nicht und kam ein paar Mal vor’s Tor. Uerdingen steigerte sich nur langsam und drehte erst zur zweiten Halbzeit auf. Allerdings verhinderten die Latte und ein gut aufgelegter Gästetorwart die Führung, welche dann auf der anderen Seite fiel. Nach Ballverlust und Konter konnte die Nr. 20 von Büderich nur per

Foul gestoppt werden. Den fälligen Elfmeter verwandelte ein Ex-Uerdinger, der in der Nachspielzeit sogar noch das 0:2 drauflegte. Völlige Ekstase bei den ca. 40 mitgereisten Vereinsopas und Jugendkickern.

Letztlich alles nebensächlich. Star des Abends war natürlich das Stadion selbst und jeder sollte sich bei seinem Besuch genug Zeit für Fotorunden nehmen. Hoffentlich kehrt der KFC Uerdingen in den nächsten Jahren (auf gesundem Fundament) zumindest in die RL West zurück, sodass auch interessante Fanszenen den Weg nach Krefeld finden. Bis dahin dürften Spiele im Niederrhein-Pokal (im neuen Jahr Halbfinale gegen RWE) die Highlights bleiben. (HR)

FC Petrolul Ploieşti – FC Botoșani – 2:1

24.11.2023: FC Petrolul Ploieşti – FC Botoșani – 2:1

„DER ‚AUSVERKAUFTE‘ LÄNDERPUNKT“

Stadion „Ilie Oană“

Zuschauer: 7.800

SuperLiga României

Rumänien/1. Liga

PLOIEŞTI – Für die Reisegruppe „Linkshänder“ waren ein Tag vor der Abreise eigentlich alle Fragen geklärt. Die Karten fürs Bukarest-Derby waren eingepackt, die Unterhosen abgezählt und bei Wizz Air hatten auch alle erfolgreich eingecheckt.

Bis gegen 18 Uhr die seltsame Nachricht durchsickerte: Das Spiel am Freitag ist ausverkauft! Bitte was? Petrolul Ploieşti verkaufte die Karten für dieses Spiel nur im Paket mit dem Derby gegen Rapid. Der Verein postete auch fröhlich, dass das Spiel morgen ausverkauft ist und es keine Karten mehr gibt. Auf Nachfrage beim Verein kam dann die Rückmeldung „es wird noch wenige Karten an der Tageskasse geben“. Spoiler alert: vor Ort war es nicht im Ansatz ausverkauft und es gab auch reichlich Karten für alle die hier verweilen.

Am Freitag ging es dann relativ pünktlich mit Wizz Air nach Bukarest. Die Bolt-App wurde angeworfen und los ging es nach Ploiesti. Im Bolt-Taxi orderten wir uns noch schnell ein Hotel direkt am Stadion. Kurz die Sachen ins Hotel gebracht, ein Wegbier mitgenommen und ab ging es ins Stadion: Für umgerechnet drei Euro gab es dann zahlreiche Tickets an der Tageskasse, aber leider kein grandioser Verkauf. Kalte alkoholfreie Getränke und kalte Wurst im „Fransk Hotdog“. Klasse, Lasse!

Pünktlich zum Anstoß erahnten wir hier zwei Fanblocks. Beide platzierten sich jeweils hinterm Tor und waren fast gleich stark vertreten. Die 399 Kilometer aus Botoşani nahmen exakt zwei Top-Lads auf. Lustige Anekdote zu den beiden: Beide saßen einzeln und feierten nicht zusammen.

In der ersten Hälfte passierte nicht allzu viel. Beide Teams hatten jeweils eine Chance und Heim wurde durch den VAR ein Elfmeter aberkannt. In der zweiten Hälfte ging der Favorit schnell mit 2:0 in Führung. Am Ende wurde es nochmal spannend, da die Gäste einen Handelfmeter verwandelten. Für die Botoşani-Kicker reichte es aber am Ende trotzdem nicht zum Punkt. Auf den ersten Saisonsieg warten sie auch heute noch. Für die beiden Gästefans ging es dann wahrscheinlich wieder allein nach Hause.

Wir suchten nachdem Spiel noch erfolglos ein Restaurant oder eine Kneipe. Fündig wurden wir nur in der angrenzenden Tankstelle. In der Hotellobby gab es dann noch das ein oder andere Dosenbier. Viel mehr bekommt man in Ploieşti nicht geboten.

Das Stadion wurde 2011 eröffnet und ist ein klassischer Neubau, wie er auch in Regensburg stehen könnte. Vier Tribünen und eine schicke Außenfassade, die nicht wirklich in die Plattenbau-Umgebung passt. (MB)

Deportivo Toluca FC – CD Chivas de Guadalajara: 1:1

Welch eine Ehre! Der Schwechheimer Landbote hatte eine Akkreditierung in Mexiko! Für unseren Lateinamerika-Korrespondenten Marius Beu hieß es:

„WELCOME TO THE JUNGLE – PROFI-FUẞBALL AUF 2660 METERN HÖHE“

01.10.2023

Deportivo Toluca FC – CD Chivas de Guadalajara: 1:1

Liga MX

Zuschauer: 27.273

TOLUCA – Der Spielplan warf uns am ersten Tag im Oktober nur ein Spiel aus: Toluca gegen Chivas. Toluca liegt rund 70 Kilometer und weitere 400 Höhenmeter von der Hauptstadt Ciudad de México entfernt. Im Land der Busfahrer sollte diese Entfernung eigentlich kein Hindernis sein. Denkste! Nach Toluca fährt der Bus nur vier Mal am Tag. Um 08.30 und 08.45 sowie um 12.30 und 12.45 Uhr. Währenddessen gibt es täglich 134 Verbindungen nach Puebla. Somit stiegen wir in den Bus um 12.30, der das Ziel Guadalajara hatte. Angekommen in Toluca beantwortete uns der sehr nette Uber-Fahrer auch schon warum hier keiner hinwill. Zitat: Welcome to the Jungle, Toluca ist für ihn der beschissenste Ort in ganz Mexiko. Die Leute werden von der Politik allein gelassen und hier sollte man zu jeder Minute auf seine Sachen aufpassen.

Das sind ja super Voraussetzungen für einen Stadionbesuch mit über 27.000 Zuschauern!

Mit leicht mulmigem Gefühl ging es dann zum Stadion und dort wurden wir eines Besseren belehrt. Die Fans feierten vorm Stadion eine Party und wir wurden im Stadion super herzlich empfangen. Die Deutschen sind da, was für eine Ehre! Da geriet der Besuch der mexikanischen Legende Oswaldo Sánchez fast schon in den Hintergrund.

10 Minuten vor Anpfiff waren auch alle drin, links von uns eine Stehtribüne für die Ultras, rechts für die Gäste. Die „Roja Diablos“ wurden von ihren Fans frenetisch empfangen. Im „La Bombonera“ wird es hier richtig laut! Die Tribünen sind super dicht am Spielfeld und der Schall kann hier fast gar nicht entfliehen. Dazu sangen die Ultras der Diablos über 90 Minuten und wenn von der anderen Seite „Chivas, Chivas“ ertönte, dann hörte man seinen lieben Nachbarn nicht mehr.

Spielerisch wurde uns tatsächlich auch einiges geboten. Toluca nahm als Hausherr das Heft in die Hand und generierte Chance um Chance, traf nur leider nicht ins Netz. Als wir Anfang der zweiten Hälfte dachten, das wird hier heute nichts mehr mit einem Tor, belehrten uns die Hausherren erneut eines Besseren: Schöner Pass in die Schnittstelle, der Stürmer läuft ein – Tor! Das Bombonera bebt!

Kurze Zeit später die Ernüchterung: Chivas trifft mit seinem ersten Torschuss zum 1:1. Die Gäste verwalteten danach das Unentschieden in bester italienischer Manier und nach 90+7 Minuten war dann Schluss im Hexenkessel auf über 2.660 Meter! Für den ein oder anderen Besucher aus dem Ausland auch nicht schlecht, da die Luft langsam relativ dünn wurde.

Der Rückweg gestaltete sich dann etwas schwierig, da der besagte Bus natürlich um 19.00 Uhr schon zurückfuhr. Beim Anstoß um 17.20 war dies natürlich gar keine Option. Nach 20minütiger Wartezeit erbarmte sich ein netter, aber auch stiller Uber-Fahrer und fuhr uns für einen sehr guten Taler zurück in die Landeshauptstadt.

Toluca, es war uns eine Ehre! (MB)

FK AP Brera Strumica – FK Gostivar – 5:4 n.E. (0:0)

25.10.2023: FK AP Brera Strumica – FK Gostivar – 5:4 n.E. (0:0)

„MAILAND ODER MADRID – HAUPTSACHE: MAZEDONIEN“

Sportski Centar Pandev

Zuschauer: ca. 200

Nordmazedonien

Kup na Makedonija

STRUMICA – Am Ende des Tages ärgerte ich mich trotz der Entscheidung im Elfmeterschießen nicht zu Sileks Kratovar gefahren zu sein. Dort fielen in authentisch-mazedonischer Umgebung fünf Tore in einem spannenden Achtelfinale, während in dem klotzneuen Stadion der Kaderschmiede von Goran Pandev, dem Rekordnationalspieler Nordmazedoniens, 90 Minuten um den heißen Brei herumgespielt wurde. In den letzten 3 Spielen, die ich in Nordmazedonien gesehen habe, sah ich nur Elfmetertore und davon gerade mal ein einziges in der regulären Spielzeit. In allen drei Spielen gab es direkt in der 1. Minute eine hundertprozentige Torchance, diesmal sogar einen Pfostentreffer, ehe für die übrigen 89 Minuten in den grausam-neutralisierenden, ineffizienten Mazedonien-Modus geschaltet wurde.

Doch als erfahrener Mazedonien-Reisender, 29 Jahre nach meinem ersten Aufenthalt in dem Land, schockt mich nicht mal mehr der Spielstil der dortigen Rumpeltruppen. Der neue Ground vom „FK Akademija Pandev“, der sich seit diesem Jahr „FK AP Brera Strumica“ nennt, ist auf den ersten Blick ein ganz schöner Klunker. Auf den zweiten Blick ist er ein unfertiger Rohbau, mit dem der „TÜV Süd“ kurzen Prozess machen würde – wie fast jedes Haus und jede Baute in Nordmazedonien. Eyecatcher ist ganz klar das futuristische Akademie-Gebäude, in dem außen eine Tribüne integriert ist. Sonst bietet der Ort eigentlich nichts. Die Akademie scheint innen bis auf die Kabinen im Keller kaum fertig zu sein. Zwar hängen Öl-Gemälde von Goran Pandev an der Wand, doch auf dem Boden stolpert man alle zwei Meter über eine Bohrmaschine. Kein einziger Sitz auf der Tribüne ist festgeschraubt, so dass die Plastikstühle immer mal wieder von der Tribüne purzeln.

Warum ein Pokal-Achtelfinale um 14 Uhr auf einem Mittwoch ausgetragen wird, bleibt das große Geheimnis des nordmazedonischen Fußballverbands. Daher verirrten sich vielleicht gerade mal 200 Seelen an den Stadtrand Strumicas im Südosten des Landes und bezahlten rund 3 Euro Eintritt für diesen Kick. Im Ausschank gab es nur Wasser und vor dem Stadion die berühmten Kürbiskerne. Aber das Spiel soll hier eigentlich gar nicht großes Thema sein und war an diesem Mittwoch-Nachmittag auch nicht der Rede wert. Denn bei der Recherche bezüglich der Umbenennung des Vereinsnamens stolperte ich über einen Mailänder Stadtteil und die „Fenix Trophy“. Und so hatte dieser Grottenkick dann doch seinen Mehrwert.

Die Recherche ergab, dass der Brera FC, ein „fannaher“ Verein aus dem gleichnamigen Mailänder Stadtteil und Mitbegründer der „Fenix Trophy“, dem „Europapokal für Non-Profit-Teams“, vor gut einem Jahr vom US-Finanzjongleur Chris Gardner übernommen wurde. Chris Gardner ist Selfmade-Millionär und seine Geschichte wurde mit Will Smith verfilmt („Das Streben nach Glück“). Der Verein passt zu seinem Image. Leider passt aber auch die neugegründete „Brera Holding“ zu dem Image dieser Branche. Die „Multiclub Ownership“ ist NASDAQ-notiert und hat neben den Italienern auch den mazedonischen Pokalsieger von 2019 und ein Team aus Mosambik übernommen. Das Geschäftsmodell verspricht mit einer „einzigartigen Wertschöpfungsmethodik Rendite zu bieten“ und agiert „weltweit“, wie man auf der Homepage nachlesen kann. Und das obwohl man den Brera FC in Italien jüngst vom Spielbetrieb abgemeldet hat. Das Börsenunternehmen will auch ohne aktives Team zur „Nummer 3“ in Mailand aufsteigen und organisiert noch immer die Austragung der Fenix Trophy.

Kennen wir alles und ist für’n Arsch. Selbst wenn Will Smith die Fäden zieht. Oder um es ganz einfach auszudrücken: Fick dich, Fenix Trophy! (MM)

TuS Rotenhof – Osterrönfelder TSV – 5:0

23.08.2023: TuS Rotenhof – Osterrönfelder TSV – 5:0

„ZWISCHEN DERBY UND TRAGÖDIE“

Sportanlage Fockbeker Chaussee

Zuschauer: 350

Landesliga Schleswig

RENDSBURG – Dem „Rendsburger Herbst“ sei Dank fand dieses Derby in der Landesliga an einem Mittwoch statt. Denn die Osterrönfelder trumpften auf dem Volksfest mit einem eigenen Stand auf – ist ja klar, da ist ein Spieltermin am Wochenende ungünstig. Rund 400 Zuschauer betraten den herausgeputzten Ground bei solidem Sommerwetter an diesem Abend. Neu ist eine unüberdachte Sitzplatztribüne über den Stehstufen. Auch sonst macht der Ort mit vielen kleinen Details und guter Versorgung auf sich aufmerksam.

Es kommt schon nicht von ungefähr, dass der Verein seit einigen Jahren an das Tor zur Oberliga klopft. Das sieht man an jeder Ecke und nicht nur auf dem Rasen. Vor wenigen Wochen stand man bis in die Nachspielzeit als Aufsteiger fest, ehe der VfR Neumünster in den letzten Sekunden den Rendsburgern das Oberliga-Ticket entriss. Letztes Jahr nach einem Auswärtssieg beim TSV Kropp gab es großes Gezeter unter den mitgereisten Meckerrentnern – dabei hatte man das Spiel gewonnen. Die Ansprüche in Rotenhof sind also gewachsen.

Diesmal gab es wenig zu beanstanden: In einem zunächst ausgeglichenen Spiel übernahm Rotenhof nach und nach das Zepter und verewigte sich als aktivere Mannschaft völlig zu Recht fünf Mal in der Torschützenliste. Ein Elfmeter war der Türöffner und beim dritten Tor aus spitzem Winkel von der Torauslinie, hat sich Lothar Emmerich vermutlich im Grabe umgedreht. Die Gäste aus Osterrönfeld gaben sich nicht auf und hatten eine gute Portion Mitleid spätestens verdient, als der Referee einen berechtigten Elfmeter beim Stand von 0:4 oder 0:5 nicht geben wollte.

Es gibt so Tage, an denen einfach nichts klappen will. So ähnlich und noch viel schlimmer konnte man wohl auch das Heimspiel von Rotenhof 11 Tage zuvor gegen den Husumer SV beschreiben. In der 28. Minute fiel der Husumer Valentin Sinzel ohne gegnerische Fremdeinwirkung auf den Rasen. Der Nordfriese musste notoperiert werden – Hirnblutung und Schlaganfall. Mit 25. Aus diesem Grund präsentierten Spieler beider Teams vor dem Anpfiff ein Banner mit der Aufschrift: „Kämpfen Valle, du schaffst das!“.

Der Pöbelfaktor an diesem Abend hielt sich bei den Meckerrentnern danach ausnahmsweise mal in Grenzen, hatte man das Gefühl. (mm)

Moldawien – Polen – 3:2

20.06.2023: Moldawien – Polen – 3:2

„STERNSTUNDEN DES MOLDAWISCHEN FUẞBALLS“

Stadionul Zimbru

Zuschauer: 9.442

EM-Qualifikation

CHIŞINĂU– Das eigentliche Highlight dieser Spielpaarung fand schon vor dem Anpfiff statt: Die Anreise mit dem moldawischen Rumpelzug durch die nächtliche Walachei von Bukarest nach Chișinău. Über 12 Stunden verbrachte man in dem rund 50 Jahre alten Gefährt russischer Baukunst, in dem man gebratene Würstchen auf der Speisekarte findet, wo der halbe Liter „Helles“ weniger als 1€ kostet und auf Kunstlederpritschen genächtigt wird. Wie es der Zufall so wollte, teilte man sich das 4er-Abteil mit drei Jungs aus Sachsen. Die Drei waren zwar keine Groundhopper, wollten aber auch zu dem Spiel.

Nach anderthalbstündigen Grenzkontrollen und wenig Schlaf erreichte man vormittags die moldawische Hauptstadt und wurde sogleich von einer Bande streunender Hunde begrüßt. Abgesehen von ein paar Lumpenhändlern am Bahnhof und den Vierbeinern zuvor, fühlte man sich in der grünen und durchaus aufgeräumten Stadt aber von der ersten Minute an ziemlich wohl.

Im Vorfeld war alles erledigt und durchorganisiert worden, sogar eine Unterkunft gebucht, obwohl die Abreise zurück nach Bukarest mit dem Nachtbus bereits um 1 Uhr, kurz nach dem Abpfiff der Partie, erfolgen sollte. Nur ein Ticket für das Spiel, das fehlte noch. Über den Online-Shop des moldawischen Verbands konnte man sich bequem einen Platz aussuchen, scheiterte aber mit mehreren Kreditkarten jedes Mal bei der Bezahlung. Eine Recherche durch meine Bank ergab, dass der Verband nur moldauische Karten akzeptierte. Der Verband wurde angeschrieben. Ohne Antwort. Die Unterkunft wurde angeschrieben. Ohne Antwort. Fragen in einschlägigen Groundhopping-Gruppen wurden gestellt. Ohne Lösung. Dann war das Spiel ausverkauft. Schöner Mist.

Der einzige direkte Kontakt nach Moldawien – ein schreibfauler Sportjournalist – versprach mir ein Ticket zu besorgen, wollte die Karte aber nur persönlich vor Ort in Chișinău übergeben. Wird schon schief gehen, dachte ich. Während die drei Sachsen auf dem Schwarzmarkt kein Glück hatten, traf ich mich am späten Nachmittag mit meinem „Kontaktmann“ Sergej vor dem Mannschaftshotel der polnischen Auswahl. Wir gingen zusammen was essen, ich überreichte ihm als kleines Dankeschön ein Päckchen Marzipan aus meiner Heimatstadt und bezahlte für seine Dienste freiwillig den doppelten Preis. 5€ statt 2,50€ – endlich hatte ich ein Ticket.

Mit dem ziemlich überfüllten O-Bus ging es dann spätabends zum 21:45-Uhr-Termin für umgerechnet 25ct zum Zimbru-Stadion, in dem nicht nur die Länderspiele sondern auch die Begegnungen vom FC Zimbru Chișinău stattfinden. Das Stadion ist an und für sich nichts Besonderes, viele Moldawien-Reisende werden schon dort gewesen sein, auch Sheriff Tiraspol trägt ja die internationalen Spiele im „Zimbru“ aus. Charme versprüht vor allem der Hochhaus-Komplex hinter der Gegengerade. Die Balkons der Wohnungen fungieren als VIP-Logen der arbeitenden Klasse. Im ausverkauften Stadion hatten die Polen ihr Kontingent abgesetzt, allerdings bestand der Gästeblock vielleicht aus 500 Leuten. Auch bei den polnischen Schlachtenbummlern kommt der Support der Nationalelf nicht an die Vereine heran, obwohl sogar gezündet wurde und lange Zeit eine hohe Mitmachquote bestand.

Ziemlich zügig ging der Weltranglisten-Dreiundzwanzigste durch Arkadiusz Milik in Führung und legte mit einer schönen Einzelleistung von Robert Lewandowski nach. Der Superstar vom FC Barcelona wurde frenetisch von allein Seiten begrüßt, im Laufe der Partie aber ausgebuht und ein bisschen verhöhnt. Das lag vor allem daran, dass der im ersten Abschnitt völlig chancenlosen Heimelf direkt nach der Pause mit einem satten Schuss der Anschlusstreffer gelang. Plötzlich war das Stadion hellwach und die polnische Elf ließ sich verunsichern. Moldawien zog ein Powerplay auf, das man ihnen nicht zugetraut hätte. Immer wieder schallte der „Moldova“-Schlachtruf aus vollen Kehlen durch das pulsierende Stadion. Als der mögliche Ausgleich vom slowakischen Schiedsrichter-Gespann zurückgenommen wurde, hatte man kurz das Gefühl, die moldawische Druckphase findet ihr ungekröntes Ende und Polen schaukelt das Ding nach Hause. Doch die Bemühungen der Gäste zerbrachen regelmäßig an der eindrucksvollen Zweikampfstärke der Hausherren.

Die polnischen Ballverluste wurden auf Heimseite in mitreißende Tempogegenstöße umgewandelt und zwei Mal konnte Weltklasse-Keeper Wojciech Szczęsny noch überwunden werden. Wahnsinn, was der Weltranglisten-Einhunderteinundsiebzigste für eine Show bot! Das Stadion kochte und nicht nur der deutsche Groundhopper war überrascht, auch die Einheimischen konnten nicht fassen welchen Verlauf die zweite Halbzeit genommen hatte! Kein Wunder: Vanuatu, Fidschi oder der Jemen – all diese Nationen stehen in der Weltrangliste vor Moldawien. Und jetzt das!

Der größte Erfolg der Nationalmannschaft in den letzten 10 Jahren war ein Sieg im Jahre 2013 gegen Saudi-Arabien. Andorra, Lettland, Liechtenstein, Aserbaidschan, San Marino und Kirgisien heißen die weiteren Nationen, gegen die in diesem Zeitraum Siege gelangen. Nachvollziehbar, dass die Zeitungen am nächsten Tag den Sieg gegen Polen zum größten Erfolg der moldawischen Verbandsgeschichte kürten. Mit dieser Sternstunde im Gepäck ließ sich auch die zehnstündige Rückfahrt via Nachtbus zurück nach Bukarest ganz gut meistern. (MM)

Eintracht Ludwigslust 1994 e.V. – BSG Empor Grabow – 0:1

16.04.2023: Eintracht Ludwigslust 1994 e.V. – BSG Empor Grabow – 0:1

„RAUCHERLUNGE TRIFFT AUF BOCKWURST“

Sportforum „Erwin Bernien“

Zuschauer: 227

Kreisoberliga Westmecklenburg

LUDWIGSLUST – Das bedeutendste Derby im zweitgrößten Landkreis Deutschlands findet nicht etwa zwischen Ludwigslust und Parchim statt, auch wenn sich beide Städte vor etwas mehr als 10 Jahren auf kommunaler Ebene einen erbitterten Kampf um den Zuschlag zur Kreisstadt der neuen Verwaltungsregion lieferten. Wenn Ludwigslust auf das etwa 5km entfernte Grabow trifft, dann werden für gewöhnlich die Klingen geschärft.

Die Realität heißt mittlerweile Kreisoberliga. 9. Liga. Die BSG sieht sich dabei in der Tradition der Betriebssportgemeinschaft, die nach der Wende in Grabower FC umbenannt wurde und in der u.a. Ex-HSV-Profi Bastian Reinhardt das Kicken erlernte. Der GFC ging allerdings vor 20 Jahren ausgerechnet eine Fusion mit einem Ludwigsluster Klub ein (SG Ludwigslust/Grabow). Und so gründete sich die BSG „Empor“ Grabow im Jahre 2015 neu. Seitdem lebt die alte Rivalität wieder auf. Auch wenn man formell nichts mit dem DDR-Vorgänger am Hut hat. Namen sind wie Schall und Rauch. Was zählt ist: Ludwigslust gegen Grabow!

Die Zeiten von Tifo und Support auf Ludwigsluster Seite scheinen jedoch vorbei zu sein, auch wenn die Eintrittskarte einen anderen Eindruck vermittelt. Nur mit zwei Zaunfahnen trumpft man auf der Heimseite noch auf. Grabow allerdings nahm die halbe Tribüne ein und die Elf wurde mit kollektiven Schlachtrufen nach vorne gepeitscht. Rund 250 Zuschauer in der 9. Liga sorgten für eine prima Kulisse. Das kernige, ostdeutsche Auftreten neben dem Platz wurde durch Bockwürste aus dem Glühweinkocher und Halbliterbier aus Lübz abgerundet. Der Renner am Verkaufsstand waren allerdings kleine Kräuterlikörflaschen aus dem Hause „St. Hubertus“, die regen Absatz im Publikum fanden.

Das Gekicke auf dem Feld passte gut zu dem Ambiente. Ein echtes Neuntligaspiel. Missglückte Ballannahmen, Pässe ins Nichts und fauchende Raucherlungen. In einigen Situationen konnte man erahnen, warum Grabow die Tabelle anführt. In schöner Regelmäßigkeit wurde aber nahezu jeder Angriff in letzter Instanz vergeigt.

Kurz nach der Pause saß dann doch mal ein mutiger Abschluss von der Strafraumkante. Ludwigslust mühte sich wirklich um den Ausgleich. In der zweiten Halbzeit kam man – kurz nach dem Rückstand – zu einer einzigen nennenswerten Chance. Am Ende sahen halt alle Versuche so aus, wie man sich die Quintessenz vorstellt, wenn Raucherlunge auf Bockwurst trifft. (mm)

SC Cambuur-Leeuwarden – SC Heerenveen – 1:2

SC Cambuur-Leeuwarden – SC Heerenveen – 1:2

„FRIESENDERBY MIT FALLRÜCKZIEHER“

19.02.2023

Cambuur-Stadion

Zuschauer: 10.000

Eredivisie

LEEUWARDEN – Das „Friesenderby“ in Leeuwarden versprach eine Menge Zündstoff und so sattelte man Sonntag in der Früh zu einem Revisit an die holländische Nordseeküste auf. Nicht nur der letzte Tabellenplatz, auf den die Gastgeber am Vortag durch den Punktgewinn vom FC Groningen rutschten, erhöhte den Druck auf den SCC. Das Derby zwischen den beiden Städten, die gerade mal 25km auseinander liegen, fand in den vergangenen 20 Jahren keine 10 Mal statt. Und während Heerenveen im gesicherten Tabellenmittelfeld herumgondelt, sieht es für Leeuwarden momentan verdammt schlecht aus: 13 Punkte aus 21 Spielen – das ist die Bilanz eines Absteigers.

Trotzdem wurde seitens der Heimfans natürlich ein Feiertag ausgerufen und zur christlichen Anstoßzeit von 12.15 Uhr am Sonntag-Mittag stand das Saison-Highlight vor der Tür, für das man per Fanmarsch durch die Stadt zog. Vor dem Spiel gab es dann zum Einlauf der Teams eine Choreo mit den Worten: „Willkommen in der Hölle Leeuwarden“, dazu Rauchtöpfe, Fackeln und eine Leuchtspur in den Gästeblock, die am Netz abprallte. Alles ohne große Eskalation. Die folgte nach 45 Sekunden, als ein norwegischer Spieler namens Johnsen per Direktabnahme mit der ersten Chance in die Maschen traf. Das restlos ausverkaufte Stadion anschließend völlig aus dem Häuschen!

Doch auch die Gäste hatten ihre Anteile an dem Spiel. Schon weit vor dem Anpfiff präsentierte man eine Choreo, bestehend aus den berühmten Seerosen, die aussehen wie Herzchen und einem Spruch auf Westfriesisch, der so viel bedeutet wie „Wir singen für das beste Land der Welt“, garniert mit ein paar Effekten. Den Spruch kann man als eine Provokation in Richtung Cambuur deuten, da sich Heerenveen als „gesamtfriesischer Verein“ sieht, der den ganzen Landstrich repräsentiert, was man in Leeuwarden naturgemäß anders wertet. Auf dem Feld in den ersten 10 Minuten noch völlig in die Defensive gedrängt, kamen die Blau-Weißen immer besser ins Spiel und es zeichnete sich Torgefahr ab, die Mitte des ersten Abschnitts mit einem sehenswerten Schuss zum 1:1 belohnt wurde.

Anschließende Höhepunkte fanden nach der Pause eher auf dem Spielfeld statt. Leeuwarden hatte sich eine Menge vorgenommen und wie am Anfang des Spiels fand man rasch wieder einen guten Rhythmus. Harte Zweikampfführung und glücklose Offensive umschreibt den Spielstil von Cambuur am besten. Als die gute Phase abebbte und trotz teilweise wirklich bombastischer Unterstützung aus dem ganzen Stadion kein Tor daraus resultierte, kam es wie es kommen musste: Heerenveen nutzte die berühmte Konfusion im gegnerischen Strafraum und am Ende war es ein echtes Kacktor per Fallrückzieher (!), das dem mehrfachen Europacup-Teilnehmer den Weg zum Derbysieg ebnete.

Obwohl die Gastgeber in der Schlussphase noch einige hochkarätige Chancen kreierten, war die Luft irgendwie raus. Auf den Rängen und bei den Stürmern, denen man das mangelnde Selbstvertrauen ansieht. Es fehlt das Glück des Tüchtigen – ein untrüglicher Hinweis auf einen Absteiger. Schade um das Friesenderby, wenn es denn so kommt, das beim nächsten Mal ohnehin einen ganz neuen Anstrich erhält: Dann nämlich soll das neue Stadion in Leeuwarden fertig sein, das zum nächsten Jahr bezogen wird. Daher hielt sich die Enttäuschung über den ungekrönten Spielverlauf seitens der Heimelf auch in Grenzen. Ziemlich wahrscheinlich fand am Sonntag das letzte Derby im alten Cambuur-Stadion statt, das mit seinen zusammengetragenen Tribünen eine herrliche Unordnung ausstrahlt und allenthalben zu so einer hektischen Derby-Atmosphäre beiträgt. (mm)

Racing FC Union Lëtzebuerg – Union Titus Pétange – 0:2

27.11.2022: Racing FC Union Lëtzebuerg – Union Titus Pétange – 0:2

„DAS LËTZTE SPIEL ALLER ZEITEN“

Stade „Josy Barthel“

Zuschauer: 250

BGL Ligue

LUXEMBURG – Ein paar Tage vor dem Spiel blinkte ein kleines, rotes Lämpchen an meinem Weltempfänger auf, das mir signalisierte: Im Stade „Josy Barthel“ wird am Sonntag ein Spiel ausgetragen! Diesmal bestimmt das letzte Spiel aller Zeiten – oder für dieses Jahr oder für diesen Monat. Denn seit der Eröffnung des neuen Nationalstadions, welche sich um Jahre verzögerte, ist das „Josy Barthel“ stillgelegt und dem Tod geweiht. Betonklötze sollen dort entstehen, wo der Rasen immer noch perfekt getrimmt ist und eine neue Tartanbahn in Königsblau erstrahlt.

Grund genug eine NRW-Tagestour spontan um einen Tag und zwei weitere Länder zu erweitern. Der Länderpunkt Luxemburg sollte für meinen zweijährigen Sohn auch noch rausspringen – LP mit dem Josy Barthel als Jahrgang 2020, warum auch nicht? Das alte Nationalstadion liegt am Rande der Luxemburger Innenstadt. Am Stadion geparkt, kann man eine gute Stunde vor dem Anpfiff noch ganz gepflegt ins Herz Europas flanieren. Ansonsten muss man dem alten Stadion der Luxemburger jetzt nicht unbedingt eine Träne nachweinen. Ein unüberdachter All-Seater mit Haupttribüne, ohne große Gadgets und Gammel. Am ehesten fällt das FIFA-taugliche Flutlicht auf, das man – wenn es scheint – wahrscheinlich aus dem Weltall sehen kann. Die Häuserzeile direkt hinter dem Tor ist auch ganz nett.

Auf der Haupttribüne versammeln sich vielleicht etwas über 200 verlorene Seelen, bei diesem „Spitzenspiel“ in der ersten luxemburgischen Division. Pétange hatte ich vier Wochen zuvor schon in Ettelbrück gesehen und auch diesmal hat man ein paar Leute mitgebracht die raunen, jubeln und schimpfen. Auf dem gepflegten Rasen gibt es besseren Regionalliga-Fußball zu sehen, was als Kompliment zu verstehen ist. Bei den Gastgebern, die wegen Unbespielbarkeit des eigenen Platzes ausweichen mussten, sieht man früh, dass es eng wird mit dem Toreschießen. Nette Ballstafetten enden in aller Regelmäßigkeit am Strafraum. Pétange macht gegen Ende der Halbzeit ernst und es fällt ein reguläres und ein irreguläres Tor, zudem verballern die Gäste einen Elfmeter.

Im zweiten Abschnitt dasselbe Bild: RFCU hat den Ball, UTP die Chancen. Immerhin verwandeln die Petinger kurz vor Schluss noch einen erneuten Elfmeter zum Endstand. Nach der Partie geht es ganz schnell noch in die „Buvette“, wo eine Bockwurst im Brötchen mit Soßen aller Art für faire 3€ verspeist wird. Für meinen Sohn gibt’s die „Bocker“ ohne Brötchen sogar umsonst und viele luxemburger Augenpaare erfreuen sich des Anblicks eines knabbernden Kleinkindes. In der Buvette wird auch der Namensgeber des Stadions mit einer Holztafel geehrt, der als Läufer 1952 in Helsinki Olympiagold in der 1500m-Disziplin errang. Irgendwie komisch, dass die Ehrung mit diesem Spiel womöglich endet, denn das neue Stadion heißt bekanntlich „Stade de Luxembourg“ oder bekommt irgendwann einen Sponsorennamen. Josy Barthel wird einfach abgerissen, begraben und in Vergessenheit geraten. (mm)

Real Balompédica Linense – Cultural y Deportiva -Leonesa – 1:0

Das Spanien-Büro hat mal wieder abgeliefert: Unser Reporter Marius ist zu Fuß von Andalusien nach Gibraltar gegangen – um Grounds zu kreuzen und Flugzeuge zu spotten.

29.10.2022: Real Balompédica Linense – Cultural y Deportiva -Leonesa – 1:0

Primera División RFEF Grupo 1 (3. Liga Spanien)

Estadio Municipal La Línea de la Conceptión

Zuschauer: 2.087

LA LÍNEA DE LA CONCEPCIÓN – Der Groundhopping-Gott meinte es gut mit uns. 16 Uhr Gibraltar, 19 Uhr Linense, 25 Minuten Fußweg, davon fünf quer über den Airport. Alles war angerichtet für einen perfekten Doppler unterm Affenfelsen.

Denkste! Die neuen Medien sind in Bezug auf das Estadio Municipal La Línea de la Concepción nicht auf’m aktuellen Stand. Die Herrschaften aus dem Vorort von Gibraltar bauen ein neues Stadion und haben drei der vier Seiten schon abgerissen! Das haben wir aber leider erst Vorort bemerkt. Somit war die Vorfreude nach dem Spaziergang aus Gibraltar auch etwas getrübt. Da der Einlass schon vorher organisiert wurde, ging man mit mäßiger Stimmung auf die letzte Tribüne. Unsere Plätze gab es nicht und sonst stand hier auch schon alles auf Abriss. Die Bagger warteten quasi nur noch darauf ein weiteres Loch zu buddeln.

Trotzdem fanden sich weitere 2.085 Zuschauer, um sich einen Grottenkick auf der Baustelle anzusehen. Wozu sie hier bei einer Auslastung von um die 2.000 Leute ein „schickes, modernes“ Stadion benötigen, weiß wahrscheinlich nur der Anzugträger vor mir.

80 Minuten lang war der Blick auf den Affenfelsen das einzige Highlight. Stimmung marode, Chancen nicht vorhanden. Bis Linense aus dem nichts traf und die Stimmung elektrisierte. Auf einmal flog eine Fackel aufs Spielfeld, die Bullen intervenierten sofort und stellten sich demonstrativ vor dem Mob und die älteren Herren klatschten vor Freude.

Fazit: Linense ist momentan kein Besuch wert und hier werden wohl 7 Millionen Euro verbuddelt. Bob dem Baumeister gefällt das! (mb)

Lions Gibraltar – Mons Calpe – 1:1

Das Spanien-Büro hat mal wieder abgeliefert: Unser Reporter Marius ist zu Fuß von Andalusien nach Gibraltar gegangen – um Grounds zu kreuzen und Flugzeuge zu spotten.

„GIBRALTAR IM DOPPELPACK“

29.10.2022: Lions Gibraltar – Mons Calpe – 1:1

Gibraltar Premier Division (1. Liga Gibraltar)

Victoria Stadium

Zuschauer: 85

GIBRALTAR – Der deutsche Max Mustermann bezahlt momentan 2 Euro für einen Liter Diesel, am berühmt-berüchtigten Affenfelsen bekommt man dafür nicht nur einen Liter Sprit, sondern auch ein Kaltgetränk seiner Wahl!

Ganz geschmeidig ging es am heutigen Samstag von Malaga mit dem Fiat 500 bis nach Linense la Concepción. Ziel war es das Auto am glorreichen Stadion von Real Balompédica Linense abzustellen und dann fußläufig die Grenze zu überqueren. Abgestellt wurde das spritsparende Auto aber an einer Baustelle. Mehr dazu später.

Angekommen in der spritgünstigen „Außendienststelle“ Großbritanniens ging es natürlich zuerst hoch hinaus. Nachdem die Affen den Autoschlüssel begutachteten und wir nicht angesprungen wurden, ging es wie üblich noch in ein Pub, bevor wir parallel zu den Spielen in der Premier League ins Victoria Stadium marschierten.

Alle Ligaspiele der Gibraltar Premier Division werden im Victoria Stadium ausgetragen, daher kann man sich in der Stadionkneipe auch sein verdientes Komplettierungsbier abholen. Kleiner Tipp: Lieber in Pfund, anstatt in Euro zahlen, sonst bezahlt man sich dumm und dusselig. Der Ground liegt nicht nur direkt am Affenfelsen, sondern auch an der Start- und Landebahn des Airports. Kurz noch die Landezeiten von British Airways geprüft und los ging’s. Während des Spiels konnten wir sowohl zwei Landungen, als auch zwei Starts begutachten. In der Zeit hört man die Pfeife des Schiedsrichters nicht mehr, da die Flieger nicht mit Lautstärke geizen. Das Herz des Planespotters schlägt hier höher!

Die Liga ist für viele Ausländer interessant, da man hier relativ einfach in der Champions League, oder Conference League spielen kann. Drei Teams schickt der Verband jedes Jahr nach Europa und mit den Lincoln Red Imps hat es 2021 auch ein Verein in die Gruppenphase der Conference League geschafft. Unsere Vertreter werden dies wohl nicht schaffen, denn der Kick war eher auf unterirdischem Niveau.

75 Minuten Langeweile und Flugzeugbeobachtung, bis Mons Calpe aus dem nichts einen Elfmeter bekam. Danach hatte der Schiedsrichter das Spiel nicht mehr im Griff und es hagelte Karten und an jeder Ecke wurde gemeckert. Ein passendes Zitat hierzu von einem Fan: „This is GIB!“

SG Theodor Körner Lützow – SG Roggendorf 96 – 2:3

SG Theodor Körner Lützow – SG Roggendorf 96 – 2:3

„NIEDERLAGE FÜR DIE PATRIOTEN“

06.11.2022

Kreisoberliga Schwerin/Nordwestmecklenburg

Sportstätte „Theodor Körner“

Zuschauer: 60

LÜTZOW – Ein erstaunlicher Ort, dieses Dorf kurz vor Schwerin, das bis ins 19. Jahrhundert noch „Blesse“ hieß und in der Folge per kaiserlichem Beschluss nach dem vorherrschenden Adelsgeschlecht Lützow benannt wurde. Alles hört hier auf das Kommando von Theodor Körner. Der Sportverein spielt in der gleichnamigen Sportstätte, trägt seinen Namen und auch das Logo geht auf das Werk „Leyer und Schwerdt“ zurück. Eine Sammlung patriotischer Gedichte des Schriftstellers Theodor Körner.

Vor Ort kommt man nicht umhin, sich mit der Geschichte Theodor Körners auseinanderzusetzen. Von seinem dichterischen Können mag man halten was man will, seine Berühmtheit lässt sich auf die Mitgliedschaft in einer preußischen Freiwilligenarmee, dem „Lützowschen Freikorps“, zurückführen. Theodor Körner fiel in den Befreiungskriegen gegen Napoleon vor über 200 Jahren einem französischen Angriff zum Opfer. Durch seinen frühen Tod im Kontext des patriotischen Einsatzes und der nationalen Poesie, stieg der Leutnant und Dichter posthum zu einer Ikone der deutschen Einigkeitsbewegung auf – bis heute.

Für einen Außenstehenden etwas befremdlich, die Huldigung eines nationalen Kriegshelden durch ein ganzes Dorf und Sportverein, zumal in diesem Landstrich und das im 21. Jahrhundert. Von der Uniform des Freikorps leiten sich bis heute übrigens die Farben der deutschen Nationalflagge ab. Eine schwarze Uniform wurde mit roten Absätzen und güldenen Knöpfen kombiniert – schwarz-rot-gold. Der Sportverein legt zu Ehren Theodor Körners jedes Jahr an seinem Sterbetag einen Kranz an dem dafür geschaffenen Denkmal in dem Wald nieder, in dem Körner im Kriegsgefecht fiel. Seine letzte Ruhestätte fand der Kriegsheld allerdings etwas weiter südostwärts in Wöbbelin – und auch dort hat sich 1997 ein Sportverein namens „Theodor Körner“ gegründet, der allerdings bereits seit rund 10 Jahren keine Fußballmannschaft mehr ins Rennen geschickt hat.

Das war jetzt viel Patriotismus, für mich etwas zu viel, obwohl man im Fußball übertriebenen Pathos ja gerne mal weglächelt. Ein weiteres, bekanntes Mitglied des „Lützowschen Freikorps“ ist im deutschen Sport übrigens omnipräsent: „Turnvater“ Friedrich Ludwig Jahn zog ebenfalls freiwillig für Preußen in den Krieg gegen Frankreich.

Ins Gefecht ziehen muss in Lützow heute niemand mehr. Aber im Spiel gegen die SG Roggendorf stand immerhin ein hart umkämpftes Nachbarschaftsduell in der Kreisoberliga auf dem Programm. Interessieren sich bei den Liga-Spielen teilweise gerade mal fünfzehn zahlende Zuschauer für den Patriotenverein, so zog das Duell gegen das Nachbardorf an diesem Sonntag immerhin offiziell 60 Schaulustige an. Der Sportplatz mit seinem großen, begrünten Wall auf zwei Seiten, könnte ohne weiteres ein halbes Regiment an Zuschauern unterbringen.

Zu sehen bekam das Publikum trotzdem einen echten Fight. Die Aufsteiger von der SGTK gingen in diesem ungleichen Duell gegen einen ehemaligen Verbandsligisten als punktloses Schlusslicht zunächst in Führung. Roggendorf konnte das Ergebnis schon zur Pause in ein 1:3 umwandeln. In der zweiten Hälfte überraschte dann erneut Lützow, das nach einem Konter mit 2:3 wieder am Punktgewinn schnupperte. Bereits gut 10 Minuten vor Schluss suchte der Heimkeeper den Weg in den gegnerischen Strafraum. Aber aller Einsatz war mal wieder vergebens, am Ende setzte es eine Niederlage für die Patrioten. (mm)

Atalanta B.C. – FC Internazionale Milano – 2:3

13.11.2022: Atalanta B.C. – FC Internazionale Milano – 2:3

„DAS KONZEPT BERGAMO“

Gewiss Stadium

Serie A

Zuschauer: 19.353

BERGAMO – Nach zwei Spielen in Parma und Piacenza folgte am Sonntag in Bergamo der Höhepunkt des Wochenendes. Bei jeder Begegnung sollte es einen Tick besser werden und beim dritten und letzten Spiel dieser Italien-Tour kulminierte diese Gesamtlage in einem vollen Stadion bei allerbestem norditalienischen November-Wetter. Der Besuch in der Lombardei fing mit der Ruhe vor dem Sturm an. Strategisch günstig das Auto am Bahnhof von Bergamo abgestellt, wunderte man sich über gespenstische Ruhe, die plötzlich von einer lauten Polizeisirene und rotierenden Hubschraubern durchbrochen wurde – die Inter-Fans waren gekommen und rauschten in einer Eskorte mit unzähligen Bussen an uns vorbei.

Das Spitzenspiel der Serie A konnte also beginnen. Trotz Personalien-Kontrolle am Eingang des „Gewiss Stadiums“, das für diesen Sponsorennamen die wunderbare Bezeichnung „Stadio Atleti Azzurri d’Italia“ abgelegt hat – von Aufregung keine Spur. Okay, in die Bude passen weniger Zuschauer rein als bei Waldhof Mannheim, trotzdem erstaunlich, sagt man den Italienern in Sachen Organisation doch manchmal die ein oder andere Schwäche nach. Das Spiel war für 12.30 Uhr angesetzt, unsere Maschine Richtung Heimatflughafen hob um 18.50 Uhr von BGY ab, die Ansetzung war also einmalig passend. Wir konnten nicht anders und mussten einfach eine fast dreistellige Summe für das Ticket auf den Tisch blättern. Billige Tickets für die Kurve gibt es bei solchen Spielen nur mit „DEA“-Fan-Karte, welche einem nach der Beantragung postalisch zugeschickt wird – aber ehe der Speichel von der Briefmarke getrocknet gewesen wäre, waren die billigen Plätze auch schon weg.

Bei dem Stadion weiß man im Vorwege nicht so ganz, was man von halten soll. Vor Ort zeigt sich aber eine kompakte Hütte mit Bauteilen aus allen Epochen. Auf den Längsseiten finden sich Spuren aus der fast hundertjährigen Vergangenheit des Stadions. Die „Curva Nord“ der Atalanta-Fans ist neu, weiß aber durch die verschachtelte Dachkonstruktion durchaus zu gefallen. Gegenüber der „Curva Nord“ sieht man noch die ursprüngliche Kurvenform der Arena, auf der vor allem die Gästefans untergebracht sind. Diese alte Stadionsubstanz soll nach der Saison simultan zur „Curva Nord“ umgebaut werden.

Mit viel Bohei auf beiden Seiten, aber ohne besondere Aktionen, ging es ins Spiel. Hin und wieder brannten auf den Ecken von Bergamo ein paar Fackeln oder Rauchtöpfe. Auch neben den Gästefans war eine Stimmungsgruppe platziert, die mit Provokationen Richtung Inter-Anhang nicht geizte. Statt zum Boykott der Katar-WM aufzurufen, wie es in Deutschland an diesem Wochenende geschah, zierte die „Curva Nord“ ein Banner, der gegen den „modernen Fußball“ und die Pay-TV-Strukturen stänkerte. Ok, Italien ist ja auch gar nicht bei der WM dabei… Atalanta gehörte nach zuletzt zwei Niederlagen die Anfangsphase. Nach zwei, drei guten Chancen wurde der Kolumbianer Duván Zapata im Strafraum gelegt, den Strafstoß verwandelte Ademola Lookman. Die Führung im Rücken bekam Bergamo nicht gut, fortan hagelte es Fehlpässe im Aufbauspiel. Inter antwortete mit einem artistischen Hackentor nach Standard-Situation in Person von Alt-Star Edin Dzeko.

So richtig in Tritt kamen die Gäste dann mit dem Wiederanpfiff. Federico Dimarco und Denzel Dumfries schlugen Brandfackeln bei ihren Flankenläufen in den gegnerischen Strafraum, Lautaro Martínez klebte die Kugel am Fuß. Der Auftrieb war derart sichtbar, dass wir noch schnell einen Zehner auf einen Auswärtssieg bei einem Wettanbieter platzierten – Minuten später stand es durch erneut Dzeko und per Eigentor 1:3. Damit war das Spiel gegessen, dennoch kam Bergamo durch den Eigentorschützen nochmal auf ein Tor ran und es wurde in den Schlussminuten spannend, auch wenn man dem Heimteam die Qualität für den Ausgleich nicht mehr so ganz zusprechen wollte. Schließlich blieb es bei dem Ergebnis, die „Interisti“ feierten den Auswärtssieg mit einem lauten Kanonenschlag im Block und bekamen als Dank das ein oder andere Matchworn-Trikot ihrer Idole über die Glaswand geworfen.

Nach dem Spiel reichte es sogar noch für „sizilianisches Streetfood“ in der Innenstadt und einen Ausflug per Standseilbahn auf die Città Alta zu dem UNESCO-Weltkulturerbe der venezianischen Stadtmauern. Bevor die Zeit im Nacken saß trudelte man auch schon am Flughafen ein, der gerade mal 10 Minuten vom Stadtzentrum entfernt liegt. Und um halb 10, nachdem der beliebte Low-Coster aus Irland uns überpünktlich in Deutschlands nördlichster Millionenstadt ausgespuckt hatte, schlug man zu Hause schon die Bettdecke auf, um sich von diesem letzten internationalen Trip des Jahres zu erholen. In Bergamo stimmt das „Konzept Fußball“ noch – im Gegensatz zu dem, was jetzt in den nächsten Wochen folgen wird. (mm)

IFK MALMÖ – FALKENBERGS FF – 1:6

IFK MALMÖ – FALKENBERGS FF – 1:6

06.08.2022, 16.00 Uhr

Division 1 Schweden

Malmö Stadion

Zuschauer: Ca. 300 (40 Gäste)

MALMÖ – Falkenbergs FF siegt haushoch in Malmö und wird 90 Minuten lautstark unterstützt. Der IFK Malmö hat am vergangenen Samstag um 16:00 Uhr die 1. Mannschaft aus Falkenberg empfangen. Die Gastmannschaft nahm die ca. 200 Kilometer weite Anreise in Kauf und ungefähr 40 Fans folgten ihr.

Der Ausflug hat sich gelohnt. 6-1 konnten die überlegenen Falkenberger in Malmö gewinnen. Die Fans feierten ihre Mannschaft 90 Minuten lautstark. Zum Einlaufen wurde eine kleine Blockfahne präsentiert und gelbe Rauchtöpfe angezündet.

Leider war das Spiel ansonsten sehr einseitig und vor allem schlecht besucht. Ein wirklich wunderschönes Leichtathletik-Stadion, welches bis zu 27.500 Besuchern Platz bietet und akut vom Abriss bedroht ist, da der große Malmö FF eine Sporthalle an derselben Stelle errichten will.

Leider besuchten das Spiel nur ungefähr 300 Zuschauer.

Immerhin konnte bei bestem Fußballwetter leckeres Bier und knackige Poelser genossen werden. Der Getränkestand war durchgehend gut besucht und so war es für die Fans von Malmö am Ende auch noch ein relativ runder Tag.

Die Gäste reisten nachdem Spiel teilweise gemeinsam mit der Mannschaft im Bus zurück nach Falkenberg. (hd)

FC KØBENHAVN – BRØNDBY IF – 4:1

Das beste Spiel Europas konnte man am letzten Wochenende in Kopenhagen bewundern. Unser Redakteur Hannes war – wie immer – vor Ort.

FC KØBENHAVN – BRØNDBY IF – 4:1

07.08.2022, 16.00 Uhr

Superliga Dänemark

Parken Stadion

Zuschauer: 32600 Zuschauer (2800 Gäste)

KOPENHAGEN – FC København wird verdienter Derbysieger durch Pep Biel! Am vergangenen Sonntag wurde das große København-Derby ausgetragen. Nach zwei Spielen mit Gästeverboten (jeweils einmal FCK betreffend und einmal Brøndby IF betreffend) ist endlich wieder richtige Derbystimmung aufgekommen.

Die Fanszene vom FC København (Sektion12) rief dazu auf, bereits um 13.00 Uhr im Stadion zu erscheinen um beim Aufbau der Choreo zu helfen. Brøndbys Sydsiden hingegen rief zu einem Treffpunkt in der Nähe des Parkens auf, um in einem gemeinsamen Corteo in Richtung Stadion zu laufen. Es waren ca. 2800 Gäste anwesend.

København präsentierte eine sehr aufwändige Olsenbanden-Choreografie. Zwei Tribünenbilder mit einer vernünftigen Pyroshow als Abschluss konnten von den Zuschauern bestaunt werden. Die Sydsiden präsentierte zum Intro gelb- sowie blaue Schwenkfahnen und zündete dazu ordentlich Rauch. Im weiteren Verlauf des Spiels brannte es immer mal wieder im Gästeblock und auch vereinzelte Fackeln konnten in der Heimkurve wahrgenommen werden. Gerade die vier Tore wurden von der Sektion 12 besonders lautstark und durch Bengalen untermalt abgefeiert. Insgesamt konnte vom Support her der Gästeblock wesentlich mehr überzeugen.

Das Spiel ging relativ schnell in eine Richtung. Bereits in der 13. Spielminute konnte Khocholava FCK in Führung bringen. Nur wenige Spielminuten später konterte Brøndby IF und Cappis erzielte durch eine Vorlage von Divkovic den Anschlusstreffer. Darauf folgten in der 33′ und 45′ Spielminute zwei schnelle Tore von Pep Biel. København ging mit einem 3-1 in die Halbzeit.

Auch in der zweiten Halbzeit wurde sehr schneller und attraktiver Fußball gespielt. In der 64′ Spielminute erzielte Pep Biel seinen dritten Treffer für den Hauptstadtklub und die Fans des FCK feierten ausgiebig. Ein wirklich tolles Derby mit schnellem Fußball und großartiger Show auf den Rängen. Das Rückspiel bei Brøndby IF wird am Wochenende um den 16.10.2022 stattfinden. (hd)

Helsinki IFK – Vaasan PS – 1:5

Helsinki IFK – Vaasan PS – 1:5

„MITTSOMMER FÜR ANFÄNGER“

18.06.2022

Bolt Arena

Veikkausliiga

Zuschauer: 3060

HELSINKI – Um ehrlich zu sein, hatte ich dieses Spiel zunächst gar nicht auf dem Zettel. Aber wie das immer so ist, da triffst du die Top-Hopper vom FC Blau-Weiß Linz in der finnischen Metro, sprichst sie auf den FSV-Zwickau-Aufnäher an, den sie auf ihrem Rucksack herumtragen, und kommst auf diese Weise an so eine Allerweltsinformation. Ich hatte so unglaublich wenig Zeit in den Tagen zuvor, dass ich die Spielpläne für Finnland in den zwei, drei Wochen vor der Abreise nicht mehr wirklich aktualisierte und mir erst am Freitag-Abend für den Folgetag eine nette Kombi raussuchen wollte.

Aber so groß die Freude über ein Erstligaspiel, das um 23 Uhr angepfiffen wird und sich auf zwei Tage aufteilt, so schnell verflog die anfängliche Euphorie. Denn nicht der Spielplan bestimmte den Tagesablauf für mich in Helsinki – sondern mein anderthalbjähriger Sohn, mit dem ich alleine unterwegs war um etwas „Quality Time“ zu verbringen. So sorgte schon eine Flugstornierung von EasyJet dafür, dass wir über Stockholm inklusive flughafennaher Übernachtung nach Finnland fliegen mussten – ziemlich anstrengend mit’m Kind unter’m Arm, dieser unnötige Stop. Am Samstag fiel das erste Spiel sprichwörtlich ins Wasser: Der Reservekick in Espoo auf einer ausbaulosen Kunstrasenwiese im strömenden Regen, das geht halt nicht mit Nachwuchs

Aber gut, hintenraus sollte dieser Sonnabend ja noch einen Knaller parat haben. Nachdem der weitere Tag mit Spielen beim FC Honka und Vantaa JP einen nahezu perfekten Verlauf nahm und auch der Regen nach dem ersten Spiel weiterzog, machte ich mich also die 15 Minuten Fußweg mit einem bettfertigen Kind auf vier Rädern auf zum Erstliga-Ground. Ich war recht optimistisch bei dem Vorhaben, denn ich wusste natürlich, dass der Bub schon in allen Lagen in seinem Wägelchen durchgeschlafen hatte, zB nächtens in Liverpool oder bei der Party von Onkel Frank – und das soll was heißen. Bei HIFK erwartete mich ein großes Stadion mit 10% Auslastung oder so. Also, was sollte da schon schief gehen?

Die erste Überraschung dann gleich vor dem Stadion – überall lange Schlangen vor den Eingängen und das Ticket für 30€, für eine Partie auf Regionalliga-Niveau. Bei der Paarung Letzter gegen Drittletzter hatte ich echt keine großen Hoffnungen. Doch da unterschätzt man den gemeinen Nordeuropäer gewaltig, denn die Skandinavier feiern Mittsommer gebührend ab, auch wenn es noch ein paar Tage hin war, bis der längste Tag des Jahres an die Tür klopfte. Die lange Einlassschlange war zum Glück im Nu gelöst, ein hilfloser Blick, ein Handzeichen am vorderen Teil der Wartenden und eine Gruppe Frauen ließ mich mit dem Wagen passieren. Babybonus. Danke, mein Sohn. Übrigens eine Randnotiz an dieser Stelle: Erschreckend, wie wenig Hilfsbereitschaft die übrige Damenwelt in den vier europäischen Hauptstädten, die wir bei dieser Reise abklapperten, einem alleinreisenden Mann mit Kinderwagen entgegenbrachte. Da wurden die Türen vor der Nase zugeschlagen und in der U-Bahn mal einen Schritt zur Seite zu gehen, scheint auch nicht in jedes Weltbild zu passen.

Im Stadion angekommen, blinzelte der Knabe noch einmal kurz aus seiner Bettstatt, in der er, in die Hoteldecke eingewickelt, wahrscheinlich auch am Nordpol durchgepennt hätte, so dass es sogar noch für ein Erinnerungsfoto reichte. Ich verkroch mich in die letzte Ecke der Arena, neben einem Rolli-Fahrer in den barrierefreien Bereich, und genoss mein 6-€-Bier. Erstmal durchatmen. Aber zu früh gepustet. Mit dem Anpfiff legte der HIFK-Mob los – und die Jungs und Mädels waren verdammt gut aufgelegt. Ein Mittsommerspiel, wie geil. Klar, das denkt sich die Fanszene wohl auch. Eine Viertelstunde wurde gewedelt, gezündelt, gesungen und als ein Kanonenschlag im Stadion explodierte, sah ich meine Felle davonschwimmen. Ich wollte mir doch nur ein tristes Fußballspiel in Finnland anschauen. Ohne großes Gedöns. Das Beste für uns alle.

Es sollte bei diesen „Special Effects“ bleiben. Der Mob sang durch, abgesehen von ein paar Fackeln und Blinkern, verzichtete man in der Folge jedoch auf weitere Knallbonbons. Als hätten die HIFK-Fans ein „Freiwillig 30 – der Kinder wegen“-Schild bei uns in der Kurve entdeckt. Vielleicht trug auch der Spielverlauf zu dem Verhalten bei – denn zu feiern hatte die Heimelf wenig. Spöttisch könnte man meinen: Helsinki war auf dem Rasen auch maximal mit Tempo 30 unterwegs. Schnell lag man mit zwei Toren zurück und die Bemühungen vor dem gegnerischen Tor Erfolge zu verbuchen, lösten beim neutralen Zuschauer eher Fremdscham aus. Irgendwie rutschte nach einer Stunde Spielzeit dann doch mal ein Ball im Strafraum durch die Abwehrreihe und aus heiterem Himmel hatten wir ein spannendes Spiel. Jetzt war auch die Hintertorseite wieder voll in der Partie. Bis der Gegner einen Gang höher schaltete und mit drei wunderschönen Toren jegliche Spannung aus diesem Duell entweichen ließ. Die 30 oder 40 Auswärtsfans übten sich in Ekstase, hatten sonst aber nichts im Repertoire, sei noch kurz erwähnt.

Kurz vor Schluss segelte das mögliche 6:1 knapp am Tor vorbei und demolierte die Anzeigetafel. Das war der ultimative Deckel auf dieser Partie. Zum Glück traf der Schuss nicht den Kinderwagen, denn das wäre wohl die einzige Möglichkeit gewesen, den kleinen Jungen aufzuwecken. Selbst in der Straßenbahn, die voll war mit Mittsommerfeiernden und HIFK-Fans, ließ sich der Nachwuchs nicht um seinen wohlverdienten Schlaf bringen. Am nächsten Tag wurde dann auch noch – gut ausgeschlafen – der Länderpunkt Estland in die Junior-Tüte gepackt. (mm)

FSV Union Fürstenwalde – BFC Dynamo – 1:1

FSV Union Fürstenwalde – BFC Dynamo – 1:1

„(K)EIN PUNKT FÜR DIE MEISTERSCHAFT“

29.04.2022

Friesenstadion

Regionalliga Nordost

Zuschauer: 2076

FÜRSTENWALDE – Klar gibt es für den BFC Dynamo genug Lokalderbys in Berlin, aber ein Auswärtsspiel in Fürstenwalde ist beinahe schneller erreicht als die ganzen Auftritte im Westen der Stadt. War das der Grund, weshalb mindestens 1500 Weinrote den Weg in die Domstadt im Osten Brandenburgs fanden? Natürlich nicht, denn bei einem entsprechenden Punktgewinn in Fürstenwalde würde der Rekordmeister der DDR seinen größten Nach-Wende-Erfolg feiern können – die Meisterschaft in der Regionalliga Nordost, die ja gewissermaßen als Nachfolgerin der DDR-Oberliga angesehen werden kann. Ein elfter Meisterstern winkt für diesen Erfolg zwar nicht, aber immerhin die Aufstiegsspiele zur 3. Liga gegen den Vertreter der Nordstaffel – und die Teilnahme an einer Bundesliga wäre für den verrufenen Verein aus Hohenschönhausen wahrlich ein Riesenerfolg, nach all den Geschehnissen in den 90er-Jahren und danach.

Zunächst aber zu Fürstenwalde, schließlich wurde der Heimverein besucht und nicht der Tabellenerste, dort datiert ein erster Besuch des Autors bereits aus dem Jahre 2008. Rein äußerlich hat sich die Anhängerschaft der Ost-Berliner übrigens seitdem nicht verändert. Der FSV Union ging vor der Saison bereits in seine 7. Regionalliga-Spielzeit in Folge und hält sich eigentlich recht wacker mal im oberen und mal im unteren Mittelfeld der Liga auf. Dieses Jahr ist man allerdings in arge Abstiegsnöte geraten und belegt aktuell den ersten Platz über dem Strich. Drei Punkte vor Rathenow, wo man am nächsten Spieltag gastiert. Spannung war also geboten, auf der einen, wie auf der anderen Seite.

Beim ersten Anblick der Fanmassen im Stadion war kaum daran zu glauben, dass sich sonst im Schnitt nur 342 Zuschauer im schmucken Friesenstadion verirren. Die Union-Spielstätte ist schnell erklärt: Rundherum enge Stehplätze und eine überdachte Haupttribüne mit ein paar Sitzschalen. Reicht völlig und macht Spaß – wenn die Hütte denn voll wird. Aber das war am Freitag-Abend der Fall: Die BFC-Anhänger füllten die Hälfte des Stadions und das ziemlich prall. Über 30 Zaunfahnen wurden gezählt und man merkte, dass dieser Aufmarsch nicht unbedingt alltäglich war, denn organisierter Gesang oder Support über die ganze Breitseite gab es selten. Dennoch natürlich eine beeindruckende Kulisse und das Beste, was diesem verschlafenen Örtchen passieren konnte. Denn auch der hiesige Regionalligist mobilisierte weitaus mehr als die durchschnittlichen 342 Besucher. Der lose Haufen hinter dem Tor und auf der Haupttribüne machte nicht den Eindruck des Gelegenheitsbesuchers, ein bisschen Pöbel und abgegriffener Merch ließ eigentlich auf eine entsprechende Stammanhängerschaft aus einem gewissen Milieu schließen, daher verwunderten die vorherigen Besucherzahlen stark. Eine kleine Gruppe U18-Jungs hinter dem Tor war wohl tatsächlich ein bisschen auf Krawall gebürstet, so schien es.

Sogar ein Platzsturm der Auswärtsanhängerschaft stand für diese Partie im Raum, was natürlich nicht an den pubertären Jungs auf Fürstenwalder Seite lag, sondern an dem womöglichen Gewinn der Meisterschaft. Und da kommen wir zum Knackpunkt: Während es vor der Partie in den einschlägigen Gazetten hieß: „…ein Punkt reicht für den Titel“, sah man das auf Seiten der Berliner offenbar ein bisschen anders. Schlagen wir also den Bogen zum Spiel: Eine Partie, die nach recht flottem Beginn der Dynamos ein wenig abflachte und gegen Ende der 1. Halbzeit das halbe Stadion dank eines Kopfballs aus dem Nichts zum Jubeln brachte. 1:0 für Dynamo! Keine Ekstase, aber großer Jubel. Was folgte war eher Verwaltungsfußball, aber mit großem Einsatz und ein paar guten Momenten. Wichtig für die Gäste bis dahin jedoch: Fürstenwalde fand einfach nicht ins Spiel. Als die Kräfte bei den Weinroten in der Schlussviertelstunde schwanden, ergriff der Gastgeber allerdings sofort seine Chance und es dauerte nicht lange, bis man zum Ausgleich traf – wieder per Kopfball. Eine Schusschance kurz darauf ließ die Gäste gehörig zittern, ehe es in den Schlussminuten wieder Möglichkeiten für Dynamo gab. Spannung und Dramatik, die zuvor nur theoretisch existierte.

Das Endresultat wird allerdings beiden Seiten gerecht, könnte man meinen. Der BFC sichert sich die Meisterschaft und Fürstenwalde wahrt sein Gesicht, fährt überdies einen wichtigen Zähler im Abstiegskampf ein. Dann aber das: Nach dem Schlusspfiff feiert nur eine Mannschaft – Fürstenwalde. Betretenes Schweigen im Gästesektor, ein bisschen Abklatschen und sogar eine kleine Humba, aber keine Euphorie und schon gar kein Platzsturm. Offenbar will man sich die Party für Zuhause aufheben. Am Samstag empfängt man am vorletzten Spieltag mit dem Berliner AK mal wieder einen Spitzenklub von der anderen Seite der Stadt. Was soll da schon anbrennen, bei 6 Punkten und 15 Toren Vorsprung? Nichts, das Ding ist entschieden. Mein Tipp dennoch: Die Meisterschaftsfeier steigt am letzten Spieltag bei der VSG Altglienicke im Stadion am Wurfplatz – im Westen der Stadt. (mm)

FC Würzburger Kickers – SV Waldhof Mannheim – 1:2

FC Würzburger Kickers – SV Waldhof Mannheim – 1:2

„FRIDOLIN UND DER FLIEGENFÄNGER“

22.01.2022

Stadion am Dallenberg

3. Liga

Zuschauer: 0

WÜRZBURG – Herzlich willkommen im Jahre 2022, zum nächsten Geisterspielauftakt!

Wie schon vor vier Jahren – 2018 – läutet die Redaktion das Fußballjahr am Dallenberg in Würzburg ein. Mit dem feinen Unterschied, dass 1480 Tage zuvor 6672 zahlende Zuschauer die Blechtraversen im Würzburger Süden gegen den 1.FC Magdeburg bevölkerten, wo sich heute nur ein paar Dutzend Menschen mit Plüschmikrofon, Bleistift und Notizblock verirren. Und trotzdem hat man noch Glück, denn die Zugfahrt nach München war bereits gebucht – in der bayerischen Landeshauptstadt rollte kurzfristig bekanntlich aber kein Ball am Samstag und ein Streckenhalt auf dem Weg nach München hieß: Würzburg.

Zwischen den beiden Besuchen am „Dalle“ fanden sich übrigens sowohl Würzburg als auch Magdeburg mal für jeweils ein Jahr in der Zweiten Liga wieder. Während in Magdeburg alles auf einen neuerlichen Aufstieg hindeutet, laufen die Kickers dieses Jahr Gefahr durchgereicht zu werden. Mit Mannheim kündigte sich zudem ein weiterer Aufstiegsaspirant am Main an. Doch während der letzte Sieg der Hausherren bis in den Oktober hinein zurückliegt, konnten auch die Waldhof-Buben zuletzt zweimal nicht punkten.

Nach fast zweistündigem Fußmarsch vom Bahnhof mit Abstecher zur Festung und einer kleinen Schweißperle auf der Stirnfalte, ist der Dallenberg erklommen und man steht nach recht intensiver Einlasskontrolle endlich in dem menschenleeren Stadion, das vollbesetzt doch wesentlich „seriöser“ wirkt, bekommt man dann jedenfalls nicht die Behelfstribünen im Auswärtsblock und auf der Geraden zu Gesicht. Ob der FWK die Blechtraversen in der Regionalliga noch braucht? Dem möglichen Abstieg will man in Unterfranken u.a. mit den beiden Wintertransfers Marvin Stefaniak und Peter Kurzweg entgegenwirken. Den besseren Start hat aber der Waldhof, dem nach bereits zwei Minuten die Führung – offenbar zu Unrecht – abgepfiffen wird. Doch es wird nicht die letzte Aktion vom starken Schnatterer sein, der die Kugel eigentlich im genau richtigen Moment durchgesteckt hatte.

Auf der Haupttribüne tummeln sich tatsächlich nur ein paar hochrangige Vereinsmitglieder und Presseleute. Keine Spielerfrauen, treuen Vereins-Omis oder B-Jugend-Stars. Dennoch geraten fränkische und kurpfälzische Vereinsoffizielle beinahe aneinander, bei der Frage: Abseits oder kein Abseits? Keine Diskussion gibt es allerdings kurz vor der Halbzeit, nachdem SVW-Stürmer Pascal Sohm frei vor dem FWK-Kasten zum Kopfball kommt und seine Farben in Führung bringt. „Fliegenfänger“ nennen Würzburger Offizielle liebevoll ihren Keeper und Kapitän Bonmann. Außerdem wird auf der Tribüne gegen die Stadt gewettert, die ein paar Tage zuvor finanzielle Hilfe für das Dallenbergstadion versagte und lieber über 140 Millionen Euro in das städtische Theater pumpen will. Alles scheiße in Würzburg. Immerhin hat Landesmonarch Söder fürs nächste Heimspiel wieder Zuschauer angekündigt.

Im zweiten Abschnitt passiert zunächst nicht viel, doch die Franken kommen immer besser ins Spiel, treffen ähnlich wie der Waldhof aus kurzer Distanz zum Ausgleich und drängen auf das Siegtor. Es entwickelt sich ein offenes, spannendes Spiel. Neuzugang Stefaniak hat zweimal den Sieg auf dem Fuß und vergibt kläglich. Wieder ziehen diese misslungenen Aktionen vernichtende Urteile von fränkischen „Vereinsgranden“ nach sich. Ganz still wird es in der Würzburger Ecke hingegen, als die Gäste in der 90. Minute nach einer Freistoßhereingabe von Schnatterer etwas glücklich durch einen Spieler namens Fridolin Wagner zum 1:2 treffen – wieder sieht der „Fliegenfänger“ im Würzburger Tor dabei nicht gerade elegant aus.

Fußball ist manchmal ganz einfach: Bei dem Spielverlauf braucht man gar keinen Blick auf die Tabelle werfen, man kriegt auch ohne Klassement schnell heraus wer unten und wer oben steht. (mm)

FC Türk Sport Bielefeld III – SVE Rot-Weiß Bielefeld II – 2:4

FC Türk Sport Bielefeld III – SVE Rot-Weiß Bielefeld II – 2:4

„FLIESENTISCH & KUPFERHAMMER“

17.10.2021

Kreisklasse C

Sportplatz am Kupferhammer

Zuschauer: ca. 25

BIELEFELD – Wieder mal ein weiterer Beleg für die Bielefeld-Verschwörung? In Bielefeld-Brackwede jedenfalls, gibt es einen Platz, den gibt es eigentlich gar nicht. Der „Sportplatz am Kupferhammer“ dürfte einmalig in Deutschland sein: Außen Gras und in der Mitte Grand. Hybridrasen mal anders. Abgesehen davon, dass es insbesondere für Gastmannschaften sicherlich einer ausgeklügelten Wahl des Schuhwerks bedarf, habe ich mich vor Ort ernsthaft gefragt, wie die Sache mit dem Untergrund des Platzes in der Spielordnung des DFB eigentlich geregelt ist. Gibt es da einen Passus? Oder dürfte man theoretisch auch auf Fliesen spielen?

Vom Sportplatz „Kupferhammer“ war in den vergangenen Jahren bisweilen in den Medien zu hören. Das Satire-Format „Extra 3“ wählte den Ground zum „Verrücktesten Fußballplatz“. Interessant in diesem Zusammenhang, was wohl aus dem TSV Kusey geworden ist. Zur Erinnerung: Ein Landwirt kaufte die eine Hälfte des Platzes und errichtete einen Zaun auf Höhe der Mittellinie, was das Bespielen fortan unmöglich machte. So weit ist man in Bielefeld nicht, ganz im Gegenteil. Der FC Türk Sport – seit 40 Jahren am Kupferhammer zu Hause – wünscht sich zwar nach wie vor einen Kunstrasenplatz, doch immerhin hat die Stadt in der Lockdownzeit 2020 mit einer Abflusseinrichtung für eine Drainage der ständig überfluteten „Grandmitte“ gesorgt. Die Absätze zwischen Rasen und Sand sind geblieben und stellen die Spieler sicher vor das ein oder andere Hindernis.

Während in den Medien die Rede davon ist, dass die Anlage als Ascheplatz angelegt wurde und nach und nach zuwuchs, hat man mir vor Ort erzählt, dass der Untergrund „immer schon so aussah“. Der Kupferhammer liegt inmitten eines Schulzentrums und für den Ortsfremden ist der Eingang zum Fußball nicht gut ersichtlich. So kam es, dass ich kurz vor dem Anpfiff genervt über den Zaun an der Straßenseite gehüpft bin und den eigentlichen Eingang erst in der Halbzeit ausfindig machen konnte. Das Eintrittsgeld habe ich natürlich nicht geprellt, da in der letzten Liga bei der dritten Mannschaft der Einlass ohne Bezahlung erfolgt. Abgesehen von dem kuriosen Belag hinterlässt die Anlage nicht unbedingt einen einladenden Eindruck. In einer alten Hütte wurde wohl bei früheren Spielen mal Speis und Trank feilgeboten, hinter der Bude liegen verbrannte Gegenstände. Ein Container neben dem Tor beherbergt allerlei Zeug und ein paar alte Polstermöbel laden zum, naja, Sitzen ein. Da fehlt wirklich nur noch der Fliesentisch und das Trash-Ambiente wäre perfekt. Das Spielfeld wird eingerahmt von zwei Rasenwällen. Davon ab kriegt man die Zeit auf diesem abgefuckten Platz schon ganz gut rum. Wenn man einmal die Platzverhältnisse ins Visier genommen hat, will man nicht mehr woanders hingucken.

Heimspiele von zweiten, dritten, vierten Mannschaften sind bei mir eigentlich etwas verpönt, weil ich vermute, dass das repräsentative Vereinsleben bei diesen Teams irgendwie nur auf Sparflamme kocht. In diesem Falle aber: Wenn man schon für so einen Ground am Sonntag um 6 Uhr aufsteht, dann gerne ein bisschen Hafergrütze am frühen Morgen. Passt jedenfalls zu den Gegebenheiten vor Ort. Doch damit tut man den Akteuren Unrecht, denn jeder auf dem Platz kann oder konnte mal kicken, muss an dieser Stelle erwähnt werden – trotz Bierbauch oder grauem Haaransatz. Kein Wunder, wenn man ein ganzes Fußballerleben auf diesem „Grandrasen“ trainiert und gespielt hat, hinterlässt das wahrscheinlich Spuren.

Die Gäste von Rot-Weiß einfach torgefährlicher und mit den beiden Toren in der zweiten Halbzeit der verdiente Sieger. Für eine Mannschaft auf dem letzten Rang der letzten Liga, sah das trotz knapper Niederlage aber ganz passabel aus. Zumal auf diesem Platz. (mm)

KS Arkonia Szczecin – Iskierka Śmierdnica – 2:4

KS Arkonia Szczecin – Iskierka Śmierdnica – 2:4

„SOMMER IN POLEN“

28.08.2021

Keeza Klasa Okregowa Zachodniopomorska/Grupa II

Stadion Arkonii

Zuschauer: ca. 75

STETTIN – Der Sommer fing in Polen an und der Sommer endet in Polen. Konkret gesagt: Die schönste Jahreszeit fing mit Stettin an und findet nun genau dort ihren Schlusspunkt. Denn als die erste Tour des Jahres Anfang Juni (!) auf dem Plan stand, erkor man eben jenen Verein: KS Arkonia Szczecin bzw. das historische Stadion am „Eckersberger Wald“, wie die Anlage auf Deutsch hieß und wo Deutschland 1935 ein Länderspiel vor 17.000 Zuschauern gegen Estland austrug, zum Zielort. Das Sechstligaspiel des ehemaligen Erstligisten wurde dann kurzfristig vom Samstag-Vormittagstermin auf einen Mittwoch gelegt. Nicht so schlimm, dachte ich, fahre ich ein anderes Mal hin. Doch da war noch nicht zu mir durchgedrungen, dass die Bagger und Planierraupen das „Stadion Arkonii“, wie es heute heißt, alsbald in Beschlag nehmen werden.

Nun war guter Rat teuer. Da half nur ein Facebook-Abo bei Arkonia und spitze Ohren. Als dann in den sozialen Medien bekannt wurde, dass der neue Kunstrasenplatz auf dem Gelände Anfang August eingeweiht werden sollte und die ersten drei Partien der neuen Saison allesamt Auswärtsspiele waren, sank die Hoffnung gen Null. Doch spontan wurde bei mir ein Zeitfenster am Samstag frei – pünktlich zum ersten Arkonia-Heimspiel der neuen Spielzeit. Mit einer direkten Anfrage beim Verein startete ich den letzten Versuch Richtung Eckersberger Wald. Auf Polnisch wurde mir kurz und knapp geantwortet: „Stary stadion ul Arkonska“. Dafür brauchte ich noch nicht mal einen Übersetzer. Juhu!

Also nächsten Tag um 7 Uhr Kind und Klappstulle eingepackt und im strömenden Regen ab nach Polen. Es ist ja immer dasselbe Spiel: Bevor man nicht einen gekreideten Platz und ächzende Spieler in gelben Leibchen beim Aufwärmen sieht, traut man dem Frieden nicht so ganz. Doch in diesem Falle sank der Puls schon beim Einparken. Der Ground liegt an einer belebten Straße nebst eigener Tram-Haltestelle und direkt vor dem Vereinsheim war sogar noch ein Parkplatz frei, so dass garantiert nichts mehr schiefgehen konnte. Dachte ich jedenfalls, bis mein Nachwuchshopper in der Halbzeit von einer Wespe gestochen wurde. Der Endgegner trug also Schwarz-Gelb – passend zu den ganzen Baumaschinen im Rund. Nach einem kurzen, sirenenartigen Heulkrampf sank aber auch hier der Puls ziemlich schnell. Die polnische Notrufnummer immer wählbereit, denn wer weiß beim ersten Wespenstich des Lebens schon, ob da eine Allergie vorliegt? Die Schrecksekunden wurden tapfer überstanden, wenig später fiel der Kleine auf Papas Schoß in einen epochalen Mittagsschlaf und endlich ließ sich die Sonne über Pommern blicken.

Keine dreistellige Zahl an Zuschauern wollte dem Spiel gegen den Rivalen Iskierka Smierdnica aus der Stettiner Peripherie beiwohnen, darunter durchaus ein paar kuriose Gestalten morgens um 11, in dieser Schrottbude – seltsamerweise aber keine weiteren Hopper, welche vor ein paar Monaten hier noch den größten Teil der Kulisse bildeten. Das ehrwürdige Stadion hat schon vor Jahren gut die Hälfte seines Ausbaus eingebüßt. Nur eine Halbseite und Kurve glänzt noch mit Stufenausbau, völlig versparkten Bänken und sozialistischen Schalensitzen in Taubenblau. Hinter der Gegengerade gibt es ein Bagger-Panorama zu bestaunen, dort entsteht das neue Hauptfeld und ein kleiner Trainingsplatz aus Kunstfaser. Dem Zustand der neuen Anlage zu urteilen, war das allerdings noch nicht das letzte Spiel im alten Stadion. Ein paar Wochen oder Monate wird der neue Allerweltsplatz wohl noch auf seine Einweihung warten.

Auch das Spiel bot beste Abwechslung: Von Anfang an ging es hin und her, wobei die Gäste gleich die ersten beiden Chancen verwerteten. So rannte Arkonia knapp eine Stunde einem Rückstand hinterher und wenig deutete auf einen Erfolg hin, bis der Anschluss mit einem sauber versenkten Freistoß gelang. Doch die Gäste waren stets einen Schritt schneller und konnten den alten Abstand jeweils rasch wieder herstellen. Insgesamt eine kurzweilige Veranstaltung nach langem Anlauf. Zurück ging es dann wieder im Dauerregen, so dass das Arkonia-Stadion als echter Lichtblick in diesem Sommer in Erinnerung bleiben wird. (mm)

1.FC Phönix Lübeck – SC Weiche Flensburg 08 – 1:2 n.V.

1.FC Phönix Lübeck – SC Weiche Flensburg 08 – 1:2 n.V.

„BILDER FÜR DIE EWIGKEIT“

28.06.2021

Landespokalfinale SH

SHFV-Sportschule Malente

Zuschauer: 250

MALENTE – Während in Kopenhagen, Amsterdam oder München vor zehntausenden Zuschauern gerade EM gespielt wird, regiert selbst im fortschrittlichen Corona-Land Schleswig-Holstein noch die eiserne Hand. Zweihundert Einlassberechtigungen sprach der SHFV für das Landespokalfinale aus, das auch in diesem Jahr mit Verspätung über die Bühne ging. Jeweils 100 Tickets pro Team. Mit welcher Berechtigung zum Beispiel den (Ex-) Bundesligaspielern Ahmet Arslan oder Stefan Schnoor Einlass gewährt wurde, blieb im Dunkeln. Vielleicht sind auch sie für die Lokalpresse unterwegs. Vielleicht aber auch Mitglieder von Phönix Lübeck. Zutrauen würde man es beiden.

Bei dem Spielort handelt es sich um die Sportschule des Landesverbands. „Der Geist von Malente“ errang im vergangenen Jahrhundert deutschlandweite Bekanntheit. Abgesehen von je drei Stufen pro Längsseite, geizt der Ground mit weiterem Ausbau. An dem schönen, alten Eingangstor kann man sich aber gut vorstellen, wie dort in den 80er-Jahren Jugendliche im Lacoste-Polo mit Leder-Mokassins und Fönfrisur auf ihre Bravo-Idole gewartet haben. Daher ist die – seit 2013 wiedereröffnete – Sportschule auch das Highlight der Anlage. Durch sie weht der gute Geist der Weltmeisterschaften 1974 und 1990, was an unzähligen Bildern an den Wänden aus diesen Jahren sichtbar wird.

Hatte man zunächst erwartet, dass die 100 Tickets nur an hochbetagte Ehrenpräsidenten und so weiter verteilt werden würden, so sah man sich getäuscht. Schon auf dem Weg zum Einlass wird ein Flensburger Mob gesichtet und auch Phönix hat die besten „Kern-Assis“ für das erste Pokalfinale seit 45 Jahren nach Malente geordert – jeweils etwa 25 Mann heizen ihren Lieblingen ein und freuen sich nach der langen Abstinenz auf diesen Tag. Dass die Kapazität arg gedrosselt ist, fällt daher gar nicht wirklich auf. Letztlich beziffert der Verband die Zuschauerzahl auf 250. Die Pferde auf der Gegenseite hat man wohl nicht mitgezählt und ein strenges Alkoholverbot herrscht natürlich obendrein. Immerhin bietet man Rhabarberkuchen für einen schmalen Taler an. Der Sieg auf den Rängen geht genauso wie das Gebolze auf dem Platz an Flensburg. Wenn auch jeweils knapp. Die Fördestädter kommen besser ins Spiel, erzielen recht schnell den Führungstreffer. Lübeck beißt sich aber in die Begegnung zurück, wehrt kurz vor Schluss noch zwei Großchancen des Gegners ab und schießt aus kurzer Distanz in der 89. Minute den Ausgleich.

Den Spielern stehen weitere Qualen bei hochsommerlichen Temperaturen in der Verlängerung bevor. Die fehlende Spielpraxis aus dem letzten halben Jahr sieht man beiden Regionalligisten deutlich an. Der Flensburger Torschütze Kramer schleppt zum Beispiel unübersehbar ein paar Extrakilos mit sich herum. Phönix scheint die Gunst der Stunde zu nutzen und bleibt in der Verlängerung am Ball. Doch Weiche erzielt fünf Minuten vor dem Ende per Kopf den glücklichen Siegtreffer. Das Zustandekommen des Flensburger Erfolgs interessiert morgen niemanden mehr, aber die Bilder von der Mannschaft mit dem Pokal bleiben für die Ewigkeit. Genauso wie die Schnappschüsse an den Wänden in der Sportschule Malente.

mm

Holstebro BK – Aarhus Fremad – 1:3

Holstebro BK – Aarhus Fremad – 1:3

„0,1% ZUSCHAUER“

24.05.2021

2. Division/Pulje 1

Holstebro Idraetspark

Zuschauer: 125

HOLSTEBRO – Wie schon im Vorjahr lautete Dänemark das erste Ziel „after Corona“, wenn man ein Fußballspiel mit regulären Zuschauern zu Grunde legt. Vor 11 Monaten allerdings ohne Geisterspiele im Gepäck und bei feinsten Sonnenstrahlen, wenn auch in derselben Liga. Da die 2. Division (3. Liga) jedoch mit Ablauf der Saison von drei Staffeln zu einer Staffel verengt wird, ist auch diese Spielklasse bald Geschichte. Und auch sonst erwartete uns „strahlendes Pisswetter“ jenseits der unbewachten Grenze. Regen, den ganzen Tag. Und noch was Altvertrautes: Eine Zuschauerauslastung von um und bei 0,1%. Ich befürchte, da hatten einige Geisterspiele eine bessere Quote.

Der Grund für diese reißerische Prozentzahl ist allerdings ein freudiger: Der Holstebro Idraetspark. Denn die Spielstätte der Gastgeber kommt mit einer protzigen Kapazität von gut 10.000 Zuschauern daher und hat auch sonst eine ganze Menge zu bieten, z.B. eine schier endlose Gegentribüne, die nicht zuletzt ein bisschen an das alte-neue Parkstadion auf Schalke erinnert. Die Haupttribüne hat man gut in Schuss gehalten und das ist wichtig heute, denn sie bietet Schutz vor Regen und Wind. Tickets für rund 10€ kann man vorher ohne irgendwelche Einschränkungen oder Prüfungen online erwerben. Schriftliche Korrespondenz mit dem Verein sorgte vor der Partie für große Fragezeichen in Dänemark. Etliche Fragen zu Tickets, Corona-Nachweisen usw. usf. wurden einfach mit der Generalantwort: „Auswärtsfans sind nicht erlaubt!“ abgebügelt. Also alles klar, Feuer frei!

Holstebro kauert abgeschlagen auf dem letzten Tabellenplatz, die Qualifikation für die neue Liga hat man um Längen verpasst. Immerhin konnte man das andere Team aus Aarhus (VSK) am letzten Spieltag schlagen. Und auch wenn die Gäste aus derselben Stadt noch gut im Rennen um die neue Liga liegen und trotzdem eine Handvoll Fans mitgebracht haben, rechnet man bei dem Gekicke auf dem Rasen mit dem Schlimmsten. Doch Hartkäse ist das nicht, was da auf dem Spielfeld produziert wird. Beide Teams agieren durchaus flott nach vorne, Aarhus braucht die Punkte dringender und spielt zwingender auf das Tor, was mit drei Treffern belohnt wird. Auch Holstebro duselt sich per Glückseigentor noch zum Ehrentreffer. So eine Einlage hatte man eher erwartet, sie bildet aber den Schlusspunkt einer soliden Veranstaltung: Fußball mit Bratwurst, Bier und, nun ja, ein paar Fans.

Für die Redaktion steht nun aller Voraussicht nach ein längerer Urlaub in Polen auf dem Programm. Kommt gut in und durch den Sommer!

mm

SV Meppen – VfB Lübeck – 0:2

SV Meppen – VfB Lübeck – 0:2

„KURZ VOR DEM KNALL“

09.05.2021

3. Liga

Emslandstadion (Hänsch-Arena)

Zuschauer: 0 (offiziell)

MEPPEN – Bis zum bitteren Ende. Siegen oder fliegen hieß das Motto für den VfB Lübeck am Sonntag in Meppen, die den ersten Nicht-Abstiegsplatz in der 3. Liga einnehmen und mit drei Punkten oder einem Unentschieden mindestens sieben Punkte Distanz auf den VfB wahren konnten. Zwei Spieltage vor Schluss hieße das: Lange Gesichter bei den Gästen, denn jeder Punktgewinn für die Emsländer bedeutete in dieser Konstellation den Abstieg für Lübeck in die Regionalliga.

Bei fantastischem Frühsommerwetter finden sich allerlei Personen in und um das Emslandstadion ein. Ein Haufen Bullen und sonstige Ordnungshüter sichern Stadion und Gelände ab. Ich lass mir meine Akkreditierung aushändigen und spaziere in die Arena. Ein Mob Meppener findet sich an der Ecke zur Haupttribüne vor dem Stadion ein und macht sich über die 90 Minuten immer wieder akustisch bemerkbar. Auch haben sich einige Fans auf Stromkästen hinter dem blickdichten Zaun postiert und können so das Spielgeschehen teilweise verfolgen. Unmittelbar vor dem Anpfiff startet der Mob hinter dem eigentlichen Gästeblock – der bei meinem Erstbesuch in Meppen vor knapp 10 Jahren übrigens noch ganz anders aussah – eine kleine blau-weiße Pyro-Show. Leider verscheucht mich in dem Moment des ersten Knalls Ex-Nationalspieler und SVM-Geschäftsführer Ronald Maul von meinem exklusiven, aber offensichtlich nicht coronakonformen Platz, so dass ich nur unzureichende Fotos anfertigen kann. Das Spiel kann beginnen.

In einer zerfahrenen, vorsichtigen Partie passiert in der ersten Hälfte nicht sehr viel. Zwei Abstiegskandidaten in der 3. Liga, das kann schon mal ein zähes Vergnügen werden. Auch im zweiten Abschnitt spielt sich das Duell eher zwischen den beiden Strafräumen ab, bis Sebastian Hertner aus dem Nichts einen wunderbaren Steckpass auf Thorben Deters spielt, der alleine vor dem gegnerischen Keeper etwas überraschend zur Führung trifft. Jener Deters, dessen Vater in Meppen als Zweitligalegende und Rekordspieler gehuldigt wird, hat kurze Zeit später sogar die Chance auf das 2:0, trifft aber nur die Querstange. Meppen spielt sich in der Folge wütende Bälle zu, es fehlt aber deutlich an Struktur und so springen allenfalls Halbchancen heraus, was selbst gegen einen halbtoten Fast-Absteiger deutlich zu wenig ist. Der VfB erlaubt sich wenig Fehler, hat nun mehr Platz zum Kontern und ein Angriff kurz vor Schluss mündet in einem Elfmeter, den Martin Röser riskant aber sicher in der Mitte des Tores versenkt.

Bei den Treffern und nach dem Schlusspfiff herrscht bei mir und dem VfB-Staff eher ungläubiges Staunen, statt helle Begeisterung. Zu sehr hatte sich nach der herben 0:3-Pleite gegen Wiesbaden der Gedanke vom Abstieg eingenistet. Aber Totgesagte leben länger: Nun verbleibt eine theoretische Chance auf den Klassenerhalt. Bis zum nächsten Freitag, denn dann kann Meppen mit einem Sieg in Saarbrücken die zarte Hoffnung schon wieder frühzeitig beenden. Doch immerhin verabschiedet man sich nun einigermaßen sauber aus dieser Spielklasse, wenn der SVM in Saarbrücken gewinnt.

Die Meppener haben die drei Punkte natürlich ebenfalls bitter nötig. Zwar ändert sich an den Tabellenplätzen nach dem Schlusspfiff nichts, doch die Verfolger lauern erfahrungsgemäß genau so, wie der harte Kern der Meppener, der das Team nach der Partie noch zur Rede stellt und das nach einem minutenlangen Dialog am Stacheldrahtzaun selbstverständlich Besserung gelobt. Aus neutraler Sicht spricht allerdings nicht viel dafür. Außer dass Totgesagte halt länger leben. Und das gilt natürlich nicht nur für die Grünen, die im Emsland nochmal mit einem Blauen Auge davongekommen sind.

mm

FSV Frankfurt – Bahlinger SC – 4:2

FSV Frankfurt – Bahlinger SC – 4:2

„DER SCHIEBER VON BUTZBACH“

08.05.2021

Regionalliga Südwest

Stadion am Bornheimer Hang (PSD Bank Arena)

Zuschauer: 0

FRANKFURT – Auch in Frankfurt sind die Geschäfte momentan mehrheitlich geschlossen. Ansonsten macht sich „Corona“ an diesem schönen Frühlingstag in der hessischen Finanzmetropole nicht sonderlich bemerkbar. In Bornheims Stadtmitte fühlt man sich im Markttreiben gar wie in der Portobello Road in dem Film „Notting Hill“, für den der gleichnamige Londoner Stadtteil Pate stand. Fußball wird natürlich wie eh und je gespielt und in einem ziemlichen Kontrast zu der aktuellen Verfügungslage steht auch die Veranstaltung beim FSV Frankfurt. Zunächst mal: In der Regionalliga Südwest geht es sowohl für die Bornheimer als auch für die Gäste aus dem Kaiserstuhlgebirge um gar nichts mehr.

Auch sonst kann man diesen unspektakulären Kick als ziemlich lockere Veranstaltung durchwinken. Die Tribüne ist für ein Geisterspiel gut besucht. Augenscheinlich tummeln sich auch einige Angehörige in dem Stadion, einem Betonpalast, keine zehn Jahre alt, der aussieht wie ein Neubau aus den 80er-Jahren – unförmig und grau. Das seltsame Gebäude, aus dem die Hintertortribüne besteht, könnte auch in der JVA Butzbach stehen. Aber egal, schließlich zählen ja die inneren Werte. Und da kann man sich vorstellen, dass man hier schöne Fußballnachmittage erleben kann, vor halbwegs gefüllten Rängen. Und außerdem: Das Catering hat man – im Vergleich zu anderen Vereinen – nicht gänzlich eingestellt und serviert seinen geladenen Gästen zumindest Getränke. Das heißt für mich und die meisten anderen Stadiongänger: Endlich mal wieder Live-Fußball und Bier. Das Leben kann so einfach sein…

Dieses Motto gilt auch für die Männer, die sich auf dem Rasen duellieren. Bei den Gästen vom BSC spielt der Trainer an der Außenlinie eine lebendige Rolle. Immer wieder kommandiert und gestikuliert Dennis Bührer – ehemaliger Profi in Freiburg und Dresden – seine Elf nach vorne. Mit Erfolg, denn die gut strukturierten Bahlinger gehen schnell und etwas überraschend mit 2:0 in Führung. Ein zweifelhafter Elfmeter und ein ganz feines Hinterkopfballtor sorgen für ein komfortables Resultat. Der Elfmeter produziert überdies die wunderbare Stilblüte, dass die halbe Tribüne – namentlich der Staff vom FSV Frankfurt – lauthals „Schieber“ ins Rund brüllt. Für mich jetzt schon ein Highlight des Jahres.

Kurz vor der Pause verkürzen die Frankfurter etwas glücklich durch einen Beintunnler zum 1:2. Und wie das immer so ist: Die Gästemannschaft, der Außenseiter, knickt ein. Da nützt den Badenern auch ein überragender Hasan Pepic nichts, der die Abwehrspieler zuvor im Alleingang nass gemacht hat und dessen Bruder Mirnes in den Bundesligen kein Unbekannter ist. Noch bevor man Geld bei Sportwettenanbieter platzieren kann, gleichen die Hessen mit dem Anpfiff zur zweiten Halbzeit aus. Gerade mal 30 Sekunden sind vielleicht gespielt, da steht es nach einem Konter 2:2. Die derben Zwischenrufe in hessischer Mundart verstummen endgültig, nachdem man in Folge eines Eckballs durch den starken Abwehrspieler Jesse Sierck den Zwei-Tore-Rückstand in eine Führung dreht.

Die tapferen Gäste hätten einen Punkt verdient und geben nicht auf, treffen in der Nachspielzeit sogar den Pfosten, doch zuvor macht der Sohnemann von Torwartlegende Dieter Burdenski den Deckel drauf, in dem er einen Konter zum 4:2-Endstand veredelt. Dieser Fabian Herbert Burdenski kam irgendwann mal vom SSV Jeddeloh zum FSV Frankfurt und hatte zuvor schon – passend zu den aktuellen, restriktiven Verhältnissen im Fußball – fernab der öffentlichen Wahrnehmung in Polens Ekstraklasa ein bisschen Karriere gemacht. Ein würdiger Schlusspunkt dieser Partie ist schließlich, dass man mir das letzte Bier aus dem Kühlschrank aushändigt. In dieser Disziplin meldet der FSV Frankfurt heute „ausverkauft“.

mm

VfL Wolfsburg II – FC Carl Zeiss Jena – 0:1

VfL Wolfsburg II – FC Carl Zeiss Jena – 0:1

„BETONMONSTER MIT EINSCHUSSLÖCHERN“

11.04.2021

VfL-Stadion am Elsterweg

2. Frauen-Bundesliga-Nord

Zuschauer: 0 (offiziell)

WOLFSBURG – Wie sich die Zeiten ändern. Schon vor Jahren geisterten Gerüchte umher, das Stadion am Elsterweg sei dem Untergang geweiht. Vor zwei Jahren wurde der Abriss und Umbau für 2022 beschlossen. Corona kam dazwischen und so kickt die VfL-U21 aus der Damenabteilung immer noch in dem ehemaligen Bundesligastadion – und zwar aktuell als einzige Mannschaft im Verein, wenn auch immerhin in der 2. Frauen-Bundesliga.

Und genau da lag der Haken. Schon in der letzten Saison 19/20 kamen im Schnitt, nun ja, 70 Besucher in das große Rund. Trotzdem hatte ich die Konstellation mit den zweiten Damen am Elsterweg stets auf dem Zettel. Zehn Jahre habe ich kein Damenspiel mehr gesehen und obwohl ich kein Frauenfußball-Hater bin, konnte ich mich nicht dazu durchringen, einen Trip nach Wolfsburg mit Hauptspiel 2. Frauen-Bundesliga-Nord zu starten, muss ich gestehen.

Wo jetzt der Re-Start des Damen-Unterhauses bevorstand, war aber klar: Das musst du machen. Das VfL-Stadion, das ehemalige Bundesliga-Stadion, die Keimzelle des Vereins, mit einem „Geisterspiel“ der II. Damen zu kreuzen – mehr geht nicht, so eine Gelegenheit kommt so schnell nicht wieder. Und so bin ich an diesem Sonntag im April einer von zwei Berichterstattern auf der Gästeliste. Im Innern selbst mache ich genau vier Personen ausfindig, die ich nicht dem jeweiligen Staff beider Vereine zuschlagen kann. Demgegenüber stehen drei oder vier Ordner, die äußerst streng ihren Dienst verrichten. Meine Bitte, die menschenleere Kurve mit der (ehemaligen) Anzeigetafel abzulichten, hat zur Folge, dass das Stadion kurzerhand abgeschlossen werden muss, weil mich der Ordner vom Einlass die zehn Treppen hoch zur Kurve begleiten will – damit ich keinen Unfug mache.

Trotz all dieser Widrigkeiten – und vom Wetter habe ich noch gar nicht gesprochen – hat sich der Trip aber gelohnt. Solche Überbleibsel aus dem letzten Jahrhundert findet man in Deutschland auch nicht mehr so oft. Stehplätze rundherum, ein irgendwie halbprovisorischer Oberrang – und das Herzstück: Die alte Haupttribüne, die unter Denkmalschutz steht und in das neue Sportpark-Projekt integriert werden soll. Von der alten Tribüne bröckelt der Beton auf die Sitze, abgesehen davon dass sie „alt & geil“ ist, findet sich an dem Bauwerk aber nicht so viel Erhaltenswertes. Die Tribüne aus den 60er-Jahren ist ein Betonmonster mit Einschusslöchern, das sehr wenig Komfort bietet und ohne weitere Funktionen daherkommt, wenn man dir Pressekabinen mal ausklammert. Nicht dass wir uns falsch verstehen: Schöne Sache, das mit dem Denkmalschutz. Von alleine wäre ich aber nicht drauf gekommen.

Zum Sportlichen – und da war ich echt gespannt. Schon nach fünf Minuten fällt das erste und letzte Tor des Tages: Eine Gästespielerin namens Anna Weiß drischt den Ball aus kurzer Distanz nach einer Hereingabe an Torhüterin Almuth Schult vorbei ins Netz. Die Torfrau der VfL-Damen hatte bei mir vor dem Anpfiff für das einzige Aha-Erlebnis gesorgt. Beim Blick auf die Spielaufstellung kam mir der Name bekannt vor. Zusammen mit der unvergleichlichen US-Amerikanerin Hope Solo, wurde Schult 2014 zur Welttorhüterin ernannt, wie es immer so schön heißt. Wie kann das angehen, dass diese Weltfrau jetzt vor einer Handvoll Zuschauern in der 2. Liga kickt? Die Antwort liegt in der Natur der Sache: Im Herbst 2019 wurde Almuth Mutter von Zwillingen, was – zusammen mit den Ereignissen seit März 2020 – dafür gesorgt hat, dass die 64-fache Nationalspielerin fast zwei Jahre kein Pflichtspiel bestreiten konnte. Im Kader der ersten Mannschaft wurde sie gar zur Nummer 3 degradiert.

Da sage noch einer, es gäbe keine großen Unterschiede mehr zwischen Damen- und Herrenfußball. Ich bin froh, dass es nach fünf Minuten in der Kiste der Welttorhüterin klingelt, denn das bedeutet für meine bescheidene Statistik: 150. Spiel in Deutschland in Folge ohne 0:0! Über den frühen Treffer kann ich auch wirklich froh sein, denn bis auf eine weitere Jena-Chance direkt im Anschluss, passiert vor den Toren in dieser Partie fast gar nichts mehr. Der Ball findet zwar oft den direkten Weg nach vorne, aber in die Box gelangt er nur sehr selten. Im Grunde genommen ist es ein echter Grottenkick.

Trotzdem übe ich mich als aufmerksamer Beobachter: Man(n) sieht den Protagonistinnen definitiv an, dass viel und hart trainiert wird. Wolfsburg fällt durch einen wirklich geringen Altersschnitt auf. Bei Jena misst die Stürmerin, die fast alle Bälle anzieht, gerade mal 156 Zentimeter. Auch kann man beiden Teams bescheinigen einer bestimmten Spielidee zu folgen. Insgesamt unterlaufen den Mädels nur wenig wirkliche Fehler. Bei Jena wird früh gepresst, nach Ballgewinnen schickt man die schnellen Außenspielerinnen mit Vertikalpässen nach vorn. Das mündet auch recht schnell im Siegtor für den letzten DDR-Meister im Frauen-Fußball, der letztes Jahr im FC Carl Zeiss aufgegangen ist und zuvor als FF USV Jena bekannt war. Was die Präzision, Athletik, das Tempo und die Körpersprache angeht, so muss ich sagen, habe ich diese Ground-Konstellation mit den II. Damen nicht ganz zu Unrecht all die Jahre aufgeschoben. Doch da der Besuch in Wolfsburg damit nun abgeschlossen ist, will ich es bei diesen Worten belassen.

mm

1.FC Köln II – VfB Homberg – 5:2

1.FC Köln II – VfB Homberg – 5:2

„FRANZ KREMER, ÜBERNEHMEN SIE!“

10.04.2021

Franz-Kremer-Stadion

Regionalliga West

Zuschauer: 0 (offiziell)

KÖLN – Nachdem ich nun ein halbes Jahr artig zu Hause den Anweisungen der politischen Leitfiguren Folge geleistet habe und Corona immer noch in ungeahnten Dimensionen grassiert, wurde es jetzt mal Zeit für einen Strategiewechsel: Weg von der Einzelhaft, raus aus der Isolation, rein in das Massentransportmittel, das unter normalen Umständen teurer als eine Einzelfahrt mit dem Auto nach Köln ist. Das könnte ich jetzt schreiben, wenn ich cool wäre. Aber ich bin einfach nur ein ganz normaler Junge, der ein bisschen Fußball gucken will. Ein drohender Zahnriemenschaden bei meinem Auto zwang mich auf die Schiene und so feierte das beklemmende Gefühl, morgens um 7.46 Uhr möglicherweise schon den ersten Anschlusszug zu verpassen, ein ungeahntes Comeback.

Ich gehöre natürlich zum Pöbel und bin kein „sogenannter Experte“, aber im Zug stundenlang Maske tragen, in der ganzen Kölner Innenstadt sowieso, am Klettenbergpark dann mal 10 Minuten ohne Mundschutz, beim Fußball wieder rund drei Stunden mit Maske. Ob das so eine gute Idee ist, in jeder x-beliebigen Situation mit so einem Ding im Gesicht rumzulaufen, von irgendwelchen Leuten angegeifert zu werden, wenn man seinen Gesichtserker mal lüftet und im Umkreis von 10 Metern keine Menschenseele zu sehen ist? Schnell ist so ein Teil durchfeuchtet und das, obwohl man sogar zwei Ersatzmasken im Gepäck hat. Das fördert ohne jeden Zweifel den sorglosen Umgang mit dieser Virenklette. Die Maske ist in Deutschland die heilige Kuh, aber Hysterie wird die aktuellen Probleme wohl eher nicht lösen. Was soll’s, wir drehen uns im Kreis.

Mit Köln empfängt mich an diesem Samstag im April eine Stadt eingehüllt in einen dicken Trauerschleier. Bereits im Bergischen Land künden die letzten Schneereste von harten Zeiten. Ich war schon einige Male in der Domstadt und stets gipfelte der Aufenthalt in einer großen Gaudi, aber nicht nur das graue Wetter und der permanente Regen hat der Stadt den Zahn gezogen. Die wenigen Menschen auf der Straße reden nicht miteinander. Jeder geht nur schnell seiner Wege. Touristen gibt es fast gar nicht. Verständlicherweise. Und die, die sich in der Stadt tummeln, spulen ihren Betrieb im Notprogramm runter. Keine Läden sind geöffnet und wenn doch, hat man den Eingangsbereich verrammelt und einen provisorischen Tresen davorgestellt. Die Barrikade für den Hurrikan. In der Schaufensterscheibe eines Geschäfts liest man: „Alles 50% reduziert wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage“. Trotz dieser Maßnahmen titelt der „Express“: „Corona-Alarm in Köln – Krisenstab greift durch!“. Sämtliche Widerstände sind erloschen. Vielleicht wird es doch mal Zeit für einen Strategiewechsel.

Fußball wird dennoch gespielt und das nicht zu knapp. Natürlich ist das strange, dass die Regionalliga im Westen weiterläuft. Aber angesichts dieser endzeitlichen Zustände auch wieder wohltuend. Vor dem Stadion treffe ich tatsächlich einen alten Hamburger „Kollegen“ und im Ort des Begehrens mache ich die Bekanntschaft mit einem der Fotografen. „Geisterspiele“, das ist wohl relativ. Mittlerweile würde ich sogar so weit gehen, dass diese Art der Durchführung auch einen gewissen Reiz mitbringt. Das Stadion liegt im letzten Zipfel der Stadt, irgendwo zwischen Autobahn und Wald, und ist ein echtes Schmuckstück mit seiner 70er-Jahre-Tribüne, dem gezackten Betondach und alten Stehplätzen, die sich rund um die Anlage ziehen. Nebenan findet man mit dem „Geißbockheim“ die Geschäftsstelle des Großstadtklubs.

Im Dauerregen von Köln-Sülz geht der FC zunächst standesgemäß in Führung, ehe der akut abstiegsbedrohte Gast aus Duisburg erst ausgleicht und mit einem starken Schuss kurz vor der Pause sogar zur Halbzeitführung trifft. Nicht zuletzt angesichts der Witterungsverhältnisse gewinnt man durchaus den Eindruck, dass die limitierten Gäste das Ergebnis vielleicht über die Zeit retten können. Doch dann fällt nach rund einer Stunde der Ausgleich und die Moral der Homberger ist bald gebrochen. Köln trifft noch drei weitere Male. Torschützen: Regionalliga-Legende Lucas Musculus, der pfeilschnelle Koreaner Hwang und ein junger Bursche namens Joshua Schwirten, der mit einem wunderbar platzierten Schuss in den Winkel den würdigen Schlusspunkt in dieser Partie setzt und bei dem uns auffällt, dass er in der ersten Halbzeit die ganze Zeit zwei Sitze vor uns gesessen hat.

Nach dem Abpfiff geht es wieder zügig Richtung Stadt, wo dem „Poldi“-Döner „Mangal Grill“ ein Besuch abgestattet wird. Der gute Podolski hat bei seinen Dönerläden nicht mit Starkult in eigener Sache gegeizt, an dem Dürum ist auch nicht viel auszusetzen, aber der Preis von 6 Euro ist doch ziemlich happig. Naja, da bezahlt man den Namen natürlich mit und wenn ich mir schon einen Poldi-Döner gönne, wird bei seiner großen Beliebtheit der Dönerspieß in den mittlerweile vier Filialen wohl trotzdem auf eine beachtliche Drehzahl kommen.

Zum Schluss gilt es festzuhalten, dass das natürlich alles nichts ist, im Regen durch eine fremde Stadt zu laufen, in der „Verweil-Verbote“ gelten, die keinerlei legale Möglichkeiten für eine Indoor-Rast bietet. Aber jedes Wochenende zu Hause auf der Couch zu hocken, ist halt irgendwann auch keine Lösung mehr. Der Namensgeber des Stadions galt in Köln nicht umsonst als unumstrittener Präsident und wird heute als Urvater der modernen Bundesliga gefeiert. Da würde man am liebsten sagen: Franz Kremer, übernehmen Sie!

mm

KFC Uerdingen 05 – VfB Lübeck – 1:1

KFC Uerdingen 05 – VfB Lübeck – 1:1

„DAS ENDE EINES LOTTERLEBENS?“

12.03.2021

3. Liga

Stadion am Lotter Kreuz

Zuschauer: 0 (offiziell)

LOTTE – Nun ist es also so weit, seit ziemlich genau einem Jahr bestimmt die Politik das öffentliche Leben und begründet diese Schritte mit einem neuartigen Virus, das unser Leben gefährdet oder gefährden soll. Am 12. März 2020 fing für mich dieser „Pandemie“ genannte Zustand an. Am Vortag konnte noch ganz unbeschwert ein A-Jugend-Spiel verfolgt werden, einen Tag später – einem Donnerstag – wurden sämtliche Fußballspiele in der Bundesrepublik abgesagt. Grund genug einen damals anstehenden Wochenend-Trip nach Flensburg sofort zu stornieren, denn nicht nur das angepeilte Regionalliga-Spitzenspiel vom SC Weiche 08 gegen den einstmaligen Tabellenführer aus Lübeck fiel den Maßnahmen zum Opfer – das ausgeheckte Ersatzprogramm ganz ohne Fußball konnte nicht überzeugen und schließlich wollten wir alle, naja, Menschenleben retten. Wer will in Flensburg schon tot über’n Zaun hängen?

365 Tage später: Das Ende eines Lotterlebens? Mitnichten, aber wer hätte vor einem Jahr gedacht, dass ein Auswärtsspiel vom Tabellenletzten der 3. Liga ohne Zuschauer in Lotte gegen den KFC Uerdingen Erwachsenen-Augen zum Leuchten bringt? Doch wenn wir mal ehrlich sind: Das passt zu diesem traurigen Jubiläum – bei absolutem Scheißwetter, Orkanböen und strömendem Regen. Schon verrückt, manchmal wird einem Wasser als Wein verkauft. Aber letztlich auch egal, wenn das Zeug wirkt. Vom DFB ist das natürlich gewollt – dort sitzt man zufrieden in der Verbandszentrale, wenn Uerdingen Lübeck in Lotte empfängt, einem Ort, der so klein und unbedeutend ist, dass man dort noch nicht mal einen Regenschirm kaufen kann, wenn es wie aus Eimern schüttet. So deute ich zumindest die völlig überzogenen Auflagen für die 3. Liga und werde nicht müde, diesen Umstand bei jeder Gelegenheit zu betonen. Das „Frimo“-Stadion jedenfalls wurde vom Verband drittligaklassifiziert und es mag UEFA-Mitgliedsländer geben, die an so einem Veranstaltungsort ohne weiteres ihre Länderspiele austragen wollen würden, während sie sich in Lotte auch schon vor Corona mit vermeintlichen Geisterspiel-Kulissen ausgekannt haben…

Es dauert nicht mal zwei Minuten, da bin ich im Stadion. So eine Pandemie hat auch was Gutes: Parken im Schatten der Tribüne, ein paar Unterschriften und Absichtserklärungen vorzeigen und schon ist man drin. Nicht viel los in Lotte und das gilt wohl auch zu Geisterspiel-Zeiten: Eine Handvoll Journalisten, unabkömmliche Mitarbeiter beider Vereine, der Stadionsprecher, Ersatzspieler und Kaderleichen. Und ich – der Mann, ohne den eine Paarung Uerdingen gegen Lübeck in Lotte vor leeren Rängen definitiv keinen Sinn ergeben würde. Ich könnte jetzt pathetisch werden, wie ergreifend es ist, nach so langer Zeit mal wieder ein Spiel seiner Lieblingsmannschaft zu sehen und so weiter und so fort. Aber in erster Linie ist es eine gute Stunde vor dem Anpfiff erstmal nur kalt & langweilig.

Grausam und schrecklich wären zwei weitere Eigenschaften, die auf dem Tisch liegen, wenn die Mannschaft mit den wenigsten geschossenen Toren der laufenden Saison auf die Elf mit der geringsten Punktausbeute trifft. Aber es kommt natürlich anders, sonst würde man halt auch nicht jedes Wochenende bei Wind und Wetter irgendwelche Autobahnen hoch- und runterbrettern. Zumindest zu normalen Zeiten. Schon nach sieben Minuten geht Uerdingen durch einen Kopfball von Adriano Grimaldi in Führung. Mit der ersten Chance. Es folgt beherzter Fußball von den Gästen und es mehren sich die Gelegenheiten zum Ausgleich, der einfach nicht fallen mag. Uerdingen spielt sich im ersten Abschnitt keine einzige Chance vor dem gegnerischen Tor mehr heraus und muss trotzdem nach der Pause sofort das 2:0 nachlegen, denn eine Hereingabe von Mike Feigenspan landet nur auf dem Querbalken und bei einem elfmeterreifen Foul vertritt Spielleiter Patrick Glasner eine Meinung, die den Forderungen des KFC-Staffs konträr gegenüber steht, um es mal vorsichtig auszudrücken.

Krefeld drückt auf das 2:0 – und wieder kommt es anders. Kein Wunder, ich bin ja auch dabei. Und meine letzte VfB-Niederlage als Augenzeuge datiert aus dem Jahre 2017. Vier Jahre keine Pleite live vor Ort miterlebt, Bayern-Fans lieben diesen Trick. In diesem Falle kommt man aber nicht daran vorbei festzustellen: Corona ist mein Glück. Dennoch agiert der VfB in der zweiten Halbzeit nicht wie ein Schlusslicht und nach einer Triple-Chance in Folge einer Ecke ist es schließlich Ryan Malone, der das Kunstleder aus rund 20 Metern in die Maschen drischt und mich als Glücksbringer bestätigt. Ausgerechnet Malone, der hünenhafte US-Amerikaner, den man wahrscheinlich auch für einen Footballer halten könnte, jubelt ikonenhaft im Dauerregen irgendwo im Nirgendwo im Tecklenburger Land und lässt alle Beteiligten Corona und die Geisterspiel-Kulisse für einen Moment vergessen. Tatsächlich leisten die Spieler auf dem zerfurchten Rasen ganze Arbeit und füllen einen Großteil der Spielzeit das Vakuum, das das Zuschauerverbot hinterlassen hat.

In der allerletzten Minute des Spiels zieht ein KFC-Akteur von der Strafraumgrenze ab und der Ball streicht nur Zentimeter über das VfB-Gehäuse. Schließlich ist es vorbei mit dieser Veranstaltung. Der Schiedsrichter pfeift das Duell ab – und dann: Stille. Ich applaudiere den Protagonisten des Abends für ihre Darbietungen und mein leicht euphorisiertes Geklatsche gilt allen Beteiligten, egal welcher Farbe. Denn so ein Leistungsnachweis bei diesem Sauwetter, da kann man ruhig mal Beifall spenden. Allerdings höre ich ziemlich abrupt auf zu klatschen, denn ich bin der einzige Zuschauer, der den Akteuren auf diese Weise Respekt zollt. Um mich herum packen die wenigen Beobachter dieser Partie zügig ihre sieben Sachen ein und verschwinden. Wieder mal ist bloß ein Geisterspiel zu Ende gegangen.

mm

FC Schalke 04 II – VfB Homberg – 2:0

FC Schalke 04 II – VfB Homberg – 2:0

„ILLEGAL 2021“

27.02.2021

Neues Parkstadion

Regionalliga West

Zuschauer: 0 (offiziell)

GELSENKIRCHEN – Der heißeste Geisterspiel-Scheiß aus der Regionalliga West – na, wenn das mal kein Grund ist sich für diese Seite ein freiwillig-kostenpflichtiges und teilweise-unnötiges Abo ans Bein zu nageln! Wie wäre es mit dem „Gönner-Abo“? 10 Jahre für 1,99€ und dazu einen kostenlosen Hochdruckreiniger eines deutschen Markenherstellers – geschenkt! Das Angebot greift allerdings erst ab einem Corona-Inzidenzwert von unter 35 und ist nur bis zum 7. März datiert. Merkste selbst, oder?

Genug gelacht, denn Ende Februar fällt es coronabedingt immer noch schwer die Lachmuskeln nach oben zu ziehen. Doch hier und da rauscht ein kleiner Lichtblick durch die Wolkendecke. Schalke ist so ein Lichtblick. Jetzt wird’s richtig lächerlich, könnte man denken. Zu Recht: Wo die Profis mit sage und schreibe 9 Punkten aus 23 Spielen im nahenden Frühling Nichtabstiegs-Durchhalteparolen in die Welt setzen. Zum Glück gibt es den Amateurfußball und die Regionalliga West, die sich in diesen Zeiten zwecks Weiterführung des Spielbetriebs in eine offizielle Profi-Liga gewandelt hat und daher natürlich viel Wert auf qualitative Berichterstattung von ausgewählten Reportern live vor Ort legt.

Darum geht es an einem Samstagmorgen 400 Kilometer aus dem schönen Hansetal Richtung Gelsenkirchen. Gewohnt früh fädel ich mich mit meiner kleinen Blechkapsel auf der menschenleeren A1 ein, dort wo sonst Verkehrsbehinderungen warten rauscht man nun im dreistelligen Tempo völlig gefahrlos an chronischen Stauenden vorbei. Überpünktlich trudelt man in Gelsenkirchen ein. Die Arbeiterstadt im Westen – oft belächelt, aber in diesen Tagen mal eine nette Abwechslung. Dank der verfrühten Ankunftszeit wird gegen Mittag noch das „Fürstenbergstadion“ angesteuert, in der Hoffnung, dass der nahende Umbau dort noch nicht begonnen hat und man die traditionelle Anlage von innen und außen nochmal begutachten kann. Vor Ort die Enttäuschung: Abrissbagger haben bereits alle Stehstufen angeknabbert und den Zaun kann man auch nicht überwinden.

Das Alternativ-Programm ist ähnlich gruselig wie ein Stadionabriss: Auf einen kleinen Sprung geht es rüber ins etwa zehn Kilometer entfernte Gladbeck, in die Schwechater Straße 38, dort wo im August 1988 das sogenannte „Geiseldrama von Gladbeck“ begann. Ein bisschen Asi-Crimespotting in der Nachbarstadt, ein altbewährter Klassiker für Groundhopping-Erstsemester auf Schalke, ich weiß nicht wie ich mir in der Gegend sonst die Zeit vertreiben soll. Spötter mögen nun behaupten: Das Hochhaus in Rentfort-Nord – die größte Touristenattraktion Gelsenkirchens. Auf jeden Fall ist es ein düsterer Ort mit morbidem Charme. So wie aktuell wahrscheinlich auch die Veltins-Arena, wenn dort Bundesliga-Fußball stattfindet.

Doch ein Fußballspiel in der Veltins-Arena wird heute um 14 Uhr nicht angepfiffen. Stattdessen spielt die U23 im neueröffneten Parkstadion, das allerdings nur aus einer Tribüne besteht. Die aber, hat es in sich: Die „Knappen“ haben die Gegengerade des 74er-WM-Stadions original erhalten und mit neuen Wellenbrechern flott für die Zukunft gemacht. Selbst die Holzbänke sind die gleichen wie früher und sogar der alte Schüttbeton entpuppt sich irgendwie als sehr schöner Unterschied zu den Betonfertigteilen heutiger Zeit. Hinzu kommt das Markenzeichen der Anlage: Ein alter Flutlichtmast überragt ikonisch das ehemalige Oval. Hört sich komisch an in diesen Tagen – ein Kompliment für Schalke: Das habt ihr richtig gut gemacht!

Ob bei einem Heimspiel gegen den VfB Homberg unter normalen Bedingungen 100 Zuschauer kommen würden? Ich weiß nicht. So ähnlich fiel meine Wahrnehmung jedenfalls in Nicht-Pandemie-Zeiten aus, wenn ich über Schalke II nachgedacht habe. Daher drückt es nicht auf die Stimmung, dass sich im „Infield“ nur etwa 40 bis 50 Pressevertreter und Vereinsnasen zusammenfinden, gut 70 bis 80 Zaungäste rund um das Areal kommen hinzu. Sogar auf einem Parkhaus in gut 100 Metern Entfernung sind Menschenmengen auszumachen. Illegal 2021. Vor dieser Pandemie waren solche Spiele wahrscheinlich kaum besser besucht. Das Schalker „Sicherheitspersonal“ hinterlässt einen äußerst entspannten und deeskalierenden Eindruck in Bezug auf das „illegale“ Publikum. Eine nette Veranstaltung vor „null Zuschauern“, wer hätte das gedacht? Hinter dem Zaun neben dem Kassenhäuschen hat sich eine Berliner Reisegruppe versammelt, aus der ich ein Mitglied natürlich bestens kenne. Pünktlich zum Anpfiff schält sich die Sonne aus ihrem Wolkennest. Es ist angerichtet. Bei meinem letzten Fußballspiel als Zuschauer schrieb ich noch was von den „allerletzten Zuckungen des Spätsommers“, jetzt ist der Winter fast schon wieder vorbei. Von nun an geht es aufwärts.

Das gilt auch für Schalke. Aber nur für die zweite Mannschaft. Königsblau macht Druck, erarbeitet sich bis auf einen frühen Pfostentreffer jedoch keine Chancen. Wie bei so vielen Nachwuchsmannschaften glänzen die Jung-Profis durch gute Ballkontrolle. Wenn’s drauf ankommt, bricht man aber irgendwie nicht in den Strafraum durch. Homberg kommt gegen Ende der Halbzeit ein paar Mal nach vorne. Bei den Duisburgern wird die Nummer 2 im Angriff gesucht und die gehört zu Samed Yesil. Einst Supertalent bei Bayer Leverkusen, Mitte des letzten Jahrzehnts für eine Millionensumme zum FC Liverpool transferiert. Dort legten ihn Kreuzbandrisse lahm und mittlerweile kommt er über die Rolle des Mitläufers beim VfB Homberg nicht mehr hinaus. Tor- und trostlos geht es in die Pause.

Während die Profis schon bald beim VfB Stuttgart in Rückstand geraten, hämmert S04-Talent Brooklyn Ezeh ein paar Minuten nach dem Wiederanpfiff einen Freistoß aus rund 20 Metern mit voller Wucht in den Giebel. Fühlt sich gut an, so ein Tor! Das abstiegsbedrohte Homberg kämpft leidenschaftlich um den Anschluss und hat einen Treffer verdient, womit so eine Partie freilich einen ganz anderen Verlauf nehmen kann. Doch in dem entscheidenden Augenblick des Spiels liegt das Moment auf Seiten der Heimelf, die einen Konter in Person von Jan-Luca Schuler, der schon Bundesliga-Luft schnuppern durfte, erfolgreich zur Vorentscheidung abschließt.

Man kann es kaum glauben, auch die zweite Mannschaft wies bis zu diesem Zeitpunkt eine Negativserie von sieglosen Spielen auf und konnte mit dem Erfolg die ersten drei Punkte in diesem Jahr einfahren. So weit ist man bei den Profis noch nicht, denn spätestens nächsten Tag ist auf Schalke wieder alles beim Alten: Nach der Bundesliga-Niederlage in Stuttgart entlässt der Revierklub die halbe Belegschaft. Unter anderem Trainer Gross, Sportvorstand Schneider und Lizenzspielkoordinator Riether werden am Sonntagmorgen „rausgekärchert“ und beurlaubt. Alles wie bisher in der Fußballwelt. Denn auch wenn dieses „Geisterspiel“ Spaß gemacht hat: Wir warten weiter auf „freizugänglichen“ Fußball.

mm